TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wie bereits in der Analyse der ökonomischen Rationalität aufgezeigt wurde,<br />
ist die Verbindung von Arbeit und Zeit immanent, vor allem, da Zeit die<br />
Maßeinheit ist, in der die Arbeit entlohnt wird. 148<br />
Nach Gorz ist die Autonomie des Subjekts auf dieser Eskalationsstufe dadurch<br />
zu erreichen, dass „Einsparungen an Arbeitszeit als Freisetzung von<br />
Zeit“ angesehen wird, „dank derer sich die sozialen Individuen von den im<br />
Kapital verkörperten Zwängen der ökonomischen Rationalität (...) emanzipieren<br />
sollten“. 149 Dies bedeutet nach Gorz, die Erwerbsarbeit nicht abzuschaffen,<br />
sondern ihr „eine begrenzte und subalterne Funktion in der Entwicklung<br />
der Gesellschaft“ 150 zuzuweisen.<br />
„Der ökonomische Apparat läßt wachsende Zeitflächen im Leben jedes Individuums<br />
und vor allem der Gesamtheit der Individuen vakant. Aber damit<br />
diese Zeit nicht als befreite, jeder Herrschaft entzogene Zeit erscheint, setzt<br />
der Apparat alles ins Werk, um sie zu rekolonialisieren, zu monetarisieren, sie<br />
zu kommodifizieren, sie in warenförmige Freizeit, d. h. in Warenkonsumtion<br />
ohne ökonomische Rationalität und ohne Autonomie, umzuwandeln.“ 151<br />
Gorz plädiert hier für einen Prozess, der zu initiieren ist, von jedem Einzelnen<br />
und vom Gesamten, und den er als „Wiederaneignung der Zeit“ be-<br />
schreibt. 152<br />
Lyotard geht noch einen Schritt weiter. Er kann durch die Verbindung von<br />
Informationen und Wissen mit Sprache aufzeigen, dass sich die kapitalistische<br />
Besitznahme von ehemals Raum und Zeit nun auch auf die Sprache<br />
148 „Alle Ökonomie – so hat Karl Marx prophezeit – werde schließlich Ökonomie der<br />
Zeit. Dies war nicht nur in dem Sinne gemeint, daß es um die Verkürzung der<br />
Arbeitszeit gehen soll, sondern um eine ökonomische Zeitregie, um eine „Ordnung“<br />
der Zeiten, deren Gesetzmäßigkeiten als rationale rekonstruierbar sein müßten.“<br />
(Kamper, D. (1987): Zeitopfer: Vom ewigen Kalender zum Alltag der Termine, in:<br />
Kamper/Wulf (1987), S. 259-265, hier S. 259).<br />
149 Gorz (1998: VIII; Hervorhebungen im Original). So auch Teriet, der die persönliche<br />
Autonomie, die „flexible Lebensplanung“ mit dem Begriff der Zeitsouveränität in Verbindung<br />
bringt. Vgl. Teriet, B. (1979): Zeitsouveränität für eine flexible Lebensplanung,<br />
in: Huber, J. (Hrsg.), Anders arbeiten - anders wirtschaften, Frankfurt,<br />
S. 150-157, zitiert nach Ulrich (1993: 462).<br />
150 Gorz (1998: IX).<br />
151 Gorz (1998: X; Hervorhebungen im Original).<br />
152 Gorz (1998: X). In dieser durch die Ökonomie rationalisierten Lebenswelt wird auch<br />
das Ende des irdischen Lebens, der Tod, in gewissem Grade zum Selbstmord, welcher<br />
zu verhindern gewesen wäre, „(...) wenn man mehr Ressourcen in die Lebensverlängerung<br />
investiert hätte.“ (Becker, G.S. (1982): Der ökonomische Ansatz zur Erklärung<br />
menschlichen Verhaltens, Tübingen, S. 9).<br />
67