TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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nal-strukturellen Semantik der Paradigmen, dass sich unterschiedliche Paradigmen<br />
gleichzeitig entwickeln und in reziprokem Miteinander parallel<br />
weiterentwickeln und ausdifferenzieren. 143 Hierbei ist notwendigerweise von<br />
einem Konkurrenzverhalten auszugehen, welches alleinig die Substitution<br />
des Konkurrenten anzustreben trachtet. Es ist auch ein produktives, den<br />
Konkurrenten in seinem (inhaltlich wie strukturellem) Wert akzeptierendes<br />
Verhalten denkbar.<br />
Die relevante Forschergruppe kann sehr klein sein: Diese Welsch’sche Implikation<br />
ergibt sich zwingend aus der vorherigen Annahme der synchronen Perspektive<br />
in Bezug auf die Existenz und Wirksamkeit von Paradigmen. Wenn<br />
nämlich von einer Synchronität ausgegangen wird, kann sich per definitionem<br />
nicht die ganze scientific community der Rationalität in einem einzigen<br />
Paradigma betätigen; dann wäre ein parallel existierendes Paradigma nicht<br />
denkbar, weder theoretisch noch praktisch. So räumt auch Kuhn in seiner<br />
tendenziell diachronen Perspektive ein, dass das entstehende Paradigma<br />
nicht notwendigerweise vom gesamten wissenschaftlichen <strong>St</strong>ab mitgetragen<br />
werden muss, um existent und wirksam zu sein. 144 Zum anderen ist diese<br />
Annahme auch aus Sicht des rational-strukturellen Verständnisses von Paradigmen<br />
von Bedeutung. Wäre nämlich ein exemplarisches Verständnis<br />
dominant, dann ist die Annahme einer partiellen Akzeptanz im relevanten<br />
Rationalitätsbereich nicht sonderlich erwähnenswert. Denn ein situatives<br />
Anwendungsmuster ist in Bezug auf deren Promotoren fast gar nicht anders<br />
als partiell denkbar. Die Situationsabhängigkeit - und damit deren stark<br />
kurzfristiger Charakter - ist im Ganzen nicht operationalisierbar. Insofern ist<br />
die Annahme und das Vertreten der These einer nur partiellen Unterstützung<br />
eines Paradigmas durch eine der vielen Forschergruppen eine zentrale<br />
Annahme, welche den pluralen und synchronen Gedanken postmoderner<br />
<strong>St</strong>rukturauffassung in die Diskussion hineinträgt.<br />
Die rational-strukturelle Bedeutung der Paradigmen tritt gegenüber der exemplarischen<br />
in den Vordergrund: Wie bereits angedeutet, ist nach Welsch ein Para-<br />
143 Siehe hierzu insbesondere die Beschreibung der Verhältnisse der Paradigmen zueinander<br />
bei Welsch (1996: 562ff.). In dieser Darstellung wird die Charakteristik des Miteinander<br />
deutlich vermittelt. Es entsteht aufgrund der Paradigmenpluralisierung<br />
rationale Unordentlichkeit nicht nur binnensektoriell, also innerhalb eines Rationalitätsbereichs,<br />
sondern vor allem auch transsektoriell; diese Beobachtung trifft Welsch in<br />
Bezug auf den Verflechtungsbefund der unterschiedlichen Diskursarten. Vgl. hierzu<br />
nochmals Abschn. 6.1.2.<br />
144 Vgl. Kuhn (1979: 205).<br />
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