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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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aus anderen Bereichen ‚importiert‘ und somit Verflechtungen erzeugt. Der<br />

ästhetische Diskurs beispielsweise<br />

„(...) ist kein rein ästhetischer, sondern von seiner Grundschicht her immer<br />

auch schon ein moralisch-praktischer Diskurs. Autonomieforderung, Gestaltungsgebot<br />

und Freiheitsstatus sind ihm von dorther eingeschrieben. Noch in<br />

der Zieldoppelung, die für ihn charakteristisch ist – im Oszillieren zwischen<br />

Kunstpurismus und Lebensdienlichkeit -, wirkt diese moralische Grundierung<br />

nach.“ 101<br />

Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen beiden Diskursarten. In dem<br />

Verflechtungsbefund gilt es zudem, sich gegen andere charakteristische Verbindungstypen<br />

abzugrenzen. So stand und steht die Majorisierung einer<br />

Diskursart durch eine andere dem Heterogenitätstheorem entgegen, denn<br />

was inkommensurabel zueinander ist, kann auch nicht durch einander ersetzt<br />

bzw. teilweise substituiert werden. Die Verflechtungsthese hebt diesen<br />

Widerspruch zwar auf, ist selbst aber deutlich von der Majorisierung zu<br />

unterscheiden. Denn Letztere kennt das plurale Gleichgewicht nicht und ein<br />

möglichst ganzheitliches und ausgewogenes Annähern an Sachverhalte kann<br />

danach nur aus der Perspektive eines Favoriten geschehen, welcher die übrigen<br />

ausblendet. 102<br />

Im Gegensatz zu der Verfasstheit der Paradigmenverflechtungen rekurriert<br />

Welsch bei der Beschreibung der Verfasstheit der Diskursverflechtungen auf<br />

den Wittgensteinschen Terminus der „Familienähnlichkeit“. 103 Diese bildet<br />

den Referenzpunkt der Kohärenz der Diskursarten, hebt dabei aber deren<br />

Differenzierungspotential zueinander nicht vollständig auf. Somit bleibt<br />

nachvollziehbar, von unterschiedlichen Diskursarten zu sprechen, jedoch<br />

nicht in einer Art und Weise, welche Separation und Inkommensurabilität<br />

101 Welsch (1996: 527).<br />

102 Welsch referiert zu dieser Thematik besonders prominente Majorisierungen. So zum<br />

Beispiel das Primat des Erkennens bei Sokrates, welches die Kultur der Dominanz des<br />

Kognitiven aussetzt und welches nach Nietzsche („das mörderische Princip“; 1872)<br />

zum Untergang der antiken Tragödie geführt hat. Vgl. Nietzsche, F. (1872): Die<br />

Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, in: ders. (1980), Sämtliche Werke,<br />

Kritische <strong>St</strong>udienausgabe in 15 Bänden, hrsg. von Colli, G./Moutinari, M., Bd. I,<br />

München, S. 9-156, hier S. 85. Auch bei Hegel lässt sich anfangs eine ästhetische Majorisierung<br />

identifizieren (Hegel: Mythologie der Vernunft), welche später zu einer<br />

kognitiven Majorisierung mutierte (Hegel: Ästhetik), zitiert nach Welsch (1996: 530ff.).<br />

103 Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Philosophische Untersuchungen, in: ders. (1984), Werkausgabe,<br />

Bd. I, Frankfurt, S. 225-580, zitiert nach Welsch (1996: 396ff.).<br />

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