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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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dernen Sensibilisierung für die Wahrnehmung des Anderen kennzeichnend<br />

geworden ist. 118 In der moralischen Konnotation erscheint die Übernahme<br />

der Rolle des Anderen, um zu einem ausgewogeneren Bild der kommunikativen<br />

Situation zu gelangen, nicht nur als kognitiver, sondern auch als affektiver<br />

Vorgang rekonstruierbar. Die Diskursethik stützt sich überwiegend auf<br />

die kognitive Dimension der wechselseitigen Verständigung mit der Begründung,<br />

den Diskurs nicht von subjektiv affektiven Emotionen abhängig<br />

zu machen. Jedoch ist diese affektive Einstellung der Diskursteilnehmer<br />

nicht nur personenbezogen und bipolar zu verstehen. 119 Sie kann sich genauso<br />

gut auf der „Vorstufe“ der diskursiven Voraussetzungen entwickeln,<br />

auf der die eigentlichen Diskursteilnehmer noch nicht bekannt sind und somit<br />

auch keine individuell personenbezogene Affektion möglich wäre. Der<br />

Charakter der Affektion erhält auf diese Weise einen überindividuellen Inhaltsbezug,<br />

der die Subjektabhängigkeit zumindest auf der Seite des Gegenübers<br />

relativiert. 120<br />

Dies ließe sich in Anlehnung an die hier entfaltete Argumentation als die<br />

Einsicht in die überindividuelle Notwendigkeit der Wahrnehmung des Anderen<br />

beschreiben und stellt auf diese Weise den prinzipiellen Charakter dieser<br />

Art der Affektion heraus. Habermas ist zwar dieser Ebene der Affektion<br />

im Kontext des Diskurses nicht sehr nahe, doch erwähnt er zumindest, „daß<br />

eine universalistische Moral der „Übereinstimmung“ mit postkonventionellen<br />

Bewußtseinsformen bedarf“ 121. Honneth sieht hierin eine Anlehnung der<br />

empirischen Position von Habermas an die normative Deutung, wie sie<br />

White vornimmt, und resümiert:<br />

„(...) was jener [White; T.B.] im Rückgriff auf Heidegger als Fähigkeit zur Vergegenwärtigung<br />

individueller Besonderheiten beschrieben hat, ist ein zentrales<br />

Element der kommunikativen Tugenden, die hier als personale Voraussetzungen<br />

von moralischen Diskursen in Anschlag gebracht werden können.“ 122<br />

118 Vgl. die Ausführungen bei Ulrich (1998: 79ff.). Vgl. hierzu auch Mead, G.H. (1973):<br />

Geist, Identität und Gesellschaft (Chicago 1934), Frankfurt.<br />

119 Dies soll bedeuten, dass eine affektive Einstellung zum einen nicht nur zwischen zwei<br />

Personen entstehen kann, sondern auch zu einer Überzeugung, zu einer „Sache“ entwickelt<br />

werden kann und zum anderen, dass sich die Affektion auf mehrere Personen<br />

in ihrer Bedeutung als Gruppe beziehen kann. Endpunkt wäre im Letzteren die gemeinschaftliche<br />

Gesellschaft - letztlich auch über die nationalen Grenzen hinaus.<br />

120 Dass diese personengebundene Dimension an späterer <strong>St</strong>elle wieder aufgenommen<br />

wird, steht zu dieser Annahme auf der Voraussetzungsebene nicht im Widerspruch.<br />

121 Habermas (1991: 25; Hervorhebungen im Original, zitiert nach Honneth 2000a: 153).<br />

122 Honneth (2000a: 153).<br />

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