TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hänge auf Kosten sozialer Zusammenhänge ausbreiten und diese nicht komplementieren<br />
sondern überlagern, werden bei fehlender Sensibilisierung und<br />
ausbleibender Kompensation dieser Überlagerung nicht befriedigte lebensweltliche<br />
Bedürfnisse die systematische Folge sein.<br />
3 Grenzen ökonomischer Rationalität – lebensweltliche<br />
60<br />
Implikationen<br />
Es lässt sich somit das Denken wie auch das Handeln der Ökonomie gleichfalls<br />
mit dem Term der Entgrenzung erfassen und gegenüberstellen. Dieser<br />
Term beschreibt das grenzenlose wirtschaftliche Handeln ebenso wie das<br />
begrenzte, weil disziplinäre Denken. Das Auseinanderdriften von Ausmaß im<br />
Denken und Handeln kann als defizitäre Adäquanz der Entgrenzungsgrade<br />
bezeichnet werden. 128<br />
„Das Paradigma der Ökonomie, so vielfältig und in sich verflochten es in sich wiederum<br />
bis in die kleinsten Verästelungen hinein ist, besitzt insgesamt die Haltung,<br />
ihre Gegenstände unter Kosten- und Nutzenaspekten zu beobachten: <strong>St</strong>ets hat sie<br />
Effizienz und Effektivität im Auge. Zugleich weitet sie permanent ihre Gegenstandsbereiche<br />
aus, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. War früher Erziehung<br />
eine Frage der Pädagogik, so ist sie heute auch eine der Ökonomie; war häusliche<br />
Pflege früher eine Frage von Familie und Freiwilligen, so ist es heute zum großen Teil<br />
eine von professionellen Diensten. Die Rationalität der Ökonomie weitet sich konsequent<br />
in andere Bereiche aus, weniger auf sich wertfrei verflechtende Weise, sondern<br />
auf besetzende Weise. Und will dies auch, aus ihrer Sicht nur folgerichtig.“ 129<br />
Dabei bedeutet die Erosion der Grenzen zwischen Lebens- und Arbeitswelt<br />
unter den aktuellen Bedingungen für den Einzelnen eine Herausforderung,<br />
128 In Anlehnung an das law of requisite variety bei Ashby (1957) kann von der Forderung<br />
nach einer „Isomorphie des Entgrenzungsgrades“ gesprochen. So zumindest haben<br />
Mirow et al. den Terminus der „Komplexitätsisomorphie“ entwickelt, welcher vorher<br />
auch schon in ähnlicher Weise bei Kirsch, W. (1994): Die Handhabung von Entscheidungsproblemen:<br />
Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, 4., völlig<br />
überarbeitete und erweiterte Aufl., München, vorbereitet wurde. Vgl. hierzu Ashby,<br />
W.R. (1970): An Introduction to Cybernetics, 5. Aufl., London; Mirow, M./Aschenbach,<br />
M./Liebig, O. (1995): Produktion und/oder Reduktion von Komplexität: Ein<br />
systemtheoretischer Beitrag zur Frage der Konzernentwicklung, unveröffentl. Aufsatz,<br />
München.<br />
129 Leoprechting, G.v. (2000): Vernunft zu Ende - am Anfang, in: EuS, Jg. 11, H. 1, S. 119-<br />
121, hier S. 120.