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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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neu ausgehandelt. Die tatsächliche Gestalt des Aushandlungsprozesses ist<br />

dabei im bedeutenden Maße von dem historischen Kontext abhängig.<br />

Die phänomenologische Verflochtenheit von System und Lebenswelt ermöglicht<br />

darüber hinausgehende „Verbindungen“, die Habermas als „Kolonialisierung<br />

der Lebenswelt“ 169 bezeichnet hat. Das Systemische breitet sich<br />

in der Lebenswelt aus und überlagert diese, so dass Funktionen in der<br />

Lebenswelt verloren gehen. 170 Das nach der Entkoppelung „passierende“<br />

Aufeinandertreffen von System und Lebenswelt scheint sich einer gemeinsamen<br />

und gleichberechtigten Gestaltung zu entziehen. Der kooperative<br />

phänomenologisch-passierende Verflechtungsbefund von System und Lebenswelt<br />

erodiert zum Wettbewerb und läuft auf eine entweder-oder Entscheidung<br />

hinaus, da die Entkoppelung zu einer derartigen Differenz in den<br />

Tiefenstrukturen geführt hat.<br />

Es ist deutlich geworden, dass die ökonomische Rationalität als Systemrationalität<br />

immer schon der Lebenswelt in einem idealisierten systemtheoretischen<br />

Differenzierungsmuster als Gegenüber positioniert gesehen wird. Aus<br />

ihr heraus entwickelt, behauptet sich die systemische Rationalität als eigenständiger<br />

Methodenraum. Die eine Trennung provozierende, systemische<br />

Eigenständigkeit erscheint wie eine Emanzipation von dem, was die eigentliche<br />

Grundlage auch der Ökonomie darstellt. Emanzipation von der Lebenswelt<br />

nicht nur methodisch, sondern vor allem auch normativ, erscheint,<br />

als entzöge sich das System seiner eigenen Grundlage. Diese Abkoppelung<br />

kann nur auf Grundlage lebensweltlicher Unterstützung passieren, denn sie<br />

stellt die phänomenologische Referenz dar. Die Lebenswelt stellt den umfassenderen<br />

Rahmen im Vergleich zum System dar. Das System kann nur als<br />

„derivative Lebenswelt“, als Ableitung der Lebenswelt verstanden werden –<br />

zumindest in der Entstehung. Eine Entkoppelung kann zwar angestrebt und<br />

sogar auch gelebt werden, doch sie blendet die lebenspraktische Begründung<br />

einer jeden menschlichen Tätigkeit aus, reduktioniert. 171 Das System erhebt<br />

seinen funktionalen Fortschritt zum Selbstzweck. Der Selbstzweck der öko-<br />

169 Habermas (1981b: 293).<br />

170 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Ulrich (1993: 84ff.).<br />

171 So äußert sich auch Hinder in Bezug auf die Unternehmung. Die „Lebenswelt“ der<br />

Unternehmung ist „immer noch auf eine komplementäre Alimentierung durch eine<br />

originäre Lebenswelt angewiesen (...), die in die alltäglichen Lebensformen der privaten<br />

Lebenswelt eingebettet ist.“ (Hinder, W. (1986): <strong>St</strong>rategische Unternehmensführung<br />

in der <strong>St</strong>agnation: <strong>St</strong>rategische Programme, unternehmenspolitischer Rahmen<br />

und kulturelle Transformation, München, S. 307).<br />

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