TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Kolonialisierung belegt wurde. 209 In beiden Fällen kommt das sich auf das<br />
Partiale beziehende mit dem Totalen in Berührung, was automatisch zu einer<br />
Überforderung des Partialen führt; jedoch nur dann, wenn sich das Partiale<br />
berufen fühlt, selbst auf das Gesamte auszugreifen. In dem hier beschriebenen<br />
Zusammenhang wird der ökonomischen Rationalität dieser Ausgriff<br />
vorgeworfen.<br />
Pointiert formuliert, konstruiert in diesem Fall das Partiale das Totale. Vor diesem<br />
Hintergrund gewinnen die Begriffe der Kolonialsierung und der Verdinglichung<br />
erneut an Profil. Wenn man sich beispielsweise die Gegenstandsbestimmung<br />
der Rationalität vergegenwärtigt, die über die gegenständliche<br />
Bestimmung nicht hinausgehen kann, dann lässt sich ausmalen, in welcher<br />
Weise die rationale Wahrnehmung die komplexe Verflechtung partialisiert<br />
und zu handhabbaren Paketen zusammenschnürt.<br />
Dieser Befund nun kann aus der Rationalität heraus nur schwerlich wahrgenommen<br />
werden; dazu bedarf es der Außenperspektive; aus dieser werden<br />
die diskrepanten Konstellationen deutlich. Wie auch Welsch selbst andeutet,<br />
werden die Gegenstände in der Rationalität, die das eigene Verhältnis zu anderen<br />
Rationalitäten thematisieren, „nur sekundär und in strategischer und<br />
selbstsichernder Absicht“ 210 bewegt, wenn überhaupt. 211 Die Vernunft hingegen<br />
kann mit ihren „Gegenständen“ nur schwerlich eine strategische Position<br />
einnehmen, da kein Gegenüber existiert und auch keine genuin eigenen,<br />
d. h. von den Gegenständen unterschiedlichen Intentionen. Jedoch müssen<br />
sich diese Einstellungen nicht notwendigerweise entgegenstehen.<br />
Der Blick der Vernunft auf die Verhältnisse der Rationalitäten wohnt eine<br />
Intention inne, die nicht notwendigerweise auf eine Verständigung der Rationalitäten<br />
abzielt, jedoch aber auf eine Sensibilisierung für die Differenzen<br />
und deren Auswirkungen auf das Ganze. Aus dieser Sensibilisierung kann<br />
die Einsicht in die Notwendigkeit eines Abgleichs zwischen den Rationalitäten<br />
entstehen. In dieser „Einsicht in die Notwendigkeit eines Abgleichs“ kann<br />
eine Bedingung der Möglichkeit von Verständigung gesehen werden; auf der<br />
Grundlage dieser Verständigung wäre Problemhandhabung möglich. In<br />
dieser Einsicht der Notwendigkeit und nicht in der Forderung des konkreten<br />
209 Vgl. Abschn. 3.3.<br />
210 Welsch (2000a: 87).<br />
211 Es ließe sich in Anlehnung an Habermas die Rationalität als strategisch-orientiert beschreiben,<br />
die Vernunft hingegen als verständigungsorientiert. Das wird an späterer<br />
<strong>St</strong>elle nochmals aufgenommen. Vgl. hierzu Abschn. 10.2.<br />
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