TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Evaluationsprozess, der zu der<br />
Erfassung der tatsächlichen Unternehmensidentität führt, versucht primär zu<br />
erfassen, also reine Evaluation zu betreiben, nicht strategisch zu entwickeln.<br />
Der systematische Unterschied des Prozesses der Corporate Identity zeigt<br />
sich in dem Handlungsdruck, der aus dem gebotenen Abgleich zwischen<br />
Identität und Image entsteht. Diese Funktion des Abgleichs ist zudem<br />
asymmetrischer Natur, da Ausgangspunkt des Gewünschten selten die<br />
Unternehmensidentität ist, sondern die Kundenwünsche, der Markttrend.<br />
Diese Größen machen den Unternehmenserfolg aus und bestimmen das<br />
systemische Verhalten der Unternehmung. 180 Diese von außen bestimmte<br />
Identität drängt die tatsächliche Identität der Unternehmung in die <strong>St</strong>atistenrolle;<br />
sie hat sich der gewünschten und durch die Corporate Identity vermittelten<br />
Identität anzupassen. Hierbei gehen diejenigen Vorteile für den<br />
Einzelnen und für die Unternehmung verloren, welche entstehen würden,<br />
wenn der Einzelne sich in seiner genuinen Identität im Gesamtkomplex<br />
wiederfände. Dies bedeutet nämlich Identifikation. Die Anpassung an strategisch<br />
vorgeschriebene Identitäten kann hingegen keinen authentischen<br />
Charakter annehmen. 181<br />
In der ethischen Reflexion bedeutet dies, dass das in der postmodernen Ethik<br />
herausgearbeitete zentrale Charakteristikum der Wahrnehmung des Anderen<br />
in seiner Andersartigkeit und die aus dieser Feststellung abgeleitete<br />
eigenen Identität darstellt. Damit bleibt auch dieser Ausdruck im Kontext der Unternehmung<br />
dem ökonomischen Paradigma verhaftet.<br />
180 Das sich hier darstellende Bild ist eines, welches das Unternehmen als reinen Reagierer<br />
interpretiert, als einen Akteur, der dem Sachzwang des Marktes unterworfen ist.<br />
Die Corporate Identity füllt diese Rolle der Anpassung an das Wunschbild des<br />
Marktes bis in die innerste Unternehmensverfassung, die Unternehmensidentität<br />
nämlich, aus. „Subjektivität wird in diesem systemischen Kontext reduziert auf die<br />
richtige Reaktion auf die wechselnden Anforderungen des globalen Marktsystems.<br />
Die Zwecke sind objektiv vorgegeben, was subjektiv übrig bleibt, ist die Wahl der<br />
Mittel, und Horkheimers Ameisenmetapher trifft das System in seinem Kern.“ (Wenzel<br />
1996: 197).<br />
181 Es gibt hierzu unzählige Beispiele. Die C&A-Werbekampagne in den späten 90er Jahren<br />
bspw. vermittelte ein Bild des Unternehmens, welches vorwiegend junges Publikum<br />
ansprach, dem Trend entsprach, diesem sogar vorauseilte. Wenn man jedoch die<br />
C&A-Kaufhäuser betrat, dann war von dieser „hippen“ Kultur nichts mehr zu spüren,<br />
weder in den Produkten, noch in ihrem Erscheinungsbild. Dies liegt nicht nur<br />
daran, dass die Corporate Identity nicht ausreichend in die Unternehmung hinein<br />
vermittelt wurde. Vielmehr lag es daran, dass die tatsächliche Unternehmensidentität<br />
zu weit von dem auf sie projizierten Wunschbild entfernt war - und auch immer noch<br />
ist.<br />
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