TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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ewusste Zugang dazu, die Totalität, wird erzeugt. 207 Die transversale Vernunft<br />
steht somit zwischen Universalem und Partialem als Medium. Diese<br />
spezifische Zwischenrolle wiederum kann nur in einer asymptotisch-dynamischen<br />
Leere und Positionsungebundenheit gedacht werden, will das Medium<br />
nur Medium, reines Medium sein. 208<br />
In dem Fokus der transversalen Vernunft stehen diejenigen Inhalte, die<br />
zwischen diesen Gegenständen zu finden sind und ihre Beziehung zueinander<br />
beleuchten. Die Klärung der Inhalte jenseits der Inhalte der Gegenstände<br />
ist Vollzug der Vernunft und konstituiert sich aus der Einsicht in die<br />
Notwendigkeit der Klärung; der Klärung der Verhältnisse zueinander. Aus<br />
der konkreten Betrachtung der Vollzüge zeigt sich auf ähnliche Weise die<br />
Unterstützung der Vermutung einer nicht vollständig „leeren“ Vernunft.<br />
Im Blick auf eine Weiterentwicklung der ökonomischen Rationalität hat der<br />
Bezug zum Totalen und Partialen und die qualitative Differenz zwischen<br />
beiden eine zentrale Bedeutung. Die Rationalität bezieht sich auf die eigenen<br />
Inhalte. Diese sind zwar von zentraler Relevanz für den eigenen Bereich,<br />
darüber hinaus können sie jedoch keine Relevanz erreichen, wenn nicht<br />
deren Anschlussfähigkeit in irgendeiner Art und Weise hergestellt werden<br />
kann. Die Relevanz bleibt ohne diesen Anschluss Bereichsrelevanz. Dies<br />
kann sich im Wesentlichen aus zwei Gründen ändern und zu qualitativen<br />
Spannungen führen. Zum einen, dies wurde aus anderer Perspektive in Abschnitt<br />
2.4 bereits angedeutet, ist der real arbeits- und lebensweltliche Befund<br />
ein Verflechtungsbefund, trotz aller Autonomisierungsbemühungen seitens<br />
des Systems. Zum anderen kommt es dazu, dass die auf das Partiale<br />
bezogene Rationalität auf das Totale ausgreift, welches bereits mit dem Term<br />
207 Welsch (1996: 922f.) weist in diesem Zusammenhang auf die Russellsche Antinomie<br />
hin: „Die Russellsche Antinomie besteht darin, daß die Menge all derjenigen Mengen,<br />
die sich selbst nicht enthalten, genau dann, wenn sie sich nicht enthält, sich selbst<br />
enthalten muß, daß sie sich hingegen dann, wenn sie sich enthält, nicht enthalten<br />
kann.“ Das bedeutet, dass Aussagen über das Ganze „selbstinklusiv“ sein müssen, die<br />
jedoch gerade in eine Paradoxie, hier Antinomie führt. Vernunft als Ausgriff auf das<br />
Ganze kann damit nur asymptotisch und prozessual verstanden werden. In dieser<br />
Charakteristik bleibt Vernunft jedoch immer spezifiziert durch ihren spezifischen Zugang<br />
und ihre spezifische Referenz.<br />
208 Die Vernunft als Vermittler erinnert wiederum an Hegel, der diese Vermittlungstätigkeit<br />
mit dem Begriff „dialektische Natur der Vernunft“ belegte. Vgl. Hegel, G.W.F.<br />
(1970): Werke in zwanzig Bänden, Band 4, Frankfurt, S. 87, zitiert nach Luckner (2000:<br />
123).<br />
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