Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
nach Modellen, die zum einen ein Weniger an Arbeitslosigkeit,<br />
zum anderen ein Mehr an Zeitsouveränität<br />
erlauben, zugleich aber den betrieblichen Rentabilitätsbelangen<br />
entsprechen.<br />
Arbeitsplatzwahl- und Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
sind Voraussetzungen zur Sicherung der Lebenslagen<br />
von Familien. Nur eine zielgerechte Bündelung wirtschaftspolitischer<br />
Maßnahmen kann hier zum Ziel<br />
führen, zum Aufbau, zur sinnvollen Nutzung und zur<br />
Bewahrung von Humanvermögen, das Zukunft<br />
sichert, weil die Menschen sich ihrer Kompetenz<br />
bewußt sind, Zukunft zu gestalten. Vereinbarkeit von<br />
Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit sowie die<br />
Wahlfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit<br />
sind unabdingbare Bestandteile einer humanen<br />
Arbeitswelt und einer humanen Gesellschaft.<br />
6. Stützungsnetze für Familien<br />
(Seite 188-199)<br />
Stützungsnetze für Familien, vor allem bei der Betreuung<br />
von Kindern und Pflegebedürftigen, sind die<br />
Voraussetzung dafür, daß Menschen Zeitsouveränität<br />
gewinnen und Ausbildung und Weiterbildung sowie<br />
Erwerbs- und Familientätigkeit sich vereinbaren lassen.<br />
Sie gewinnen heute zusätzlich an Bedeutung,<br />
weil die Ansprüche an die familialen Betreuungsleistungen<br />
sowohl für die Kinder als auch für Kranke und<br />
Behinderte erheblich gestiegen sind und soziale und<br />
räumliche Mobilitätserwartungen an das Arbeitskräftepotential<br />
die familialen Unterstützungsleistungen<br />
erschweren oder gar unmöglich machen.<br />
Im Kapitel VIII werden die familienergänzenden Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
und die unterschiedlichen<br />
Versorgungsgrade mit Betreuungsplätzen in<br />
beiden Teilen Deutschlands geordnet nach unterschiedlichen<br />
Altersgruppen dargestellt und auf die<br />
vielfältigen Untersuchungen verwiesen, die darlegen,<br />
daß Mehrfachbetreuungen von Kindern in jedem<br />
Alter für sie zuträglich waren und sind, wenn die<br />
Qualität der Beziehung zu den Betreuungspersonen<br />
stimmt, Kinder sich wohlfühlen in den Umwelten, in<br />
denen sie leben und ihre Eltern für sie fröhliche,<br />
verläßliche Partnerinnen und Partner im familialen<br />
Alltagsleben sind. Stützungsnetze vergleichbarer Art<br />
benötigen Kranke und Behinderte sowie die Generation<br />
der Ältesten. Die Stützungsnetze dienen sowohl<br />
der Entlastung der betreuenden und pflegenden<br />
Familienmitglieder als auch der Erweiterung und<br />
Verbesserung der Betreuungs- und Pflegeleistungen<br />
von Familien. Die Zunahme der älteren Bevölkerung<br />
und die Zunahme der Lebenserwartung sowie das<br />
Bestreben der Menschen, ein selbstbestimmtes Leben<br />
zu führen, bringen es mit sich, daß Hilfen in Notlagen<br />
und Krisen sowie bei Leiden und Behinderungen nicht<br />
mehr im eigenen Haushalt aktiviert werden können.<br />
Nachbarschafts- und Stadtteilzentren werden zunehmend<br />
gebraucht. In ihnen können professionelle<br />
Dienst- und Selbsthilfeaktivitäten verknüpft werden.<br />
Sie können so die unterschiedlichsten Funktionen<br />
füreinander übernehmen, vom geselligen Teffpunkt<br />
für jung und alt bis zur Organisation der persönlichsten<br />
Hilfen und Beratungen bei schwerer Erkrankung<br />
und Tod. Das Engagement im sozialen Dienst bedarf<br />
der Förderung, Anerkennung, der behutsamen und<br />
einfühlsamen Organisation sowie der Qualifikation<br />
aller Akteure für diese Aufgabe.<br />
7. Familie und Gesundheit<br />
(Seite 246-270)<br />
Gesundheit ist eine zentrale Dimension des Humanvermögens.<br />
Sie bedeutet nicht das bloße Fehlen<br />
klinischer Krankheiten, sondern die Fähigkeit eines<br />
Menschen, mit den Herausforderungen des alltäglichen<br />
Lebens fertig zu werden, Belastungen gewachsen<br />
zu sein und Krisen zu überwinden.<br />
Das Spektrum der gesundheitspolitisch bedeutsamen<br />
Erkrankungen hat sich in der Bundesrepublik während<br />
der letzten Jahrzehnte von den Infektionskrankheiten<br />
auf die chronischen Erkrankungen verlagert.<br />
Sie treten vor allem als Folge langdauernder spezifischer<br />
Belastungen auf, wie sie mit risikoträchtigen<br />
alltäglichen Lebensweisen verbunden sind, z. B.<br />
ungesunder Ernährung, Süchtigkeit, Bewegungsarmut,<br />
beengenden Wohnverhältnissen, belastenden<br />
Arbeitsverhältnissen. Die klinische Medizin kann die<br />
daraus resultierenden Leiden häufig nur lindern, nicht<br />
heilen. Die beste Bekämpfung chronischer Erkrankungen<br />
ist präventiver Art, indem Belastungen reduziert<br />
und Lebensweisen geändert werden, um eine<br />
organische oder psychische Überforderung des Menschen<br />
zu vermeiden. Die herrschende Medizin ist<br />
jedoch krankheits-, nicht gesundheitszentriert. Nur<br />
0,7 % der Aufwendungen für das Gesundheitswesen<br />
dienen präventiven Zwecken. Viele Formen der Prävention<br />
finden allerdings außerhalb des statistisch<br />
erfaßbaren Gesundheitswesens statt.<br />
Die familialen Lebensverhältnisse sind ein zentraler<br />
Faktor des präventiven Gesundheitsgeschehens in<br />
positiver wie auch in negativer Hinsicht. Befriedigende<br />
Familienbeziehungen stellen einen wirksamen<br />
Schutzfaktor für alle Beteiligten dar. Familienangehörige<br />
sind die wichtigsten Bezugspersonen in gesundheitsrelevanten<br />
Netzwerken und bevorzugte Hilf e-<br />
personen bei Krankheitsepisoden oder Pflegebedürftigkeit.<br />
Gestörte oder durch wirtschaftliche, soziale<br />
oder persönliche Probleme überlastete Familien können<br />
allerdings der Entstehung chronischer Krankheiten,<br />
psychosomatischer Beschwerden oder auch von<br />
Süchtigkeit Vorschub leisten bzw. individuelle Störungen<br />
verstärken. Das Zerbrechen der ehelichen<br />
Beziehung sowie länger dauernde Arbeitslosigkeit<br />
eines Familienmitglieds haben sich als besonders<br />
belastende Ereignisse herausgestellt.<br />
Exemplarisch werden die Zusammenhänge zwischen<br />
Familie und Sucht dargestellt: der Umgang der Eltern<br />
mit psychotropen Substanzen (z. B. Tabak, Alkohol)<br />
hat wichtige Vorbildwirkungen für die Kinder; der<br />
Konsum erlaubter Drogen ist regelmäßig die Voraussetzung<br />
für den späteren Konsum verbotener Drogen.<br />
Süchtigkeit muß als eine bestimmte Form des Umgangs<br />
mit sonst unlösbaren Problemen verstanden<br />
werden und läßt sich daher durch Entzug bestimmter<br />
Substanzen allein nicht heilen. Schwere Formen der<br />
Sucht werden häufig durch familiale Umstände mit