Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Drucksache 12/7560 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode tierung im technisch-wissenschaftlichen Wandel zu befähigen, verspielen, wenn sie nicht in das Konzept einer allgemeinen menschlichen Daseinskompetenz eingebettet ist. Die Gesellschaft kann ihrer Verantwortung für die nachfolgende Generation schließlich nur dann gerecht werden, wenn sie sich ihre Fähigkeit zu Erziehung und Wertvermittlung — als Daseinsvorsorge — sichert. Die Familienorientierung des Bildungssystems ist aus der Lebenslage und -perspektive von Eltern und Kindern heraus gesehen eine dringliche politische Aufgabe. Vielfalt und W andel der Lebenslagen und Bildungsbedürfnisse erfordern die Differenzierung von Bildungszielen, Bildungswegen und Bildungsinhalten sowie die Regionalisierung der Bildungsangebote und die Erreichbarkeit der Ganzheit des Bildungssystems vom Familienwohnsitz aus. Das Erfüllen dieser Anforderungen kann wesentlich zur bestmöglichen Förderung von Begabten und Benachteiligten, zur Generationen- und Geschlechterorientierung im Lebens- und Familienzyklus sowie zur Unterstützung und Entlastung von Familien unabhängig von Status und Wohnort beitragen. Kernstück der Familienorientierung des Bildungsangebots ist seine inhaltliche und zeitliche Flexibilisierung. Dazu gehören die verbesserte Koordinierung der Zeitmuster der Schule mit dem Zeitmuster der Familie, die Erhöhung der Durchlässigkeit in einem vielfältigen Bildungsangebot sowie der Abbau der starren und stark verrechtlichten Aus- und Weiterbildungsordnungen zugunsten einer stärkeren Betonung begleitender Prüfungs- und Zertifizierungssysteme. Insbesondere sind die möglichen Maßnahmen zur Verkürzung von Ausbildungszeiten zu ergreifen. Die Kommission unterstreicht die Notwendigkeit und Möglichkeit, durch Familienarbeit erworbene Qualifikationen auszuformen, anzuerkennen und in Anspruch zu nehmen. Sie können in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Erwerbsarbeit eingesetzt werden. Der Erwerb familienbezogener Kompetenzen der vielfältigen Berufe mit Familien- und Haushaltsbezug sollte durch eine Neuordnung der entsprechenden Aus- und Weiterbildungsordnungen ermöglicht und gesichert werden. Die erhebliche Relevanz dieser Berufe für die Erfüllung der Leistungen der Familie erfordern nachhaltig die Sicherung der Ausbildungsqualität und vor allem die Umkehr des deutlichen Nachwuchsmangels im Bereich der gesundheits- und sozialpflegerischen Berufe und der Berufe der Therapie und Geburtshilfe. In den einzelnen Bildungsbereichen muß die Familienorientierung des Bildungssystems die jeweils speziellen Bedingungen und Handlungsansätze beachten und ergreifen. Im Schulsystem sind u. a. von Bedeutung: die Vielfalt des Bildungsangebots verbunden mit Übersichtlichkeit und Durchschaubarkeit, Durchlässigkeit, Flexibilität und Wohnungsnähe, weiterhin die Teilhabe der Eltern an Entscheidungen und Alltagshandeln in der Schulwelt. Aktuell empfiehlt die Kommission, nicht die Ressourcen für das Schulwesen zu kürzen, sondern unter Wahrung der genannten Prinzipien Ressourcenstandards und -nutzung mit dem Ziel von Einsparung und Effizienzstei gerung zu überprüfen. Die pädagogische Erneuerung der Schulen sollte über die intensivierte Weiterbildung der älterwerdenden Lehrerschaft und die kontinuierliche Einstellung jüngerer Lehrerinnen und Lehrer gefördert werden. Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Ausbildung und Mutterschaft bzw. Elternschaft tragen in der betrieblichen Erstausbildung und in der Hochschulausbildung insbesondere flexible Ausbildungsverläufe bei. Daneben treten Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts und eine soziale Infrastruktur, die die Wohnungsversorgung verbessert und die Kinderbetreuung erleichtert. Im Hinblick auf die Weiterbildung von Müttern und Vätern sollte u. a. sichergestellt sein, daß den Eltern in der Nähe von Wohn- und Arbeitsort ein ausreichend differenzie rtes Angebot in - einer familiengerechten Zeitstruktur zugänglich ist. Die Familienorientierung des Bildungssystems wird umso eher gelingen, je besser innovative Schritte an konkreten Lebenslagen und/oder Rahmenbedingungen ansetzen können. Durch Intensivierung von Forschung und kontinuierliche Berichterstattung ist für die Bereitstellung der erforderlichen Grunddaten Sorge zu tragen. Es wird ein gemeinsames Modeliversuchsprogramm „Familie und Bildung" von Bund und Ländern vorgeschlagen. Durch das Ausloben von Wettbewerben wird der Transfer von Innovationen gefördert. Innovation und Transfer im Bildungswesen sind in extremer Weise auf das Zusammenwirken zahlreicher Akteure auf den Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden, in den Bildungseinrichtungen und deren Trägern sowie der Mütter und Väter und deren Lobby angewiesen. Ihre Motivation sollte gestärkt werden, denn im familienorientierten Einwirken auf die bildungspolitische Diskussion darf keine Pause eintreten. 9. Grundsätze der Empfehlungen (Seite 319-322) Das Grundgesetz sieht den Schutz und die Förderung der Familien als politischen Auftrag vor. Urteile des Bundesverfassungsgerichts machen deutlich, daß die Politiker in Deutschland diesen Auftrag eher als nachrangig angesehen haben als gerade der Familienfreundlichkeit besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Folgen zeigen sich langfristig in den Alltagsschwierigkeiten der Menschen, mit ihren familialen Verpflichtungen zurechtzukommen, Verantwortung für Angehörige — seien dies Kinder, Altere, Kranke, Behinderte als auch die Partner und Partnerinnen — zuverlässig auf Dauer zu übernehmen. Die gesellschaftlichen Folgekosten steigen dadurch. Die Familienberichtskommission fordert deshalb mehr familienorientierten politischen Gestaltungswillen — für eine neue Familienorientierung in allen Politikbereichen, — für neue familienorientierte Prioritäten bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingung für das Alltagsleben der Menschen, — für eine Neuorientierung des Familienlastenausgleichs,
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560 — für eine familienorientierte Reformdiskussion im Familienrecht, — für familienorientierte amtliche Statistiken, Forschungsmittel und Forscherinitiativen sowie Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen. Familie muß in modernen Gesellschaften wieder leichter lebbar gemacht werden. Dazu benötigen wir familienpolitischen Gestaltungswillen und familiale Gestaltungskompetenzen. Von „Natur" ist eine Kultur familialen Zusammenlebens nicht zu erwarten.
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