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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

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beim<br />

BMJFG<br />

und -fähigkeit der Beschäftigten zum Dreh- und<br />

Angelpunkt von Entscheidungen auf den<br />

Arbeitsmärkten und zu einem Instrument der<br />

Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.<br />

Meinungsumfragen zufolge können in unserer<br />

Bevölkerung individuelle Arbeitszeitverkürzungen<br />

selbst bei Einkommensverzicht mit<br />

hoher Zustimmung rechnen, insbesondere<br />

dann, wenn damit zugleich neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden können. B. Strümpel (1985,<br />

S. 51 ff.) berichtet nach eigenen Untersuchungen,<br />

daß viele Vollzeitbeschäftigte eine kürzere<br />

Arbeitszeit wünschen, auch ohne Lohnausgleich.<br />

Sie könnten sie aber nicht bekommen.<br />

Sein Material zeigt, daß dies für etwa ein Viertel<br />

der Vollzeitbeschäftigten, also für etwa 6 bis 7<br />

Mio. Erwerbstätige gilt, die gern ihr Beschäftigungsvolumen<br />

reduzieren würden. Selbst unter<br />

-<br />

Berücksichtigung dessen, daß zwischen Meinungsäußerung<br />

und konkreter Entscheidung<br />

Unterschiede bestehen könnten, sei davon auszugehen,<br />

daß eine sehr beträchtliche Marge an<br />

„Überbeschäftigung" zu registrieren sei. Damit<br />

zeichnet sich ein Umverteilungspotential zur<br />

Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze sehr deutlich<br />

ab (siehe hierzu auch Brinkmann 1983,<br />

S. 54 ff.).<br />

In seinem Gutachten „Familie und Arbeit"<br />

argumentiert der Wissenschaftliche Beirat für<br />

Familienfragen beim Bundesministerium für<br />

Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG) vor<br />

diesem Hintergrund wie folgt: Der familienpolitischen<br />

Verantwortung der Tarifpartner und<br />

-partnerinnen eröffne sich heute neben dem<br />

Bereich familienorientierter Geld- und Sachleistungen<br />

ein weiteres aktuelles Aktionsfeld in<br />

Gestalt der sogenannten „neuen Arbeitszeitpolitik"<br />

. Unter neuer Arbeitszeitpolitik wird<br />

eine optimale, individuelle Arbeitszeitverkürzung<br />

durch Flexibilisierung verstanden, eine<br />

Politik also, die individualisierte flexible Arbeitszeitregelungen<br />

ermöglicht. Familienpolitik<br />

könne nicht als alleinige Aufgabe der staatlichen<br />

Instanzen angesehen werden. Vielmehr<br />

liege eine familienpolitische Verantwortung bei<br />

allen Institutionen, die — wie z. B. die Tarifvertragsparteien<br />

und die Unternehmungen<br />

durch ihre Handlungen und Unterlassungen die<br />

Lebenslage von Familien beeinflussen (BMJFG<br />

1984).<br />

Das ist nach wie vor der Stand der Diskussion.<br />

Die Einsichten haben sich nicht verändert. Die<br />

Zahl der vorgeschlagenen Modelle wächst ins<br />

Unendliche. — Klauder fragt, ob flexible, individuelle<br />

Arbeitszeitregelungen als „Muster für<br />

die Arbeitswelt von morgen" anzusehen seien.<br />

Er sieht flexiblere, noch individueller gestaltete<br />

Arbeitszeiten als Voraussetzung für weniger<br />

konfliktbeladene Frauenerwerbsbeteiligung<br />

und Altersbeschäftigung sowie die Flexibilisierung<br />

der Lebens- und Jahresarbeitszeit als<br />

einen Tatbestand marktgerechter Anpassung<br />

des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens an<br />

unterschiedliche Arbeitsmarktkonstellationen<br />

(Klauder 1991, S. 178 ff.). — Und: die Tarifpartner<br />

beginnen, sich auf neue Inhalte hin zu<br />

orientieren (Herrmann 1991, S. 54). Zugleich<br />

wird nachdrücklich auf die Bedeutung von Einzelfallregelungen<br />

aufmerksam gemacht, weil<br />

die Situationen in den Betrieben, Unternehmen<br />

und Branchen sehr unterschiedlich sind, was<br />

eine geduldige Verhandlungsbereitschaft auf<br />

allen Ebenen erforderlich macht.<br />

Während der Dritten bundesweiten Gleichberechtigungskonferenz<br />

berichtete Buttler (1992),<br />

daß nach einer Erhebung im Jahr 1989 3 % oder<br />

450 000 vollzeitbeschäftigte Männer und 11 %<br />

bzw. 750 000 Frauen eine Teilzeitbeschäftigung<br />

wünschten. Insgesamt äußerten damit 1,2 Millionen<br />

Vollzeitbeschäftigte den Wunsch nach<br />

Teilzeitarbeit. Da jedoch gleichzeitig 11 %<br />

oder 500 000 Teilzeitbeschäftigte Vollzeitarbeit<br />

suchten, verblieb im Saldo lediglich eine Nachfrage<br />

nach 700 000 zusätzlichen Teilzeitarbeitsplätzen.<br />

Würden diese bei einem Wechsel von<br />

Vollzeitarbeit in Teilzeitarbeit auch nur rund ein<br />

Drittel ihres Arbeitsvolumens bereitstellen,<br />

könnten weitere 300 000 Teilzeitarbeitsplätze<br />

entstehen. Hinter dieser „Zwei-Drittel-Rechnung"<br />

(der Besitzstandswahrung) stehen Beschäftigungswünsche:<br />

Frauen in Teilzeitbeschäftigung<br />

möchten nämlich nach ihren eigenen<br />

Angaben fast ausschließlich im sozialversicherungspflichtigen<br />

Wochenstundenbereich tätig<br />

sein. Häufig möchten sie zwei Drittel bis drei<br />

Viertel der Vollzeitstundenzahl arbeiten. Ihre<br />

gewünschte Arbeitszeit läge also nicht bei 18 bis<br />

20 Stunden, sondern bei 27 Stunden in der<br />

Woche. Buttler betont, das sei ein wichtiger<br />

Punkt: Die Halbtagsteilzeit sei zwar noch die<br />

traditionell vorherrschende Realität. Sie entspreche<br />

aber nicht dem Wunschbild von Frauen,<br />

die interessante Aufgaben meistern und gleichzeitig<br />

auf Familie nicht verzichten möchten.<br />

Halten wir fest: Es kann vor diesem Hintergrund<br />

nicht ernsthaft bestritten werden, daß eine<br />

Umverteilung des Arbeitsvolumens aus fami<br />

lien- und beschäftigungspolitischen Gründen<br />

erwünscht und auch praktisch möglich ist.<br />

2.2 Förderung der Vereinbarkeit von<br />

Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit<br />

und der Wahlfreiheit zwischen<br />

Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit<br />

in der Bundesrepublik Deutschland<br />

Die Ziele der Förderung der Vereinbarkeit von<br />

Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit werden<br />

seit fast zwei Jahrzehnten intensiv erörtert.<br />

Schon 1980 befaßte sich der Wissenschaftliche<br />

Beirat für Familienfragen ausführlich mit diesem<br />

Themenkomplex. 1984 nahm er erneut<br />

dazu Stellung (vgl. BMJFG 1980 und 1984).<br />

Mittlerweile gibt es zahlreiche Modellentwürfe<br />

zur Verwirklichung dieser Ziele. Appelle an<br />

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, Gewerkschaften<br />

und Betriebsräte zeigen, daß den Tarifvertragsparteien<br />

für die Zielverwirklichung ent-<br />

Beschäfti<br />

gungs<br />

wünsche<br />

Diskussion<br />

zur<br />

Vereinbarkeit<br />

von Familien-<br />

und<br />

Erwerbstätigkeit<br />

seit 1980

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