Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
V. Familienrecht im geeinten Deutschland<br />
Familien<br />
recht in<br />
der Dis<br />
kussion<br />
1. Zur Aufnahme des Familienrechts<br />
in den <strong>Familienbericht</strong><br />
Der Einfluß des Rechts auf die Lebensbedingungen<br />
der Familie ist vielfältig. Deshalb ist die<br />
Auseinandersetzung mit rechtlichen Regelungen<br />
in die verschiedenen Teile des <strong>Familienbericht</strong>s<br />
eingeflossen, insbesondere im Zusammenhang<br />
von Arbeit oder Bildung und Familie<br />
oder unter dem Aspekt des Familienlastenausgleichs.<br />
Dieses Kapitel des <strong>Familienbericht</strong>es<br />
konzentriert sich auf das spezielle Familienrecht,<br />
d. h. auf die Regelungen, die die Familienverhältnisse<br />
selbst zum Gegenstand haben.<br />
Nur unter dem Aspekt der Zusammenführung<br />
werden Fragestellungen anderer Regelungsbereiche<br />
mit aufgenommen.<br />
Das Familienrecht ist in seinem Inhalt von den<br />
gesellschaftlichen Bedingungen und Anschauungen<br />
zu Ehe und Familie abhängig. Es kann<br />
die Familienentwicklung fördern oder auch<br />
hemmen, es kann dem Leben in den Familien<br />
nachhinken, ihm aber auch vorauseilen. Nicht<br />
von ungefähr gibt es im Familienrecht nahezu<br />
permanent Diskussionen grundsätzlicher Art.<br />
Schon bei seiner Ausarbeitung am Ende des<br />
vorigen Jahrhunderts war das Familienrecht der<br />
wohl umstrittenste Teil des BGB und es ist heute<br />
der wohl am meisten veränderte.<br />
Der Fünfte <strong>Familienbericht</strong> entsteht in einer Zeit<br />
der erneuten besonderen Verdichtung familienrechtlicher<br />
Diskussionen. Das rührt her aus der<br />
schnellen Entwicklung und Veränderung der<br />
Lebensbedingungen der Familie, der veränderten<br />
Stellung der Frau, dem Wandel in den<br />
Auffassungen und Verhaltensweisen in bezug<br />
auf Ehe und Partnerschaft, Familie und Elternschaft,<br />
zur Rolle der Kinder wie der von Mutter<br />
und Vater in der Familie. Das hat dazu geführt,<br />
daß einzelne Regelungen des Familienrechts<br />
durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig<br />
erklärt und vom Gericht Vorgaben für die<br />
Rechtsentwicklung formuliert worden sind.<br />
Wesentliche Impulse gehen vom internationalen<br />
Rechtsvergleich und von der UN-Konvention<br />
über die Rechte des Kindes aus. Schließlich<br />
fordert der Einigungsprozeß in Deutschland, die<br />
Ablösung einer Regelung von Familienverhältnissen<br />
durch eine andere, zur Auseinandersetzung<br />
mit dem Familienrecht heraus.<br />
Es kann nicht Aufgabe des <strong>Familienbericht</strong>s<br />
sein, die Vielzahl der im Familienrecht anstehenden<br />
Fragen aufzugreifen. Doch scheint es<br />
der Kommission angebracht, die für die Familie<br />
wesentlichen Aspekte der Entwicklung des<br />
Familienrechts in den beiden deutschen Staaten<br />
und die mit der Überleitung des Bundesrechts<br />
auf die neuen Bundesländer verbundenen Veränderungen<br />
und Probleme deutlich zu machen.<br />
Damit werden zum einen Erfordernisse bei der<br />
weiteren Gestaltung des Einigungsprozesses<br />
sichtbar. Gleichzeitig treten so Diskussionserfordernisse<br />
zum Familienrecht in Deutschland<br />
überhaupt stärker hervor, ebenso wie Fragestellungen<br />
und Anregungen zur weiteren Entwicklung<br />
des Familienrechts.<br />
Die Kommission möchte keine konkreten Regelungsvorschläge<br />
unterbreiten. Ihr Anliegen ist<br />
es vielmehr, die wesentlichen, aus verschiedenen<br />
Prozessen herrührenden Anstöße für eine<br />
Reform des Familienrechts und die Hauptrichtung<br />
zu skizzieren, die sie dafür aus familienpolitischer<br />
Sicht für wesentlich hält 1 ).<br />
2. Zur Entwicklung des Familienrechts in<br />
der alten Bundesrepublik Deutschland<br />
und in der Deutschen Demokratischen<br />
Republik<br />
Das Familienrecht in Deutschland hat seine<br />
Grundstrukturen durch das Bürgerliche Gesetzbuch<br />
(BGB) von 1900 erhalten. Die entscheidende<br />
Leistung des BGB bestand in der Schaffung<br />
eines einheitlichen Familienrechts für ganz<br />
Deutschland und für alle Familien, unabhängig<br />
von ihrer religiösen Bindung. Es war durchgehend<br />
patriarchalisch konzipiert. Bereits mit der<br />
Weimarer Verfassung von 1919 war die Reform<br />
des BGB unter dem Aspekt der Gleichberechtigung<br />
von Mann und Frau und der Angleichung<br />
der Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder an<br />
die der ehelichen auf die Tagesordnung gesetzt<br />
(Artikel 109, 119 und 121). Zu tatsächlichen<br />
Veränderungen im Recht ist es aufgrund der<br />
Weimarer Verfassung nicht gekommen, die<br />
intensiven Diskussionen und Reformvorschläge<br />
waren insbesondere Gegenstand der Juristentage<br />
1924 und 1931/32. Nach 1945 war die<br />
Anknüpfung an die Weimarer Verfassung,<br />
besonders bezogen auf die Gleichberechtigung<br />
und die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder,<br />
unausweichlich. Beide Probleme wurden in<br />
die Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland<br />
und der Deutschen Demokratischen Republik<br />
aufgenommen und haben die Rechtsentwicklung<br />
danach bestimmt.<br />
1) Zum Berichtsteil Familienrecht im ganzen vgl. die<br />
Expertise von T. Ramm „Wiedervereinigung und<br />
Familienrechtsreform", die eine komplexe Betrachtung<br />
zum Recht in bezug auf die Familie und wesentlich<br />
weitergehende und detaillie rtere Vorschläge für<br />
die Rechtsreform unterbreitet als dieser Berichtsteil.<br />
-<br />
Grundlagen<br />
des<br />
Familienrechts<br />
in<br />
beiden<br />
deutschen<br />
Staaten