Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
vielmehr die ungleichen Belastungen und<br />
Beanspruchungen durch unterschiedliche Alltagsanforderungen<br />
und soziale Unterstützungsangebote<br />
für die Familien bei den Versorgungs-,<br />
Pflege-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben<br />
im privaten Bereich interessant sowie die fehlenden<br />
Güter- und Dienstleistungsangebote<br />
oder Handlungsalternativen zur alternativen<br />
Organisation der Reproduktionsaufgaben. Das<br />
Hauptaugenmerk der familien- und frauenpolitischen<br />
Auswertung der Zeitbudgetuntersuchung<br />
1991/92 liegt folglich auf den für die<br />
Haushalts- und Familienangehörigen entstehenden<br />
Belastungen, Beanspruchungen, Zwängen<br />
und Restriktionen bei der Alltagsversorgung<br />
der Menschen und den unterschiedlichen<br />
Zeitverwendungsstrukturen von Privathaushalten<br />
mit oder ohne familiale Versorgungsleistungen.<br />
Die Anteile von „Sozialzeiten" und „Persönlichen<br />
Zeiten " unterscheiden den Grad der sozialen<br />
Integration einer Person oder auch von<br />
Haushalts- und Familienmitgliedern. Man<br />
könnte auch vom Grad der „sozialen Nützlichkeit"<br />
eines Menschen sprechen.<br />
So sind im Extrem die Sozialzeiten der nur auf<br />
sich selbst verwiesenen Personen, die allein<br />
leben und agieren, minimal. Umgekehrt gibt es<br />
auch Personen, zum Beispiel erwerbstätige,<br />
alleinstehende Mütter, für die die „persönliche<br />
Zeit" ein existentiell belastendes Minimum<br />
annehmen kann.<br />
Wir können aber auch die „öffentliche Zeit" (III)<br />
— also alle Aktivitäten, die an eine Erwerbstätigkeit<br />
geknüpft sind — der „Privatzeit" (IV)<br />
gegenüberstellen.<br />
Soziale<br />
und persönliche<br />
Zeiten<br />
Bevor die Diskussion um den Geldwert der<br />
grundsätzlich nicht entlohnten Haushaltsleistungen<br />
geführt wird, gilt es folglich zunächst,<br />
diese nicht entlohnten Aktivitäten in den Privathaushalten<br />
zu strukturieren.<br />
Abbildung VI/7 zeigt das einfache Grundmuster<br />
der Zeitbudgetaggregate.<br />
Wir gehen davon aus, daß jeder Mensch eine<br />
Sozialzeit (I) hat, in welcher er über seine<br />
Erwerbs- und Ausbildungszeiten und/oder Familientätigkeiten<br />
mit anderen und für andere<br />
aktiv ist, und daß jeder Mensch persönliche<br />
Zeiten (II) für sich benötigt zum Entspannen und<br />
Ausruhen, Lernen und zur physiologischen<br />
Regeneration.<br />
Nur für die „öffentliche Zeit" gibt es eine<br />
öffentliche Anerkennung (Lohn, Ansehen, Einfluß,<br />
Macht). Für die „Privatzeit" ist auch das<br />
Bewertungs- und Belohnungssystem eine Privatsache.<br />
Eine Anerkennung als „gesellschaftlich<br />
bedeutsam " muß gesellschaftspolitisch ausgehandelt<br />
werden.<br />
Wiederum kennen wir Personen, Familien oder<br />
Haushalte, die extrem stark durch ihre Aktivitäten<br />
in der Öffentlichkeit engagiert sind —<br />
zum Beispiel Politikerinnen und Politiker — und<br />
andere, wie z. B. die Familienhausfrauen, die<br />
fast nur ein „Privatleben" führen und deren gesellschaftliche<br />
Anerkennung permanent angemahnt<br />
werden muß.<br />
Öffentliche<br />
und<br />
private<br />
Zeit<br />
Abbildung VI/7<br />
Sozialzeit<br />
I<br />
Einfache Grundmuster der Zeitbudgetaggregate<br />
Öffentliche Zeit<br />
entlohnte nicht entlohnte ehrenamtliche<br />
Erwerbszeit Überstunden, Aktivitäten<br />
Vor- und Nach- im Zusammenbereitung<br />
hang mit der Ervon<br />
Erwerbszeiten werbsarbeit<br />
Familiale Zeit<br />
Herstellen von Versorgung, Pflege, Hilfen im familialen,<br />
Gütern, Erhalten, Betreuung und nachbarschaftlichen<br />
Pflegen von Sachen, Erziehung und freundschaft-<br />
Pflanzen und Tieren von Haushalts- lichen Netzwerk<br />
und Familienmitgliedern<br />
Persönliche Zeit<br />
Öffentliche Zeit<br />
III<br />
Privatzeit<br />
IV<br />
Bildung<br />
Aktive Regeneration, Regeneration,<br />
Persönliche Zeit und Ausbildung Fitneß, Sport , Schlaf, Essen<br />
II Körperpflege, Körperpflege<br />
Unterhaltung<br />
Quelle: von Schweitzer 1991, S. 233 ff.