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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Drucksache 12/7560<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

Iv. Wandel des innerfamilialen Zusammenlebens<br />

Krise oder<br />

Wandel<br />

der<br />

Familie?<br />

Familien<br />

formen<br />

in den<br />

letzten<br />

40 Jahren<br />

1. Einführung<br />

Das folgende Kapitel konzentriert sich darauf,<br />

den zeitgeschichtlichen innerfamilialen Wandel<br />

zu beschreiben und hat damit u. a. auch die<br />

Aufgabe, die in Kapitel II zusammengestellten<br />

familienstatistischen Daten einer eingehenderen<br />

wissenschaftlichen und methodischen Analyse<br />

zu unterziehen. Es soll ferner den verursachenden<br />

Bedingungen dieses dargestellten statistischen<br />

Wandels nachgehen, die sich hierdurch<br />

ergebenden familialen und gesamtgesellschaftlichen<br />

Folgen aufzeigen und vor allem<br />

jene familialen Veränderungsprozesse beschreiben<br />

und analysieren, die durch amtliche<br />

Statistiken nicht erfaßt werden können. Insgesamt<br />

soll mit Hilfe des historischen Vergleichs<br />

das Spezifische der heutigen Familie (oder: von<br />

heutigen Familien) dargestellt werden.<br />

Aus den familienstatistischen Trendverläufen<br />

der vergangenen 30 Jahre, nämlich der<br />

Abnahme der Eheschließungs- und Geburtenzahlen<br />

sowie dem Anstieg der Kinderlosigkeit<br />

und vor allem der Ehescheidungen, wurden in<br />

allen Arten von Massenkommunikationsmitteln<br />

eine Reihe von Behauptungen abgeleitet, vor<br />

allem eine „Krise der Familie" diagnostiziert,<br />

ohne zu bedenken, daß statistische Daten keine<br />

Motivanalysen widerspiegeln. Deswegen wird<br />

dem folgenden Kapitel gleichzeitig auch eine<br />

gewisse Aufklärungsfunktion zukommen; es<br />

sollen einige gängige Vorstellungen über das<br />

heutige Familienleben wie es immer wieder<br />

in essayistischen Abhandlungen dargestellt<br />

wird — hinterfragt werden. Aus diesem Grunde<br />

wird in diesem Abschnitt auch zunächst an die<br />

heute allgemein akzeptierte These über „die<br />

heutige Pluralität familialer Lebensformen"<br />

angeknüpft und diese im Hinblick auf ihren<br />

Aussagewert hin überprüft. Daran anschließend<br />

wird gezeigt, daß die subjektive Wertschätzung<br />

der Familie keineswegs abgenommen hat, aber<br />

die Gestaltung des Familienlebens schwieriger<br />

geworden ist, was bereits für die Gründung von<br />

Ehe und Familie gilt. Diesem zuletzt genannten,<br />

gesellschaftlich und politisch gesehen besonders<br />

wichtigen Problem wird deshalb ein gesonderter<br />

Abschnitt gewidmet.<br />

2. Zur Pluralität familialer Lebensformen<br />

Wie bereits betont, ist es sowohl in den Massenmedien<br />

als auch in fachwissenschaftlichen<br />

Abhandlungen üblich geworden, von der heutigen<br />

Pluralität familialer Lebensformen zu sprechen.<br />

De facto haben in der Bundesrepublik<br />

Deutschland während der letzten 10 Jahre die<br />

verschiedenen Familienformen quantitativ zugenommen.<br />

Geht man aber nicht von den letzten<br />

zehn, sondern vierzig Jahren aus, ist der<br />

statistische Trend nicht ganz so linear verlaufen,<br />

wie häufig unterstellt wird, sondern wellenförmig.<br />

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war durch<br />

eine besondere Hochschätzung der Familie<br />

gekennzeichnet, da diese nach dem Zusammenbruch<br />

des Nationalsozialismus und der Not<br />

während der Nachkriegsjahre Orientierung und<br />

Stabilität versprach. Dennoch spiegeln sich<br />

selbst auf statistischer Ebene bis 1950 die<br />

Kriegs- und Nachkriegsauswirkungen wider,<br />

z. B. in der hohen Zahl von Scheidungen, von<br />

alleinerziehenden Müttern , von Stieffamilien<br />

und in den hohen Nichtehelichen-Quoten. Erst<br />

die Zeit von Anfang 1950 bis Anfang bzw. Mitte<br />

der 60er Jahre ist — statistisch gesehen — eine<br />

besonders familienbetonte Phase gewesen.<br />

Denn sie ist gekennzeichnet durch einen<br />

Anstieg der Eheschließungen, der Geburtenüberschüsse<br />

sowie durch eine Zunahme der<br />

Familien mit drei Kindern, ein Überwiegen der<br />

Drei- und Mehr-Personen-Haushalte und letztlich<br />

durch sehr geringe Ehescheidungsquoten.<br />

Das „bürgerliche Familienmodell" der Hausfrauenehe<br />

war in jener Zeit — wie nie zuvor —<br />

stark verbreitet.<br />

In den 60er Jahren setzte jedoch eine kulturelle<br />

Liberalisierung der Geschlechterbeziehungen<br />

ein, welche in Verbindung mit der Verfügbarkeit<br />

bequemerer und sicherer Mittel der Geburtenkontrolle<br />

und den wachsenden Ansprüchen<br />

der jüngeren Frauen auf Gleichberechtigung<br />

weitreichende Verhaltensänderungen unter<br />

den jüngeren Generationen auslöste. Ab Mitte<br />

der 60er Jahre ist diese Tendenzwende auch<br />

statistisch festzustellen: Die Eheschließungsneigung<br />

nahm ab, die Zahl der Zwei-Generationen-Familien<br />

mit einem Kind bzw. zwei<br />

Kindern nahm zu, ebenso die Scheidungszahlen<br />

und der Anteil der alleinerziehenden Familien.<br />

Dennoch bleibt festzuhalten, daß die herkömmliche<br />

Zwei-Eltern-Familie (mit formaler Eheschließung)<br />

in unserer Gesellschaft trotz der<br />

zahlenmäßigen Zunahme anderer Familienformen<br />

(Ein-Eltern-Familien, Stief-Familien usw.)<br />

immer noch die quantitativ dominante Familienform<br />

ist (= 83 % aller Familien; errechnet aus<br />

den Angaben des Statistischen Jahrbuches<br />

1992). Auch an subjektiver Wertschätzung hat<br />

diese Familienform keineswegs verloren (vgl.<br />

z. B. Köcher 1985; Schumacher 1988; Kaufmann<br />

1990; Schneewind u. a. 1992). Jedenfalls für die<br />

-<br />

Dominanz<br />

der traditionellen<br />

Familienform

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