27.02.2014 Aufrufe

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Verunsicherung<br />

von Eltern<br />

Der „mo<br />

derne"<br />

Elterntyp<br />

Drucksache 12/7560<br />

„Gefährdungsbetreuung" (Pechstein 1990) zu<br />

bezeichnen.<br />

Weiterhin gilt, daß sich heute sowohl in den<br />

alten als auch in den neuen Bundesländern<br />

mehr Eltern ihrer Bedeutung für den Entwicklungsprozeß<br />

ihrer Kinder bewußt sind als noch<br />

vor ca. 30 Jahren, was z. T. aber nur zu erhöhter<br />

Verunsicherung im Erziehungsverhalten ge<br />

führt hat (Busch 1989, S. 21) und nicht zu der<br />

Einsicht in die Notwendigkeit einer Vorbildung<br />

für Eltern für ihre Erziehungssaufgabe. Die<br />

Forderung nach einer Erziehungskompetenz<br />

der Eltern hat sich bisher bei ihnen selbst, aber<br />

auch in der Öffentlichkeit, überhaupt noch nicht<br />

durchgesetzt. Das gilt ebenso für jene — zahlenmäßig<br />

vermutlich zunehmenden — „modernen"<br />

Eltern, wie Schülein (1990, S. 133ff.) sie<br />

bezeichnet, die sich gegenüber den traditionellen<br />

gerade durch ein hohes Maß an Reflexivität<br />

über ihr eigenes Verhalten und über die Entwicklung<br />

des Säuglings auszeichnen.<br />

Insgesamt sei nochmals betont, daß von der<br />

Ankunft — vor allem des ersten Kindes — schon<br />

immer eine starke verändernde Wirkung auf die<br />

Eltern ausging, was auch für die Gegenwart gilt.<br />

Diesen Statusübergang scheint die überwiegende<br />

Mehrheit der heutigen jungen Eltern<br />

problemlos zu meistern (Schneewind/Vaskovics<br />

1992, S. 37). Dennoch kann es, wenn auch<br />

bei einer Minderheit der Eltern, „zu einem sich<br />

selbst verstärkenden Prozeß einer negativen<br />

Eltern-Kind-Beziehung, der sich z. B. im Zusammenwirken<br />

von erhöhter elterlicher Frustration<br />

und negativer Stimmungslage des Kindes<br />

manifestiert", kommen (Schneewind/Vaskovics<br />

1992, S. 36). Auch nach Schülein setzt bei einem<br />

Teil von Eltern nach der Geburt ein Prozeß in der<br />

Eltern-Kind-Beziehung ein, bei dem sich die<br />

negativen und positiven Stimmungslagen abwechseln.<br />

Vornehmlich betroffen hiervon ist die<br />

Gruppe der „modernen Eltern", wie sie im<br />

vorigen Abschnitt skizziert wurden. Weil diese<br />

aber aufgrund ihrer Schicht- und Bildungszugehörigkeit<br />

als „Trendsetter" gelten können, sollen<br />

ihre Probleme und Konflikte, wie sie Schülein<br />

aufgrund von qualitativem Material beschreibt,<br />

abschließend etwas ausführlicher als<br />

es ihrer Minoritätenstellung angemessen ist,<br />

wiedergegeben werden: Wenn — wie es der<br />

„moderne Elterntyp" vorsieht — „das Kind in<br />

eine umfassend versorgende, behütende, wärmende<br />

Situation — gewissermaßen in einen<br />

sozialen Uterus — kommen soll, wird der Leistungsdruck<br />

stärker. Die Toleranzschwelle für<br />

Unmutsäußerungen des Säuglings sinkt (weil<br />

Schreien zwangsläufig als Unzufriedenheit,<br />

d. h. als schlechte Versorgung eingestuft werden<br />

muß) ... Denn mit dem Wohl des Säuglings<br />

steht immer auch zugleich das Selbstwertgefühl<br />

der Eltern zur Disposition. Wenn er klagt, haben<br />

die Eltern versagt ... Gerade durch die hohe<br />

emotionale Besetzung und die Lösung aus traditionellen<br />

Sinnzusammenhängen eröffnen sich<br />

bisher unbekannte Problemfelder, können sich<br />

herkömmliche Konflikte zu existentiellen Kri<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

sen auswachsen. Das kurze und zugespitzte<br />

Urteil einer berufserfahrenen Hebamme: ,Die<br />

jungen Leute sind einfach hysterisch', meint,<br />

daß (aus ihrer Sicht) Kleinigkeiten ungeheuer<br />

gewichtig werden, daß überängstlich und<br />

besorgt ständig auf das Kind (und auf die eigene<br />

Leistung als Eltern) geschaut wird. Damit wird<br />

zum Problem, was aus robuster Profi-Sicht gar<br />

keins ist ... Der Normalfall ist, daß der Ehemann<br />

nach kurzer Zeit seine Berufstätigkeit<br />

wieder fortsetzt bzw. fortsetzen muß und die<br />

Mutter nun tagelang mit sich, dem Kind und<br />

ihren Sorgen/Ängsten allein ist. Solche Situationen<br />

sind geeignet, die Symbiose zu überhitzen<br />

(weil der Bezug zu ausschließlich wird) ... Dies<br />

um so mehr, wenn die Mutter plötzlich realisiert,<br />

welche Reduktion mit einer ausschließlichen<br />

Mutterrolle verbunden ist. Damit ist auch eine<br />

innere Ursache für krisenhafte Zuspitzungen<br />

angesprochen: besonders wenn die eigene<br />

Berufstätigkeit hoch besetzt ist und zugleich ein<br />

Verzicht auf eine große Zahl sozialer Aktivitäten<br />

erzwungen wird, wächst die Wut — nicht<br />

zuletzt auf das Kind, welches die Mutter völlig<br />

bindet, ohne zunächst viel dafür zurückzugeben.<br />

Besonders in langen Phasen des Alleinsein-Müssens<br />

mit ihrem Neugeborenen geraten<br />

viele junge Mütter durch Isolationsschäden und<br />

Enttäuschungen an den Rand von Zusammenbrüchen;<br />

nicht wenige erzählen von Wutanfällen,<br />

indem sie ihr Kind am liebsten ,gegen die<br />

Wand oder aus dem Fenster geworfen hätten"<br />

abgelöst wiederum von Phasen der Hochstimmung<br />

und Freude über das Kind (1990,<br />

S. 145ff.).<br />

Hinzu kommt, daß durch die — wenn überhaupt,<br />

dann spätere — Rückkehr der Mutter in<br />

den Berufsbereich, wie bereits erwähnt, sich die<br />

traditionelle innerfamiliale geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung bereits wieder durchsetzt,<br />

die dann selbst, wenn eine berufliche Wiedereingliederung<br />

der Mütter erfolgt, weiter anhält<br />

und zur bekannten Doppelbelastung für sie<br />

führt.<br />

Denn viele empirische Erhebungen zeigen, daß<br />

trotz aller Forderungen nach einer partnerschaftlichen<br />

innerfamilialen Arbeitsteilung in<br />

der Realität die Frauen weiterhin für die Haushaltsführung<br />

zuständig sind und daß erwerbstätige<br />

Mütter nur wenig Unterstützung erfahren.<br />

Vor allem ist keinerlei Neuverteilung der Aufgaben<br />

zwischen den Geschlechtern feststellbar.<br />

5.2 Zeitgeschichtliche Veränderungen<br />

in den Erziehungszielen<br />

und im Erziehungsverhalten<br />

Die sogenannte Erziehungsstilforschung, die<br />

sich auf die Erfassung und Analyse elterlicher<br />

Erziehungsziele und -praktiken bezieht, geht<br />

davon aus, daß Eltern in ihrer Einstellung und in<br />

-<br />

Doppelbelastung<br />

der<br />

Frauen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!