Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Freistel<br />
Bildungs<br />
urlaub<br />
Männer. Nur bei 25 % der Frauen, aber bei 36 %<br />
der Männer, gab der Betrieb den Anstoß zur<br />
Teilnahme an Weiterbildung (Amt für Berufsund<br />
Weiterbildung in der Behörde für Schule,<br />
Jugend und Berufsbildung Hamburg 1989). So<br />
überrascht nicht, daß berufstätige Frauen häufiger<br />
als Männer unabhängig vom Unternehmen<br />
an Weiterbildung teilnehmen, sie sind daher<br />
stärker auf erreichbare öffentliche Angebote<br />
angewiesen.<br />
Da Männer und Frauen mit geringeren Qualifikationen<br />
weniger in die betriebliche Weiterbildung<br />
einbezogen werden und bisher diese<br />
Gruppen unter den Frauen stärker vertreten<br />
waren, sind sie auch stärker betroffen. Aber<br />
auch bei steigendem Qualifikationsniveau sind<br />
sie schlechter gestellt. Die Gründe hierfür werden<br />
überwiegend nicht in ihrer mangelnden<br />
beruflichen Kompetenz, fehlenden Leistungsfähigkeit<br />
oder Eignung für die Ausübung von<br />
Führungspositionen gesehen, vielmehr sind es<br />
die geringere Berufserfahrung und -dauer, kürzere<br />
Betriebszugehörigkeit und vor allem die<br />
(drohende) Berufsunterbrechung oder -aufgabe<br />
aus familialen Gründen.<br />
Frauen mit Familie bzw. mit Kindern finden also<br />
doppelt erschwerte Bedingungen vor, wenn es<br />
um Weiterbildung geht. Zum einen müssen sie<br />
der Arbeitsbelastung durch (mehrere) Kinder,<br />
die im Haushalt leben, ihren Tribut zollen, zum<br />
anderen werden sie in der Berufswelt als (potentielle)<br />
Mütter weniger gefördert und verbleiben<br />
in den Betrieben häufig auf den Hierarchieebenen,<br />
die außerdem weniger in die betriebliche<br />
Weiterbildung einbezogen werden.<br />
Um den Arbeitnehmerinnen und -nehmern bessere<br />
Möglichkeiten der selbstbestimmten Weiterbildung<br />
zu eröffnen, wurden verschiedene<br />
Möglichkeiten geschaffen, für die Teilnahme an<br />
Weiterbildungsveranstaltungen von der Arbeit<br />
bei Lohn- und Gehaltsfortzahlung freigestellt zu<br />
werden. Frauen und Männer nehmen die Möglichkeiten<br />
in unterschiedlichem Maß in An-<br />
spruch (Infratest 1989): innerhalb von drei Jahren<br />
14 % der berufstätigen Männer und 9 % der<br />
berufstätigen Frauen. Die Teilnahmequote erreichte<br />
bei den Frauen ohne Kind (unter 14<br />
Jahren) 11 %, bei den Frauen mit Kind 8 %.<br />
Diese beiden Frauengruppen unterscheiden<br />
sich außerdem deutlich nach Art (Rechtsgrundlage)<br />
der Freistellung (vgl. Tab. IX/5).<br />
Der gesetzliche und auch der zusätzliche<br />
betriebliche Erziehungsurlaub birgt unter dem<br />
Gesichtspunkt des Qualifikationserhalts Gefahren<br />
und Chancen. Eine Gefahr besteht — vor<br />
allem bei längeren Urlaubsfristen — in der<br />
„Alterung" der Fachqualifikation, und zwar<br />
umso mehr, je länger die Unterbrechung der<br />
Erwerbsarbeit dauert. Die Chance liegt in der<br />
Möglichkeit, ohne die Beanspruchung durch<br />
Erwerbsarbeit Weiterbildung so in Anspruch zu<br />
nehmen, daß auf die familiäre Lebenslage<br />
Rücksicht genommen wird. Dabei handelnde<br />
Akteure können sowohl die Eltern als auch die<br />
Betriebe sein.<br />
Unabhängig von den Betrieben können Eltern<br />
aus einem thematisch breiteren Spektrum wählen.<br />
Zusammen mit dem Betrieb können eher<br />
die speziellen Fachqualifikationen gepflegt<br />
werden. Eine Untersuchung der betrieblichen<br />
Erfahrungen mit der Anwendung des Bundeserziehungsgeldgesetzes<br />
ergab, daß die Verlängerung<br />
des Erziehungsurlaubs die Aktualisierung<br />
der Fachqualifikationen verlangt (vgl. Abb.<br />
IX/19).<br />
Je länger der Erziehungsurlaub dauert, um so<br />
bedeutsamer sind Bemühungen der Unternehmen<br />
und der Erziehungsurlauberinnen für den<br />
Erhalt und die Aktualisierung der beruflichen<br />
Qualifikation und für die Pflege der Kontakte<br />
zum Betrieb. Urlauberinnen und Urlauber gehören<br />
ununterbrochen dem Betrieb an; das wird<br />
gelegentlich übersehen. Deshalb kommt es darauf<br />
an, auch diesen Kreis in die Karriereplanung<br />
einzubeziehen.<br />
Erziehungs<br />
urlaub<br />
-lung,<br />
Tabelle IX/5<br />
Art der Freistellung für die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen<br />
(in den letzten drei Jahren), erwerbstätige Frauen mit und ohne Kind<br />
unter 14 Jahren, in %, 1988, westliche Bundesländer<br />
Art der Freistellung<br />
insgesamt<br />
Erwerbstätige Frauen<br />
mit Kind<br />
-<br />
ohne Kind<br />
Ländergesetz (z. B. Bildungsurlaub) . 29 41 25<br />
Bundesgesetzliche Regelung 5 10 4<br />
Betriebsvereinbarung 23 18 25<br />
tarifvertragliche Regelung 12 8 12<br />
sonstige Regelung 17 16 17<br />
Regelung unbekannt 14 6 17<br />
insgesamt 100 100 100<br />
Quelle: Infratest, 1989<br />
-