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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> -- 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

Verhäusli<br />

chung des<br />

Kinder<br />

spiels<br />

Wandel zu konstatieren; denn in den Nachkriegsfamilien<br />

war — wie die Untersuchung von<br />

Thurnwald (1948) zeigte — die Mithilfe von<br />

Kindern im Haushalt eine Selbstverständlichkeit<br />

und machte einen beträchtlichen Umfang<br />

am gesamten Zeitbudget aus; und in späteren<br />

Untersuchungen — aus den 50er Jahren — wird<br />

ebenso noch, wenn auch abnehmend, über die<br />

„Gegenleistung" der Kinder für ihren Unterhalt<br />

berichtet. Vor allem Geschwister hatten sie zu<br />

betreuen (Wurzbacher 1951; Baumert 1954).<br />

Eine mangelnde Mithilfe im Haushalt kann<br />

gleichzeitig bedeuten, daß ein frühzeitiges<br />

Erlernen hauswirtschaftlicher Kenntnisse und<br />

Fertigkeiten fehlt, die heutzutage deshalb vielfach<br />

erst im jungen Erwachsenenalter — wegen<br />

ebenso fehlender schulischer Unterweisung -<br />

häufig sogar autodidaktisch erworben werden.<br />

Ob daher das in empirischen Untersuchungen<br />

von jungen Frauen geäußerte starke Belastungsgefühl<br />

durch den Haushalt auf eine mangelnde<br />

rationale Haushaltsführung — sowohl<br />

im Hinblick auf den Zeit- als auch Kostenfaktor<br />

— und auf fehlende Routine zurückzuführen ist,<br />

müßte empirisch erst untersucht werden.<br />

Ebenso wäre zu fragen, ob sich evtl. auch —<br />

selbstverständlich nicht ausschließlich — hieraus<br />

die mangelnde Bereitschaft junger Väter<br />

ergibt, hauswirtschaftliche Tätigkeiten (selbst<br />

bei Erwerbstätigkeit ihrer Ehefrau) zu übernehmen.<br />

Aber nicht nur die schulischen Veränderungen<br />

haben zu einem Wandel von Kindheit und<br />

Jugend beigetragen, sondern vor allem auch die<br />

strukturellen Rahmenbedingungen des Freizeitverhaltens.<br />

Im Bereich der Freizeitgestaltung der Kinder<br />

wurde vor allem in Großstädten die Möglichkeit,<br />

sich auf der Straße zu treffen und zu<br />

spielen, nicht nur durch die fehlende nachbarschaftliche<br />

Spielgruppe aufgrund des Geburtenrückganges,<br />

sondern auch durch das gewachsene<br />

Verkehrsaufkommen und durch den<br />

von ökonomischen Bedingungen geprägten<br />

Städtebau stark eingeschränkt. Ganz selten<br />

wurde bisher das Konzept von „Spielstraßen"<br />

verwirklicht. Hinzu kommt, daß der Aufenthalt<br />

in der Wohnung für die Kinder attraktiver<br />

wurde, weil inzwischen über 80 der Kinder<br />

ein eigenes Kinderzimmer haben (Expertise<br />

Büchner) und die Wohnungen und Kinderzimmer<br />

auch reichlich mit Geräten aus der Unterhaltungselektronik<br />

ausgestattet sind, die besonders<br />

von Jungen geschätzt werden. Zu problematisieren<br />

ist vor allem dann die Mediennutzung,<br />

wenn neben dieser andere Freizeitaktivitäten<br />

kaum noch Platz haben, was aber — trotz<br />

vieler anderslautender Behauptungen — nur für<br />

eine kleine Gruppe von Kindern zutrifft (Ledig<br />

1993, S. 12). Über die Medien, insbesondere<br />

über das Fernsehen, werden dagegen die Kinder<br />

schon sehr früh in die Erwachsenenwelt<br />

einbezogen und mit den unterschiedlichsten<br />

Normen und Werten sowie Formen des Zusam<br />

menlebens und der Auseinandersetzung konfrontiert.<br />

Außerdem müssen sie frühzeitig die<br />

Kompetenz erlernen, aus den vielfältigsten<br />

Medienangeboten auswählen zu können.<br />

Über die Sozialisationswirkung des Fernsehens<br />

wird in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert.<br />

Forschungsergebnisse belegen, daß sie<br />

nicht so unilinear verläuft, wie in den Alltagsvorstellungen<br />

häufig angenommen wird: Die<br />

Fernsehsendung wird aus je individueller<br />

lebensweltlich verankerter Perspektive ausgewählt<br />

und die „Fernsehwelt" wird ebenso durch<br />

diesen „Filter" wahrgenommen und mittels<br />

Wissen gedeutet, das überwiegend aus der<br />

Alltagswelt entstammt. Das bedeutet, daß dieselbe<br />

Fernsehsendung bei den einzelnen<br />

Zuschauern und Zuschauerinnen sowohl auf<br />

kognitiver als auch emotionaler Ebene unterschiedlich<br />

rezipiert wird und weiterhin noch<br />

durch die je spezifische lebensweltliche Eingebundenheit<br />

unterschiedlich „verarbeitet" wird.<br />

In der Medienforschung wird der Prozeß der<br />

Medienrezeption als „aktives, realitätsverarbeitendes<br />

Handlungsgeschehen" (Neumann/<br />

Charlton 1988, S. 9) beschrieben. Sozialisationsgefährdend<br />

kann das Fernsehen für Kinder und<br />

Jugendliche vor allem auf zwei Ebenen wirken.<br />

Erstens: Die stärkere passive Haltung der sog.<br />

„Vielseher" unter den Kindern ist zwar bereits<br />

eine Folge von vorhergehenden Sozialisationsdefiziten,<br />

der Fernsehkonsum kann dann<br />

jedoch diese noch verstärken. Zweitens: Fernsehsendungen<br />

wirken nur dann im Sinne einer<br />

neuen Konstruktion von Realität, wenn bisher<br />

kein Wissen über diese Realität beim Rezipienten<br />

vorhanden ist. Deshalb kann von Fernsehsendungen,<br />

z. B. durch die Vermischung von<br />

Gewalt und Sexualität, eine nicht gewünschte<br />

sexuelle Sozialisation auf Kinder und Jugendliche<br />

ausgehen, wobei aber auch hierbei eine zu<br />

mechanistische Sichtweise ohne Berücksichtigung<br />

der jeweiligen sonstigen lebensweltlichen<br />

Eingebundenheit der Kinder zu kurz greifen<br />

würde.<br />

Im Zusammenhang mit den strukturellen Veränderungen<br />

von Kindheit und Jugend wird<br />

häufig auf die gestiegene Verhäuslichung des<br />

Kinderspiels hingewiesen, wobei sich diese<br />

Bezeichnung nicht nur auf die Aktivitäten im<br />

häuslichen Bereich und auf die Verlagerung der<br />

Spieltätigkeiten von der Straße, dem Hof und<br />

Garten in die privaten Kinderzimmer bezieht,<br />

sondern auch in die öffentlichen institutionellen<br />

Räume, z. B. in die Sporthallen, Schwimmbäder,<br />

die kommerziellen Sport-, Musik-, Bastel- oder<br />

Balletträume. Kinder in der Großstadt sowie der<br />

gehobenen Mittelschicht (vgl. Nissen u. a. 1992)<br />

sind am wenigsten außen aktiv und eher in<br />

Vereinen und anderen Gruppen als die übrigen<br />

organisiert. Ebenso nutzen eher Mädchen institutionelle<br />

Angebote, vor allem die kulturellen,<br />

während Jungen Sportangebote bevorzugen<br />

(Nissen u. a. 1992, S. 41).<br />

Nach einer Untersuchung von Büchner u. a.<br />

sind in den alten Bundesländern über 90 % der<br />

Sozialisa<br />

ionswir<br />

kung des<br />

Fernsehens<br />

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Freizeit<br />

im Verein

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