Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Ansprüche<br />
an Eltern<br />
Belastungen<br />
der<br />
Eltern<br />
gewünschten Kinder sind in dieser Phase bereits<br />
geboren und noch kein Kind hat einen Ausbildungsabschluß<br />
und/oder ist erwerbstätig.<br />
Erwartet wird von der Elterngeneration<br />
— eine Erziehung der Kinder zu selbstbestimmten,<br />
sozial verantwortlich handelnden Persönlichkeiten<br />
in einer offenen Gesellschaft;<br />
— eine hohe Bereitschaft, die Kinder zu Qualifikationskarrieren<br />
anzuhalten und diese<br />
finanziell zu gewährleisten;<br />
— die Kinder frühzeitig ihren Freizeitterminkalender<br />
selbst gestalten zu lassen und jede nur<br />
mögliche zeitliche und materielle Unterstützung<br />
zu gewähren und erforderliche Transportleistungen<br />
bereitzustellen;<br />
— permanent mitarbeits- und gesprächsbereit<br />
zu sein bzw. selbst diese Mitarbeit und<br />
Gespräche zu veranlassen, mit der Schule,<br />
den Kirchen, den Sportvereinen und Trägern<br />
der Jugendarbeit.<br />
— Schließlich wird von den Eltern im Erwerbsberuf<br />
Bereitschaft zur Weiterbildung, zu<br />
räumlicher Mobilität und zum beruflichen<br />
Aufstieg erwartet.<br />
Die gravierendsten Belastungen ergeben sich<br />
aus folgenden Fakten:<br />
— Männer und Frauen, insbesondere aber<br />
Väter und Mütter, sind nicht in der Lage, sich<br />
der Eltern die Verantwortung für den Familienalltag<br />
und seine Aufgaben und Anforderungen<br />
in gleichwertiger Weise aufzuteilen.<br />
— Nur unter Ausnahmebedingungen haben<br />
beide Elternteile von einem gemeinsamen<br />
Wohnstandort aus gleichwertige Karrierechancen.<br />
— Es ist immer weniger zu erwarten, daß<br />
Frauen oder Männer die im Familienalltag<br />
entstehenden Krisen aus eigener Kompetenz<br />
lösen können. Sie werden durch keinerlei<br />
kompetent und pflichtmäßig angebotene<br />
Bildungsgüter auf die Gestaltung des Familienalltags<br />
vorbereitet. Gleichzeitig nehmen<br />
die Anforderungen an die Gestaltungsaufgaben<br />
rasant zu, bedingt durch die Pluralisierung<br />
der Lebensformen, der Erweiterung<br />
der Handlungs- und Entscheidungsspielräume<br />
und der hohen Glücks- und<br />
Zufriedenheitserwartungen an das Zusammenleben<br />
in Partnerschaft sowie mit Kin<br />
dern.<br />
— Probleme der Trennung und Scheidung, der<br />
Unterhalts- und Vermögenssicherung sowie<br />
der Begründung neuer Partner- und Elternschaften<br />
und neuer Lebenskonzeptionen<br />
werden durch Anwälte, Gerichtsentscheidungen,<br />
Sozialämter und Steuerberater begleitet.<br />
Eine Instanz zur Unterstützung der<br />
familialen Gestaltungskompetenz gibt es<br />
nicht. Hier muß jeder sehen, wie er zurecht<br />
kommt mit den Krisen und möglichen Katastrophen.<br />
Nicht unerhebliche Kranken- und<br />
soziale Kosten, Delinquenz, Drogen- und<br />
Medikamentenmißbrauch sowie gestörte<br />
Biographien dürften hier ihren Ursprung<br />
haben.<br />
Es zeigt sich, daß diese Probleme für Eltern auch<br />
in den neuen Bundesländern verstärkt Krisensituationen<br />
hervorrufen. Der Erwerb der Kompetenzen<br />
für die Gestaltung der Familien- und<br />
Haushaltsführung ist somit für die neuen Bundesländer<br />
von besonderer Bedeutung. Hier fehlt<br />
es besonders an adäquaten Bildungs- und Beratungsangeboten<br />
für die Familien. Eltern wie<br />
Jugendliche bedürfen einer neuen Orientierung.<br />
Eltern können Jugendlichen auch kaum<br />
kompetente Ratgeber und Erzieher sein, vor<br />
allem wenn sie durch zu große Staatsnähe zum<br />
untergegangenen politischen System selbst<br />
deklassiert wurden und möglicherweise der<br />
Bundesrepublik und ihren Umgangsweisen mit<br />
dem „Beitrittsgebiet" höchst skeptisch, mißtrauisch<br />
oder gar feindlich gegenüberstehen.<br />
Die Jugendlichen dieser Familien in den alten<br />
und neuen Bundesländern stellen zur Zeit auch<br />
den Nachwuchs für Skins und Hooligans aller<br />
Schattierungen. Die Bereitschaft zur Gewalt<br />
gegenüber Schwächeren — ein fast ausschließlich<br />
männliches Verhaltenspotential — wird von<br />
skrupellosen kommerzialisierten Medien genährt.<br />
Die Ideologien zur lustvollen Selbstverwirklichung<br />
der verschiedensten Ausprägungen<br />
und die Wirkung auf Jugendliche tragen in<br />
fast alle Familien gravierende Konfliktpotentiale.<br />
Auch hier bietet die Gesellschaftspolitik<br />
den Familien außer Entrüstung bei Gewaltausbrüchen<br />
sehr wenig Neues und Anregendes an.<br />
Selbst Sport und Spiele der Jugend sind Veranstaltungen<br />
des Kommerz und der Funktionäre.<br />
Die Familien bleiben auch bei diesen Problemen<br />
allein, und das in besonderem Maße, wenn<br />
sie selbst sozial desintegriert oder deklassiert<br />
sind.<br />
4.3 Haushaltsmanagementaufgaben im Alter<br />
In Anbetracht des Vierten <strong>Familienbericht</strong>s und<br />
des Altenberichts 1. Teil von 1992 sollen die<br />
Probleme dieser Lebensabschnitte der Familie<br />
nur kurz erwähnt werden. Die Generation der<br />
1926 Geborenen und Älteren, also die Erwachsenen<br />
des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit,<br />
hat mehrheitlich in beiden Teilen<br />
Deutschlands traditionelle Familien- und Frauenleitbilder.<br />
Durch ihre Elternhäuser, zeitgeschichtliche<br />
Ereignisse und die gesellschaftspolitischen<br />
Tragödien haben sie zweimal oder<br />
gar dreimal im Leben ihre Versorgung und<br />
materiellen Sicherheiten verloren und Inflation<br />
und Währungsreformen erlebt, so daß die Erfahrungen<br />
von Armut, Notzeiten, Neuanfängen zu<br />
ihren Normalbiographien gehören.<br />
In Westdeutschland können aufgrund des seit<br />
1959 praktizierten Systems der dynamischen<br />
-<br />
Situation<br />
in den<br />
neuen<br />
Bundesländern<br />
Gewaltbereitschaft<br />
Die Situation<br />
der<br />
Älteren in<br />
West<br />
deutsch<br />
land