Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
VI. Lebenslagen der Familien in den alten und neuen Bundesländern<br />
Familiale<br />
Verschie<br />
denheit<br />
Unter<br />
schiedli<br />
che Le<br />
bensstile<br />
in Ost und<br />
West<br />
1. Verschiedenheit in zeitgeschichtlicher<br />
Perspektive<br />
Der Pluralität familialer Lebensformen entspricht<br />
eine zunehmende Pluralität der sozialökonomischen<br />
Lebenslagen von Familien mit<br />
sich verändernden Anforderungen an die<br />
Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens.<br />
Sozialstrukturanalysen von Gesellschaften<br />
— vielfach auch Ungleichheitsforschung genannt<br />
— bemühen sich, solche sozialen Veränderungen<br />
von Ungleichheiten zwischen Personen,<br />
Familien, Generationen und Privathaushalten<br />
abzubilden. Da sich hinter dem Begriff<br />
der „Ungleichheit" die Norm, es solle alles<br />
gleichgestaltet werden, verbergen könnte und<br />
dieses nicht die Absicht dieser Darstellung ist,<br />
soll hier von den familialen Verschiedenheiten<br />
gesprochen werden.<br />
Familiale Verschiedenheiten ergeben sich für<br />
jeden Menschen<br />
— durch sein Schicksal, in eine bestimmte<br />
Familie in einem bestimmten Gesellschaftssystem<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
geboren zu sein;<br />
— mit den Eltern eine sozialökonomische famili<br />
ale<br />
Lebenslage vorzufinden und von dieser<br />
und den Eltern geprägt zu werden;<br />
— durch zeitgeschichtliche Ereignisse, welche<br />
jede Altersgruppe in spezifischer Weise<br />
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Zwängen und Belastungen aussetzen und/<br />
oder auch besondere Chancen und Optionen<br />
bieten.<br />
— Schließlich hat jeder seine eigene Biographie<br />
und sein Humanvermögen, ein Potential,<br />
das es zu entfalten, gesundzuerhalten,<br />
zu bilden und zu nutzen gilt.<br />
Familiales Schicksal, Gesellschaftskultur und<br />
zeitgeschichtliche Ereignisse sowie die persönliche<br />
Biographie führen zu den Verschiedenheiten<br />
der Lebensverläufe, Lebenslagen und<br />
Lebensleistungen von Familien. Diese Verschiedenheiten<br />
familialer Lebenssituationen<br />
sind gesellschaftlich immer dann von Bedeutung,<br />
wenn sie auf ungerechte, unwürdige,<br />
deklassierende, gesundheitsgefährdende oder<br />
auch marginalisierende und stigmatisierende<br />
Lebenssituationen aufmerksam machen.<br />
So geht es in der Darstellung von familialen<br />
Verschiedenheiten auch um eine stärkere<br />
Beachtung der Bemühungen der Milieu- und<br />
Lebensstilstudien, welche der qualitativen Seite<br />
der Veränderungen in den Lebensformen der<br />
Menschen im Alltag nachzugehen versuchen.<br />
Die Milieustudien zeigen typisches Umgehen<br />
mit Umwelten und Situationen, und die Lebensstilstudien<br />
verweisen auf typische Muster im<br />
Alltagshandeln. So gibt es Unterschiede in<br />
Milieus und Lebensstilen innerhalb einer Generation,<br />
z. B. den jungen Familien in „Ost" und<br />
„West", zwischen den Generationen und in<br />
unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Phasen,<br />
z. B. bei den jungen Familien „vor und nach der<br />
Wende" in den neuen Bundesländern und in<br />
unterschiedlichen Regionen.<br />
Die Vielfalt der familialen Lebenssituationen<br />
führen zu unterschiedlichen Anforderungsprofilen<br />
an Ressourcen und Kompetenzen der für<br />
die familialen Leistungen verantwortlichen Personen.<br />
Da die familialen Leistungen sehr unterschiedlich<br />
auf beide Geschlechter, die Lebenszyklusphasen<br />
und Lebensformen verteilt sind, entstehen<br />
Asymmetrien zwischen jenen, die diese<br />
Leistungen erbringen, und denen, die sie vor<br />
allem nutzen.<br />
Diese Verschiedenheiten familialer Lebenssituationen<br />
führen zu einem differenzie rten<br />
Bedarf an Handlungs- und Entscheidungskompetenzen,<br />
Ressourcen, Handlungsspielräumen,<br />
gesellschaftlichen Unterstützungssystemen und<br />
Bildungs- und Beratungserfordernissen.<br />
Vielfältig ausgestaltete familienorientierte Lebens-<br />
und Arbeitswelten könnten zu einer<br />
neuen Qualität und Kultur des Zusammenlebens<br />
führen. Diese politische Gestaltungsaufgabe<br />
bedarf der Einsicht, daß nicht einfache<br />
Patentlösungen, sondern ein vielfältiger Gestaltungswille<br />
auf allen politischen Ebenen in der<br />
Familienpolitik gefragt ist.<br />
Untersuchungen von Lebenssituationen von<br />
Familien im vereinigten Deutschland haben die<br />
unterschiedlichen zeitgeschichtlich bedingten<br />
Entwicklungen und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
in den alten und neuen Bundesländern zu<br />
beachten. In den alten Bundesländern haben<br />
die Soziaistrukturanalysen in den 70er und 80er<br />
Jahren zu einigen wichtigen Hypothesen des<br />
Strukturwandels im Alltagsleben geführt, die<br />
für die neuen Bundesländer eine, wenn auch<br />
unterschiedliche, Bedeutung haben. Sie werden<br />
in der wissenschaftlichen Diskussion auch als<br />
Modernisierungsthesen oder Modernisierungsschübe<br />
dargestellt.<br />
1. Der Freiheitsgrad im Denken und Handeln<br />
ist durch den allgemein gestiegenen Bildungsgrad,<br />
durch steigende verfügbare Einkommen<br />
und Geldvermögen, kleinere Fami-<br />
-<br />
Folgen<br />
der Mo<br />
ernisie<br />
-d<br />
rung des<br />
Alltagslebens<br />
Wahlfrei<br />
heit verlangt<br />
Ent<br />
schei<br />
dungs<br />
kompe<br />
tenz