Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
chen propagandistische Bedeutung. Für die Ehe<br />
gilt das vollends, für das Eltern-Kind-Verhältnis<br />
weitestgehend auch. (Anders im Bildungsrecht,<br />
wo dem gleichen Erziehungsziel im Zusammenhang<br />
mit den Entscheidungen über den Zugang<br />
zu weiterführenden Bildungsmöglichkeiten<br />
durchaus Sanktionen zugeordnet werden konnten.)<br />
Sozialistische Ideologie verkörperten außerdem<br />
die Regelungen, die die sogenannten gesellschaftlichen<br />
Kräfte, d. h. die Hausgemeinschaften,<br />
Arbeitskollektive oder gesellschaftliche<br />
Organisationen betrafen. Ihnen war in der<br />
gesamten Rechtsordnung eine große Rolle für<br />
die Konfliktvermeidung oder -überwindung<br />
zugewiesen worden. Dementsprechend wurden<br />
sie durch das Recht aufgefordert, Ehe und<br />
Familie zu fördern und insbesondere Eltern bei<br />
der Erziehung ihrer Kinder zu helfen, und —<br />
darüber hinaus — sah das Recht die Einbeziehung<br />
dieser gesellschaftlichen Kräfte in die<br />
Arbeit staatlicher Institutionen, so auch der<br />
Gerichte und der Jugendhilfe, vor. Im Bereich<br />
der Jugendhilfe, die jeweils für etwa 0,8-1 %<br />
aller Kinder zwischen 0 und 18 Jahren aus den<br />
verschiedensten Gründen tätig wurde, hat diese<br />
Regelung je nach der Haltung der Eltern dazu,<br />
den Beziehungen in den jeweiligen Gemeinschaften,<br />
je nach der Problematik, um die es<br />
ging und in Abhängigkeit von der Arbeitsweise<br />
der Mitarbeiter der Jugendhilfe eine unterschiedliche<br />
praktische Rolle gespielt und sehr<br />
unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht.<br />
In bezug auf die Ehe ist die Idee der Einbeziehung<br />
gesellschaftlicher Kräfte nur vereinzelt<br />
umgesetzt worden. Die Richter wurden immer<br />
wieder aufgefordert, auf diese Weise eheerhaltend<br />
tätig zu werden. Doch wurde dieser Weg<br />
weder von den Ehegatten noch von den Richtern<br />
angenommen, auch im Recht selbst trat der<br />
Gedanke zurück.<br />
Das Zusammenleben von Partnern ohne Ehe hat<br />
in beiden deutschen Staaten rechtliche Probleme<br />
hervorgebracht, aber keine familienrechtliche<br />
Regelung erfahren. Hier blieb alles<br />
der Rechtsprechung überlassen. Die Probleme<br />
bei Trennung hatten in der DDR ökonomisch<br />
nur geringe Brisanz aufgrund der weitgehenden<br />
beruflichen Selbständigkeit der Frau.<br />
Während das Zusammenleben ohne Ehe in der<br />
alten Bundesrepublik Deutschland im Arbeitsförderungs-<br />
und im Recht der Sozialhilfe zum<br />
Schutz der Ehe mit dieser rechtlich gleichgestellt<br />
ist, unterblieb in der DDR jede rechtliche<br />
Regelung zu dieser Form des Zusammenlebens.<br />
Sie hat allerdings die Notwendigkeit wie die<br />
Möglichkeit der besonderen Unterstützung<br />
alleinstehender Eltern verändert und dazu<br />
geführt, daß die Familienförderung immer<br />
weniger an den Familienstand der Eltern, sondern<br />
an die Geburt, die Zahl und das Alter der<br />
Kinder anknüpfte.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, daß das<br />
Familienrecht im Geltungsbereich des Grundgesetzes<br />
im Verlaufe der Entwicklung stark<br />
ausgebaut wurde. Eine umfangreiche, kaum zu<br />
übersehende Rechtsprechung mit einer Vielzahl<br />
strittiger Fragen gehört dazu. Die Grundstrukturen<br />
des BGB (von 1900), der ZPO (von<br />
1877) und des Gesetzes über die freiwillige<br />
Gerichtsbarkeit (FGG von 1898) blieben erhalten,<br />
die Veränderungen in diese Texte eingefügt,<br />
z. T. mit vielen Unterparagraphen.<br />
Diese Entwicklung beinhaltet eine starke Verrechtlichung<br />
der Familie, der Ehe und auch der<br />
geschiedenen Ehe. Vor allem ist aus der Sicht<br />
der Familien festzustellen, daß mit dieser<br />
Rechtsentwicklung die Entscheidung zur Ehe,<br />
zur Elternschaft, zur Scheidung und zur Wiederverheiratung<br />
zu viel weitergehenden rechtlichen<br />
Konsequenzen führt, als das früher der Fall<br />
war, und daß damit die Einschnitte in die<br />
persönlichen Bedingungen der Lebensgestaltung<br />
viel gravierender geworden sind.<br />
Ebenso ist festzustellen, daß die Regelungen für<br />
den Konfliktfall vielfach wenig hilfreich sind,<br />
vor allem für die Erhaltung der Beziehungen<br />
zwischen Eltern und Kindern, aber die zeitlichen,<br />
finanziellen, psychischen und anderen<br />
Belastungen des Konflikts oft erheblich vergrößern.<br />
Bei der Darstellung der Probleme, die mit<br />
der Überleitung des Bundesrechts in die neuen<br />
Länder verbunden sind, wird das deutlich (vgl.<br />
Abschnitt 3.3, besonders die Darstellung zum<br />
Ehescheidungsrecht und zum Kindesunterhalt).<br />
Für das Familienrecht der DDR zeigt sich, daß<br />
seine Bedeutung insofern rückläufig war, als die<br />
gesellschaftlichen Bedingungen und die Regelungen<br />
anderer Rechtsbereiche zu einem Rückgang<br />
der ökonomischen Abhängigkeit der<br />
Familienmitglieder voneinander führten. Vor<br />
allem aus der Sicht der Frau und der in Ausbildung<br />
stehenden volljährigen Kinder gab es<br />
einen Rückgang des Bedarfs an rechtlicher<br />
Regelung und dementsprechend an der Begründung<br />
von Rechten und Pflichten zur sozialen<br />
Absicherung von Familienmitgliedern.<br />
Auch für vorhandene rechtliche Regelungen<br />
dieser Art, so beim Ehegattenunterhalt nach<br />
Scheidung und beim Unterhalt zwischen sonstigen<br />
Verwandten, war der Anwendungsbedarf<br />
ständig rückläufig. Der Umgang mit dem Familienrecht<br />
im Konfliktfall war für die Ehegatten<br />
und Eltern durch die einfache und übersichtliche,<br />
in sich geschlossene Regelung erleichtert<br />
und ihnen — mit Ausnahme der Ehescheidung<br />
selbst — weitgehend selbständig möglich.<br />
Im Juli 1990 wurde das Familienrecht der DDR<br />
durch das erste Familienrechtsänderungsgesetz<br />
reformiert. Die systemtypischen Regelungen,<br />
namentlich die Präambel und das Erziehungsziel,<br />
wurden aufgehoben. Die Gesamtkodifikation<br />
blieb erhalten unter Einarbeitung seit langem<br />
notwendiger Reformen. Das betraf insbesondere<br />
die Verstärkung des Umgangsrechts,<br />
Hohe<br />
Komplexität<br />
des<br />
Familienrechts<br />
im<br />
Geltungsbereich<br />
des<br />
Grundgesetzes<br />
-<br />
Ver<br />
gleichs<br />
weise geringe<br />
Bedeutung<br />
des Familienrechts<br />
in der<br />
DDR