Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
IX. Familie und Bildung — Zur Familienorientierung des Bildungssystems<br />
Bildung —<br />
eine wich<br />
tige Di<br />
mension<br />
des Fami<br />
lienlebens<br />
Bildung gehört neben Gesundheit und Umwelt<br />
zu den wichtigen Bereichen menschlicher<br />
Daseinsvorsorge. Die Familie trägt zur Bildung<br />
auf zweifache Weise bei:<br />
— sie erschließt und fördert die Teilhabe an<br />
schulischer und beruflicher Bildung,<br />
— sie erbringt selbst Bildungsleistungen.<br />
Auch durch Bildung beteiligt sich die Familie an<br />
der Pflege und Erneuerung des Humanvermögens,<br />
zum Beispiel durch Motivation zu Bildungsanstrengungen,<br />
durch Vermittlung von<br />
Wertmustern und Daseinskompetenzen, durch<br />
das Setzen von familialen Rahmenbedingungen<br />
für die Arbeit der Bildungsinstitutionen.<br />
Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der<br />
Bundesrepublik Deutschland ist einerseits mit<br />
steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit<br />
der Individuen verbunden. Andererseits<br />
-<br />
ermöglicht das gleichfalls gestiegene Wohlfahrtsniveau<br />
einen zunehmenden Einsatz zeitlicher<br />
und finanzieller privater und öffentlicher<br />
Ressourcen für die Bildung sowohl der nachwachsenden<br />
Kinder und jungen Erwachsenen<br />
als auch der älterwerdenden Erwachsenen.<br />
Umgekehrt hat das Bildungsniveau der Gesellschaft,<br />
insbesondere das ihrer Mütter und Väter,<br />
auch einen bedeutenden Einfluß auf die Art und<br />
Weise, in der Partnerschaft gelebt wird und<br />
Familien ihre Leistungen der Daseinssicherung<br />
und -vorsorge erbringen.<br />
Bildung ist eine der wichtigen Dimensionen des<br />
Familienlebens; Bildungsfragen sind daher<br />
auch ein bedeutendes Element der <strong>Familienbericht</strong>erstattung.<br />
Der Dritte <strong>Familienbericht</strong> behandelte<br />
die Bildung im Hinblick auf die Plazierung,<br />
verstanden als Vermittlung sozialer Positionen.<br />
Er analysierte die Plazierung als familiale<br />
und gesellschaftliche Aufgabe, die Plazierungserwartungen<br />
und Plazierungsleistungen<br />
der Familie, den Einfluß sozialer Tatbestände<br />
auf die Plazierung sowie die Beanspruchung<br />
und Belastung von Familien durch Plazierungsaufgaben.<br />
Da die damaligen grundsätzlichen<br />
Berichtsergebnisse ihre Aussagekraft behalten<br />
haben, kann dieser Bericht auf vielfältige Weise<br />
daran anknüpfen. Die Kommission konzentriert<br />
sich im vorliegenden Bericht darauf, die inzwischen<br />
durch neuere Forschungsvorhaben verfügbar<br />
gewordenen Fakten unter den leitenden<br />
Gesichtspunkten dieses Berichts — Familie und<br />
Humanvermögen im vereinten Deutschland —<br />
aufzuspüren und aufzubereiten. Auch der<br />
Fünfte <strong>Familienbericht</strong> muß sich auf einen Ausschnitt<br />
aus dem Problemzusammenhang und<br />
Politikfeld „Familie und Bildung" beschränken.<br />
Zu den wichtigen neueren empirischen Grundlagen<br />
des Berichts gehören Ergebnisse von<br />
Forschungsvorhaben, wie zum Beispiel der<br />
Familien-Survey des Deutschen Jugendinstituts,<br />
die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks,<br />
die vom Hochschul-Informations-<br />
System durchgeführt wurde sowie weitere Studien<br />
u. a. des Bundesinstituts für Berufsbildung,<br />
des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung,<br />
von Infratest und des Instituts für Entwicklungsplanung<br />
und Strukturforschung. Auf<br />
Anregung der Kommission wurden Expertisen<br />
1 ), die ebenfalls dem Bericht zugrundeliegen,<br />
erstellt.<br />
Unsere Kenntnisse über den Zusammenhang<br />
von Familie und Bildung sind — gemessen an<br />
seiner gesellschaftlichen Bedeutung — immer<br />
Strukturelle<br />
Rück<br />
sichtslo<br />
noch recht lückenhaft. Dies wird besonders dort<br />
- deutlich, wo auf gänzlich fehlende Informatio-<br />
sigkeit des<br />
Bildungs<br />
-systems<br />
nen hingewiesen, auf Fallstudien oder auf<br />
benachbarte Forschungsfelder zurückgegriffen<br />
werden muß. Das, was wir wissen, begründet<br />
jedoch den Hinweis darauf, daß hier ein dringliches<br />
gemeinsames Handlungsfeld der Familien-<br />
und Bildungspolitik sowie auch der<br />
Arbeits- und Wirtschaftspolitik skizziert wird.<br />
Die Dringlichkeit ergibt sich aus den Erfahrungen,<br />
die jene Familien machen, in denen sich<br />
Eltern und/oder Kinder in einer Ausbildung<br />
befinden oder an Weiterbildung teilnehmen. Sie<br />
erleben auf vielfache Weise eine strukturelle<br />
Rücksichtslosigkeit des Bildungssystems, zum<br />
Beispiel durch organisatorische und zeitliche<br />
Starrheit, unzureichende Durchlässigkeit und<br />
Erreichbarkeit, einseitige Betonung fachlicher<br />
Leistung, lange Ausbildungsdauer.<br />
Als Leitlinien der Kommission durchziehen drei<br />
zentrale Botschaften dieses Kapitel:<br />
— Die Familienorientierung des Bildungssystems<br />
ist aus der Lebensperspektive von<br />
Eltern und Kindern eine herausragende politische<br />
Aufgabe, deren Erfüllung zur strukturellen<br />
Rücksichtnahme auf die Familie<br />
wesentlich beiträgt.<br />
1 ) M. Grundmann, J. Huinink, L. Krappmann: Familie<br />
und Bildung, Empirische Ergebnisse und Überlegungen<br />
zur Frage der Beziehung von Bildungsbeteiligung,<br />
Familienentwicklung und Sozialisation<br />
B. Meifort, W. Becker: Berufe mit familienbezogenen<br />
Leistungen<br />
A. Glade, J. Zierau: Qualifikation durch Familientätigkeit,<br />
Zur Bewertung und Anerkennung der Arbeit im<br />
Familienhaushalt<br />
B. Nauck: Bildungsverhalten in Migrantenfamilien<br />
P. Büchner: (Schul-)Kindsein heute zwischen Familie,<br />
Schule und außerschulischen Freizeiteinrichtungen<br />
Leitlinien<br />
der Kommission