Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Belastungen<br />
durch<br />
ökonomisch<br />
erzwungene<br />
Mobilität<br />
Plädoyer<br />
des Insti<br />
tuts für<br />
Arbeits<br />
marktund<br />
Be<br />
rufsfor<br />
schung<br />
Drucksache 12/7560<br />
Transformationsprozesses sind unangemessen.<br />
Es darf hier nicht verkannt werden, daß die weit<br />
verbreitete „Vermögenslosigkeit" der Familien<br />
in Ostdeutschland deren Handlungsspielräume<br />
zusätzlich begrenzt. Es ist insbesondere dafür<br />
Sorge zu tragen, daß ein Niveau der Existenzsicherung<br />
für Eltern und Kinder gewährleistet ist,<br />
welches Entscheidungen gegen die Familie verhindert.<br />
Schließlich kann nicht akzeptiert werden,<br />
daß wegen der wirtschaftlich ungünstigen<br />
Rahmenbedingungen in der Übergangsperiode<br />
zu einer Sozialen Marktwirtschaft in einem Teil<br />
unseres Landes eine ganze Generation wegen<br />
Befürchtungen über soziale Unsicherheiten zur<br />
Kinderlosigkeit verurteilt wird.<br />
Unter familienpolitischem und wirtschaftspolitischem<br />
Aspekt sind ebenfalls jene Beobachtun-<br />
-<br />
gen gleichsam besorgniserregend, die sich auf<br />
die Abwanderungen aus den neuen Bundesländern<br />
wegen fehlender Arbeitsplätze beziehen.<br />
Es ist nicht zu übersehen, daß diese ökonomisch<br />
erzwungene Mobilität familiale Zusammenhänge<br />
beeinträchtigt oder gar zerstört. Nach<br />
allen bisherigen Erfahrungen sind es junge,<br />
relativ gut ausgebildete Arbeitskräfte, die in<br />
den Westen wandern. Die Verfügbarkeit qualifizierter<br />
Arbeitskräfte stellt einen wichtigen<br />
Standortfaktor dar. Eine Ausdünnung des vorhandenen<br />
Arbeitshumanvermögens gefährdet<br />
die Entwicklungsaussichten für die neuen Bundesländer.<br />
Dem gänzlichen Verlust von Humanvermögen<br />
kann die Bevölkerung in den neuen Ländern<br />
durch Pendlertätigkeit begegnen. Die häufig<br />
sehr langen Pendelzeiten und -wege stellen<br />
allerdings für die Betroffenen erhebliche physische,<br />
psychische und familiäre Belastungen dar.<br />
Ein Drittel von ihnen sind Wochenendpendler.<br />
Der durchschnittliche Anfahrtsweg der Tagespendler<br />
und -pendlerinnen beträgt 59 Kilometer.<br />
Dennoch bedeutet die Pendlertätigkeit eine<br />
Entlastung unter kurzfristigen Arbeitsmarktgesichtspunkten.<br />
Die bisher noch relativ geringe<br />
Umzugsneigung von Pendlerinnen und Pendlern<br />
ist sicherlich von der Hoffnung beeinflußt,<br />
in absehbarer Zeit einen Arbeitsplatz in Ostdeutschland<br />
zu erhalten (Scheremet/Schupp<br />
1992, S. 24 ff.)<br />
Vor diesem Hintergrund kann sich die <strong>Familienbericht</strong>skommission<br />
inhaltlich voll den Auffassungen<br />
über politischen Handlungsbedarf anschließen,<br />
die das Institut für Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsforschung (IAB) und der Sachverständigenrat<br />
vertreten. Generell muß dem „Plädoyer"<br />
des IAB „für eine investive Beschäftigungs- und<br />
Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern"<br />
uneingeschränkt zugestimmt werden.<br />
Wie im Abschnitt VII.4 bereits erwähnt wurde,<br />
unterstellt das IAB, daß für den Zeitraum von<br />
1992 bis 2000 Anlageinvestitionen in Höhe von<br />
insgesamt 1,3 Billionen DM „notwendig", aber<br />
auch „prinzipiell real und monetär realisierbar"<br />
sind. Im einzelnen wird davon ausgegangen,<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
daß 750 Milliarden DM an Bau- und Ausrüstungsinvestitionen<br />
der Wi rtschaft ohne Wohnungsbau,<br />
250 Milliarden DM an Wohnungsbauinvestitionen<br />
und 300 Milliarden DM an<br />
staatlichen und quasi-öffentlichen Investitionen<br />
(einschließlich Altlastensanierung) notwendig<br />
sind, alles gerechnet in konstanten Preisen des<br />
zweiten Halbjahres 1990 (Blaschke u. a. 1992,<br />
S. 126).<br />
Ob und wie rasch dieser investive Beschäftigungsschub<br />
greift, kann zur Zeit niemand sicher<br />
voraussagen. Selbst wenn der Sachverständigenrat<br />
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung (SVR) in seinem Jahresgutachten<br />
1992/93 eine deutliche Belebung<br />
der Unternehrnensinvestitionstätigkeit in Ostdeutschland<br />
von 40,5 Mrd. DM (1991) auf 60,0<br />
Mrd. DM (1992) konstatiert, muß er dennoch<br />
relativierend darauf verweisen, daß die Investitionsausgaben<br />
der Unternehmen pro Kopf der<br />
Bevölkerung erst bei rund 65 % des westdeutschen<br />
Niveaus liegen. Zwar sind die Investitionen<br />
in die Infrastruktur selbst im Vergleich zu<br />
Westdeutschland bereits recht hoch, die Wohnungsbauinvestitionen<br />
dagegen sehr niedrig<br />
(SVR 1992/93, S. 93f.). Der Sachverständigenrat<br />
wehrt sich allerdings gegen die oft zu hörende<br />
Feststellung, es sei ein allgemeiner Investitionsabsentismus<br />
der Unternehmen zu registrieren<br />
und verweist auf Rahmenbedingungen, die sich<br />
hier störend auswirken — und änderbar sind<br />
(SVR 1992/93, S. 95).<br />
Ebenso deutlich wie die Fünfte <strong>Familienbericht</strong>skommission<br />
(siehe VII.5) verweist der<br />
Sachverständigenrat auf die Befürchtungen und<br />
Verunsicherungen der betroffenen Menschen,<br />
für die die konkret erlebte Arbeitslosigkeit oder<br />
die Sorge um den Verlust ihres Arbeitsplatzes<br />
schwerer wiegen als die erreichten Fortschritte.<br />
Das Vertrauen in den mit viel Zuversicht eingeschlagenen<br />
marktwirtschaftlichen Weg sei erschüttert.<br />
Er folgert: Weil es einen Königsweg<br />
für einen synchronen Verlauf zwischen dem<br />
Zusammenbruch des DDR-Systems und dem<br />
Neuaufbau nicht gibt, weil der Mangel an<br />
rentabler Beschäftigung — vermutlich noch auf<br />
lange Zeit — das gravierendste Problem in<br />
Ostdeutschland bleibe, müsse die wachstumsorientierte<br />
Politik konsequent weiterbetrieben<br />
und zudem verbessert werden. Aus dem gleichen<br />
Grund seien noch viele Jahre lang flankierende<br />
sozialpolitische Maßnahmen erforderlich,<br />
um die Härten für die von der Anpassungskrise<br />
besonders Betroffenen zu mildern.<br />
Die Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />
für Maßnahmen am Arbeitsmarkt bleiben<br />
zurückhaltend. Sie decken sich wiederum mit<br />
der Meinung der Fünften <strong>Familienbericht</strong>skommission.<br />
Es wird erwähnt, daß ein verstärktes<br />
Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen den Interessen<br />
der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen<br />
entgegenkommen könne. Steuerliche Regelungen<br />
sollten die räumliche Mobilität nicht<br />
benachteiligen, sondern begünstigen. Ferner<br />
Empfehlungen<br />
des Sach<br />
verständi<br />
genrats<br />
zur Begutachtung<br />
der ge<br />
samtwirt<br />
schaftli<br />
chen Entwicklung