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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Drucksache 12/7560<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

Vergrößerung der Familie ... mit wesentlich weitergehenden<br />

rechtlichen Konsequenzen und somit stärkeren<br />

Einschnitten in die Bedingungen der weiteren<br />

Lebensgestaltung verbunden (ist), als das vor der<br />

Wende der Fall war"; damit einher gehe „Enttäuschung<br />

über die zu wenig familienfördernde und<br />

-schützende Rolle des neuen Rechts und über den<br />

ausbleibenden Gewinn an Freiheit und Selbstbestimmung''.<br />

Auch diese Bewertung wird von der Bundesregierung<br />

nicht geteilt. Zunächst sind verschiedene Aussagen<br />

als Prämissen dieses Berichtsergebnisses problematisch<br />

oder auch unzu treffend. Grundsätzlich ist darüber<br />

hinaus zu fragen, ob eine im Bericht konstatierte<br />

„Belastung der Familie" überhaupt dem übergeleiteten<br />

Familienrecht angelastet werden könnte oder ob<br />

hier nicht eher wirtschaftliche und soziale Umstellungsschwierigkeiten<br />

namhaft zu machen wären.<br />

Vor allem aber übersieht der <strong>Familienbericht</strong> nach<br />

Einschätzung der Bundesregierung , daß die ausdifferenzierten<br />

Regelungen des BGB gerade in besonderer<br />

Weise der sozialen Bedeutung von Ehe und Familie in<br />

einem freiheitlichen Rechtsstaat Rechnung tragen: Sie<br />

verbürgen einen Freiraum privatautonomer Lebensgestaltung<br />

und damit gerade einen erheblichen<br />

Gewinn an Freiheit und Selbstbestimmung. Die Bundesregierung<br />

verkennt nicht, daß die Betroffenen hier<br />

teilweise noch eher das erhöhte Risiko fürchten als die<br />

erweiterten Gestaltungsspielräume begrüßen. Sie<br />

verkennt auch nicht, daß das Familienrecht des BGB<br />

— wie nahezu alle Regelungen des freiheitlichen<br />

Rechtsstaates —ständiger Beobachtung und ggf. Verbesserung<br />

bedarf. Sie weiß sich mit dem <strong>Familienbericht</strong><br />

schließlich in den Anforderungen einig, die an<br />

ein Familienrecht zu stellen sind: Von ihm muß<br />

erwartet werden, „daß es möglichst dem Schutz der<br />

Kinder dient, dem ökonomisch Schwächeren zur Seite<br />

steht, die Beziehungen befriedet, den Konflikt zumindest<br />

nicht verschärft, die psychischen, zeitlichen und<br />

finanziellen Belastungen so gering wie möglich hält<br />

und die Intimsphäre der Bürger achtet". Die Bundesregierung<br />

vertritt jedoch nachdrücklich die Auffassung,<br />

daß diese Anforderungen — gerade auch im<br />

Vergleich zur Situation in der DDR — vom übergeleiteten<br />

Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht<br />

„nur begrenzt erreicht", sondern vielmehr grundsätzlich<br />

erfüllt werden.<br />

Das neue Kinder- und Jugendhilferecht dient mit<br />

seiner Konzentration auf familienunterstützende und<br />

familienergänzende Leistungen der Ausübung des<br />

Elternrechts zum Wohl des Kindes und setzt damit das<br />

Fundament, um Eingriffe in die Familienautonomie<br />

hinter öffentlichen Hilfen zurücktreten zu lassen, wie<br />

dies § 1666a BGB verlangt. Die Bundesregierung<br />

unterstreicht deshalb die im Bericht hervorgehobene<br />

Bedeutung der Jugendhilfe für das Familien- und<br />

Kindschaftsrecht. Die Bundesregierung verkennt<br />

nicht die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der<br />

Überleitung des erst im Sommer 1990 verabschiedeten<br />

neuen Kinder- und Jugendhilferechts auf die<br />

neuen Länder, die mit der Notwendigkeit verbunden<br />

war, gleichzeitig die notwendigen Strukturen einzurichten<br />

und einer erhöhten Nachfrage nach Jugendhilfeleistungen<br />

aufgrund des gesellschaftlichen Um<br />

bruchs Rechnung tragen zu müssen. Der Informations-,<br />

Beratungs- und Fortbildungsdienst Jugendhilfe,<br />

der von den kommunalen Spitzenverbänden<br />

geschaffen und aus Bundesmitteln in den Jahren 1991<br />

bis 1994 gefördert worden ist, hat wesentlich dazu<br />

beigetragen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

der Jugendämter in den neuen Ländern den Einstieg<br />

in die fachlichen und rechtlichen Grundlagen der<br />

Jugendhilfe zu erleichtern und diese zu vertiefen. Der<br />

Informations-, Beratungs- und Fortbildungsdienst<br />

Jugendhilfe ist inzwischen zum Modellfall für den<br />

Aus- und Umbau anderer Verwaltungsbereiche in<br />

den neuen Ländern geworden.<br />

Wie für das Sozialhilferecht, so haben die Vertragsparteien<br />

des Einigungsvertrages auch im Hinblick auf<br />

das Jugendhilferecht in den Anlagen zum Einigungsvertrag<br />

Übergangsregelungen vorgesehen, die angesichts<br />

völlig unterschiedlicher Ausgangsbedingungen<br />

in den neuen Ländern eine schrittweise Anpassung an<br />

das rechtliche und fachliche Leistungsniveau in den<br />

alten Ländern vorsehen. Insbesondere sind ambulante<br />

und teilstationäre Hilfen, die in der Jugendhilfe<br />

der DDR unbekannt waren, in der Zeit bis zum<br />

31.12.1994 mit einem geringeren Verbindlichkeitsgrad<br />

ausgestattet. Die Bundesregierung teilt in diesem<br />

Zusammenhang nicht die Auffassung des<br />

Berichts, die während der Übergangszeit maßgebliche<br />

geringere Verbindlichkeit einzelner Leistungen<br />

habe die Schwierigkeiten noch verstärkt, statt eine<br />

angemessene Reaktion auf die Lage im Beitrittsgebiet<br />

zu befördern. Sie weist in diesem Zusammenhang auf<br />

kritische Stimmen hin, die von einer zu schnellen<br />

Übernahme des in der alten Bundesrepublik konzipierten<br />

Kinder- und Jugendhilferechts auf die neuen<br />

Länder warnen, da damit neue und alternative<br />

Lösungsansätze gefährdet werden können. Der Bundesgesetzgeber,<br />

der nur für die Konzeption des Leistungsrechts,<br />

nicht aber für die Finanzausstattung der<br />

kommunalen Gebietskörperschaften zuständig ist, die<br />

dieses Leistungsrecht auszuführen haben, hätte die<br />

kommunalen Gebietskörperschaften im Hinblick auf<br />

die notwendigen Anpassungen überfordert und das<br />

Vertrauen in die Rechtsordnung erschüttert, wenn er<br />

das neue Recht ohne Abstriche sofort in Kraft gesetzt<br />

hätte.<br />

Im letzten Abschnitt seines V. Kapitels nimmt der<br />

Bericht „zur weiteren Entwicklung des Familienrechts"<br />

Stellung. Wesentliche Anstöße für die Rechts-entwicklung<br />

werden hier in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts<br />

gesehen, das in verschiedenen<br />

Entscheidungen einzelne familienrechtliche Regelungen<br />

für verfassungswidrig erklärt hat. Zuzustimmen<br />

ist dem Bericht in der Einschätzung, daß der<br />

Einigungsprozeß hier zusätzliche Anstöße zur Rechtsentwicklung<br />

gegeben hat. Es wirkt jedoch befremdlich,<br />

wenn der Bericht dies auf die Formel bringt, es<br />

seien „die nicht verfassungskonformen Regelungen<br />

auf die neuen Bundesländer übergeleitet" worden; sie<br />

hätten damit Normen der DDR abgelöst, „die mit dem<br />

Grundgesetz konform waren" . Dieser Einschätzung<br />

gegenüber verdient es festgehalten zu werden, daß<br />

mit dem Familienrecht der DDR eine für den Bürger<br />

unangreifbare Normenordnung durch ein BGB abgelöst<br />

worden ist, das sich immer wieder verfassungs-

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