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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Größeres<br />

Sozialgeflecht<br />

für<br />

Kinder .. .<br />

... und<br />

für Eltern<br />

Drucksache 12/7560<br />

sungskompetenzen der Betroffenen zu stärken<br />

und den Familien zu ermöglichen, ihre Probleme<br />

selbständig zu lösen und sie nicht zu<br />

„Fällen" sozialstaatlicher Intervention werden<br />

zu lassen. Bei diesen Formen der Selbsthilfe<br />

wird auch der eigene Anteil sowohl bei der Problementstehung<br />

als auch -lösung deutlicher als<br />

bei der Beanspruchung von Fremdhilfe. Außerdem<br />

wird erkennbar, daß die aufgegriffenen<br />

Probleme nicht nur individuelle Schwierigkeiten<br />

sind, sondern gemeinschaftlich angegangen<br />

werden können (Braun/Opielka 1992, S. 26 ff.).<br />

In diesem Sinne geht es auch darum, die „mit<br />

der Modernisierung und Privatisierung von<br />

Familienleben geschwundene sozialräumliche<br />

und sozialkulturelle Vernetzung" (Pankoke<br />

1986, S. 206) neu zu entwickeln und dadurch<br />

nicht nur zur Entlastung, sondern auch zur<br />

Bereicherung des Familienalltags durch den<br />

Anschluß an größere soziale Zusammenhänge<br />

beizutragen (Hebenstreit-Müller 1991, a. a. O.).<br />

Auf diese Weise sind solche Angebote auch<br />

nützlich, wenn es darum geht, daß der notwendige<br />

Ausbau öffentlicher Familienförderung<br />

nicht zu einer wachsenden Abhängigkeit familialer<br />

Lebensformen von staatlicher Regulierung<br />

führt.<br />

Mit Blick auf die oben als Merkmal heutiger<br />

Kindheit genannte Ausdünnung des sozialen<br />

Erfahrungsraumes in der Familie sind solche<br />

Nachbarschaftszentren mit den für sie typischen<br />

offenen Gruppen überdies eine wichtige Ergänzung<br />

der institutionalisierten professionellen<br />

Kinderbetreuung. Durch sie entsteht für die<br />

Kinder ein größerer sozialer Lernraum, in dem<br />

oft auch geschwisterähnliche Beziehungen entwickelt<br />

werden. Die Kinder haben dabei auch<br />

einen größeren Freiraum, um unabhängig von<br />

pädagogischen Angeboten und Interventionen<br />

zu handeln. Der Kontakt mit Kindern unterschiedlicher<br />

Altersgruppen und mit verschiedenen<br />

Erwachsenenen, die ihnen in nicht klar<br />

definierten Positionen entgegentreten, ist zudem<br />

besonders geeignet, die Selbständigkeit<br />

und Konfliktfähigkeit der Kinder zu fördern.<br />

Voraussetzung dafür ist allerdings, daß es dabei<br />

zu stabilen Kontakten mit einer überschaubaren<br />

Gruppe von Kindern und Erwachsenen kommt,<br />

um der für die spezialisierte Freizeitkultur typischen<br />

Tendenz zu oberflächlichen, ausschnitthaften<br />

und kurzlebigen Beziehungen (vgl. Kapitel<br />

IV. 4.2) entgegenzuwirken.<br />

Ein weiterer Vorteil multifunktionaler Zentren<br />

ist, daß durch sie nicht nur die sozialen Beziehungen<br />

und Kommunikationsmöglichkeiten<br />

der Kinder, sondern auch der Eltern wesentlich<br />

ausgeweitet werden. Zudem leben diese Einrichtungen<br />

auch ganz entscheidend von der<br />

Mitarbeit und -gestaltung durch die beteiligten<br />

Eltern, die dadurch ihren Erziehungsauftrag<br />

auch im außerfamilialen Bereich wahrnehmen<br />

können. Dabei ist allerdings die Beteiligung der<br />

Väter bisher nur sehr gering. Eine optimale<br />

Kombination der Vorteile von Krippe, Kindergarten<br />

und Hort und von Betreuungsangeboten,<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

die aufgrund von Selbsthilfe initiiert wurden,<br />

dürfte dann erreichbar sein, wenn Selbsthilfeeinrichtungen<br />

und professionelle Betreuung<br />

an einem Ort eingerichtet werden und miteinander<br />

kooperieren können, wie das zur Zeit<br />

etwa in den Modellversuchen im Rahmen des<br />

Projektes „Orte für Kinder" erprobt wird (vgl.<br />

dazu die „Projektblätter 1 bis 4"). Wichtig ist<br />

dabei, daß solche Angebote offen sind, um<br />

regionale Unterschiede zu berücksichtigen und<br />

ein den jeweils besonderen Interessen der Familien<br />

entsprechendes Tätigkeits- und Angebotsspektrum<br />

zu entwickeln. Eine bedauerliche<br />

Barriere, die die Entwicklung solcher Einrichtungen<br />

erheblich bremst, „ist die in den meisten<br />

Bundesländern förderungsrechtlich fixierte<br />

Struktur, die zwischen Altersphasen starre<br />

Grenzen setzt und zwischen Bildungsangeboten<br />

und Nothilfemaßnahmen trennt" (Colberg-<br />

Schrader 1991, S. 166).<br />

Wie Untersuchungen in Mütter-, Familien- und<br />

Nachbarschaftszentren zeigen, kommt den hier<br />

geschaffenen „lokalen" Öffentlichkeiten bzw.<br />

halböffentlichen Räumen schließlich auch besondere<br />

Bedeutung für eine „soziale Selbstverständigung"<br />

zu (vgl. Hebenstreit-Müller 1991,<br />

S. 43), die angesichts der Pluralisierung von<br />

Lebensformen und der Erosion traditional<br />

bestimmter Selbstverständlichkeiten heute viel<br />

wichtiger ist als früher. Diese Bedeutung haben<br />

sie gerade auch für Mütter, die selbst nicht<br />

berufstätig sind. Für sie bedeutet die Mitarbeit<br />

in einem Familien- oder Nachbarschaftszentrum<br />

über die Erweiterung von Kontaktmöglichkeiten<br />

hinaus auch die Schaffung eines eigenen<br />

Erfahrungsbereichs, der eine übermäßige Konzentration<br />

allein auf den Ehepartner und auf<br />

Kinder verhindert. Die damit verbundene Erfahrung,<br />

auch außerhalb der engen Grenzen der<br />

Kleinfamilie anerkannt und gebraucht zu sein,<br />

stärkt nicht nur das Selbstbewußtsein, sondern<br />

kann auch zu einer Erhöhung der „sozialen<br />

Attraktivität" in der Partnerschaft führen (Gerzer<br />

1991 a, S. 98f.). In diesem Sinne kommen<br />

solchen Einrichtungen auch wichtige präventive,<br />

Partnerschaften stabilisierende Funktionen<br />

zu. Außerdem leisten sie wichtige Integrationshilfen,<br />

wenn Frauen sich nach einer „Familienphase"<br />

wieder in einem Beruf oder auch in<br />

der kommunalen bzw. politischen Öffentlichkeit<br />

engagieren wollen (Projektgruppen „Familien<br />

helfen Familien" 1991, S. 180). Frauen<br />

können dabei auch die oft übersehenen Qualifikationen,<br />

die sie in ihrer Familientätigkeit<br />

erworben haben, einsetzen und in einem neuen<br />

Tätigkeitsbereich ausprobieren. Inzwischen<br />

breitet sich auch die Erkenntnis aus, daß diese<br />

Qualifikationen durchaus marktfähig sind oder<br />

es zumindest werden können. Es gibt eine Reihe<br />

von Anstrengungen, diese Qualifikationen zu<br />

einem Teil der formell anerkannten Kompetenzanforderungen<br />

bestimmter Berufe zu machen<br />

(vgl. Kapitel IX. 5; Expertise Glade/Zierau).<br />

Solche Nachbarschafts- oder Stadtteilzentren<br />

können auch eine wichtige Funktion bei der<br />

Bedeutung<br />

„lokaler<br />

Öffentlichkeit"<br />

Unterstützung<br />

bei<br />

der Altenpflege

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