Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Effizienz<br />
des<br />
Träger<br />
systems<br />
Unter<br />
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lienpolitik<br />
in Ostund<br />
in<br />
West<br />
deutsch<br />
land<br />
Drucksache 12/7560<br />
Der skizzierte Zusammenhang zwischen verschiedenen<br />
politischen Handlungsfeldern ist<br />
auch der entscheidende Grund für die Notwendigkeit,<br />
Familienpolitik auf der Grundlage einer<br />
Konzeption im Sinne eines in sich möglichst<br />
widerspruchsfreien Zusammenhangs von familienpolitischen<br />
Zielen, Grundsätzen, zielkonformen<br />
Institutionen und Maßnahmen zu betreiben.<br />
Effizienz des Trägersystems der Familienpolitik<br />
und damit der Familienpolitik selbst setzt voraus,<br />
daß die Träger auf allen Ebenen (Zentralstaat,<br />
Länder, Kreise und Kommunen) Familienpolitik<br />
als ihre Aufgabe begreifen und zusammenwirken,<br />
um ein zieladäquates, möglichst<br />
vollständiges und möglichst gut aufeinander<br />
abgestimmtes, komplementäres Instrumentarium<br />
zu entwickeln und koordiniert einzusetzen<br />
(vgl. dazu insbesondere Abschnitt 5 dieses Kapi-<br />
-<br />
tels).<br />
Das zweite Charakteristikum der aktuellen<br />
familienpolitischen Situation neben der größer<br />
gewordenen Knappheit öffentlicher Mittel besteht<br />
darin, daß es die gesamtdeutsche Familienpolitik<br />
im Westen und im Osten Deutschlands<br />
mit unterschiedlichen Bedingungskonstellationen<br />
zu tun hat (vgl. dazu auch BMFuS 1991).<br />
Z. B. wurden die Familien in den neuen Bundesländern<br />
mit einem für sie neuen Jugend-, Familien-<br />
und Sozialrecht konfrontiert, so daß ein<br />
hoher Beratungsbedarf entstand (vgl. zu diesen<br />
Problemen u. a. Kapitel V). Für viele Familien,<br />
insbesondere für Frauen, ergeben sich aus dem<br />
Zusammenbruch zahlreicher Kinderbetreuungsstätten<br />
Probleme der Vereinbarkeit von<br />
Familien- und Erwerbstätigkeit sowie von Familientätigkeit<br />
und Ausbildung und wegen des<br />
Fehlens von Betreuungsplätzen eine Vergrößerung<br />
des Risikos der Arbeitslosigkeit. Ein weiteres<br />
Problem ergibt sich daraus, daß im dualen<br />
Familienlastenausgleich die Steuerfreibeträge<br />
für Kinder großes Gewicht haben und daß auch<br />
die Wohnungsbauförderung im wesentlichen in<br />
steuerlichen Entlastungen besteht. Angesichts<br />
der in den neuen Bundesländern merklich niedrigeren<br />
Einkommen bedeutet dies im Vergleich<br />
zu Westdeutschland eine erhebliche Abschwächung<br />
der steuerlichen Entlastungseffekte (vgl.<br />
dazu Abschnitt 3.2. dieses Kapitels).<br />
Auf diese Besonderheiten in Ostdeutschland<br />
sollte die Familienpolitik reagieren, soweit<br />
dadurch nicht Ordnungsprinzipien der Famili-<br />
-<br />
enpolitik (Pluralität, Subsidiarität, Solidarität)<br />
verletzt und unverhältnismäßig hohe Mittel<br />
benötigt werden.<br />
Den familienpolitischen Empfehlungen in den<br />
folgenden Abschnitten liegen drei Thesen<br />
zugrunde.<br />
Die erste These folgt aus einer Tatsache, die —<br />
vermutlich wegen der der Wirtschaft in Industriegesellschaften<br />
zugeschriebenen dominanten<br />
Bedeutung — vielfach übersehen wird: im<br />
Lebenszyklus gehen die Erziehung, die Ausbil-<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
dung und die Versorgung der nachwachsenden<br />
Generation der Erwerbstätigkeit stets voraus.<br />
Die Schaffung der Grundlagen und der Voraussetzungen<br />
für die Bildung des Humanvermögens<br />
in den und durch die Familien sind daher<br />
die unverzichtbare Basis für eine effiziente Wirtschaft.<br />
Diese Leistungen der Familien für die Volkswirtschaft<br />
und für die Gesellschaft werden —<br />
wie bereits gezeigt wurde — in der Öffentlichkeit<br />
und in der Politik massiv unterbewertet.<br />
Aus Schätzungen des volkswirtschaftlichen<br />
Wertes der in den Familien unentgeltlich<br />
erbrachten wirtschaftlichen und sozialen Leistungen<br />
ergibt sich, daß in der Bundesrepublik<br />
Deutschland dieser Wert in etwa so hoch ist wie<br />
der Wert der im Sozialprodukt erfaßten Leistungen.<br />
Diese etwa gleich große Wertschöpfungsleistung<br />
von Familientätigkeit einerseits und Erwerbstätigkeit<br />
andererseits sowie die Bedeutung<br />
der Erziehung und Bildung der nachwachsenden<br />
Generationen veranschaulichen die<br />
Validität der zweiten These: aufgrund der aus<br />
gesellschaftlicher Perspektive bestehenden<br />
Gleichwertigkeit von Familientätigkeit und<br />
Erwerbstätigkeit und von Familientätigkeit und<br />
Ausbildung muß die Vereinbarkeit von Familientätigkeit<br />
einerseits und Erwerbstätigkeit<br />
bzw. Ausbildung andererseits ausgehend vom<br />
Prinzip der Gleichwertigkeit angestrebt werden.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen folgende<br />
Defizite abgebaut werden:<br />
— die Verschlechterung der Lebenslage für<br />
Eltern und Alleinerziehenden, die durch<br />
massive Einkommensverluste bei Übernahme<br />
von Erziehungs- und Versorgungsaufgaben<br />
sowie durch Versorgungsmängel<br />
einschließlich der Wohnungsversorgung<br />
hervorgerufen wird;<br />
— Benachteiligungen der Mütter durch die traditionelle<br />
Aufgabenteilung zwischen den<br />
Geschlechtern;<br />
— fehlende Betreuungseinrichtungen auf<br />
Zeit;<br />
— Nicht-Koordinierbarkeit beruflicher und f a-<br />
milialer Zeitplanungen und Verpflichtungen;<br />
— Ausgrenzung von Eltern und Familien durch<br />
ihre Umwelt;<br />
— Diskriminierung von Eltern und Kindern<br />
durch gesellschaftliche Gruppen, die Kinder<br />
ablehnen;<br />
— Schwierigkeiten beim unmittelbaren Zugang<br />
zu Beratungsinstitutionen und Fachleuten<br />
in Notlagen;<br />
— die nur in Ansätzen vorhandene eigenständige<br />
soziale Sicherung der die Erziehungsund<br />
Versorgungsaufgabe wahrnehmenden<br />
Eltern, die die bisher übliche ungleichwer-<br />
Unter<br />
bewer<br />
tung<br />
familialer<br />
Leistungen<br />
Abzubauende<br />
Defizite