Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
Tabelle X/3<br />
Schüler/innen in Sonderschulen nach Klassentypen und Bundesgebietstypen<br />
in Klassen für<br />
Früheres<br />
Bundesgebiet<br />
Gebiet der<br />
ehemaligen DDR<br />
Körperbehinderte 15 144 6,0 3 920 6,0<br />
Geistigbehinderte 36 988 14,7 850 /,3<br />
Sehgeschädigte 3 358 1,3 854 1,3<br />
Hörgeschädigte 7 581 3,0 2 245 3,4<br />
Sprachbehinderte 22 168 8,8 3 804 5,8<br />
Verhaltensgestörte 15 692 6,2 — —<br />
Sonstige Behinderte 18 298 7,3 1 399 2,1<br />
Lernbehinderte bzw. Hilfsschüler 132 688 52,7 52 416 80,0<br />
insgesamt 251 897 100 65 488 100<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 1990, S. 104f.<br />
fähig' eingestuften behinderten Kinder kamen<br />
in heilpädagogische Sondereinrichtungen (Tagestätten),<br />
während die nicht-behinderten Kinder<br />
aus der Krippe in den Kindergarten überwechselten.<br />
Mit dem Eintritt der Schulpflicht<br />
wurde weiterhin zwischen den ,bildungsfähigen'<br />
und ,bildungsunfähigen' Geschädigten<br />
unterschieden, wobei die Bildungsfähigen vorwiegend<br />
auf die Hilfsschulen verwiesen wurden.<br />
Das ausschlaggebende Kriterium für Bildungsunfähigkeit<br />
war in der Regel das Vorliegen<br />
einer geistigen Behinderung. Dabei wurden<br />
die Auffassungen der Eltern nur ausnahmsweise<br />
berücksichtigt. Die als ,Bildungsunfähige'<br />
definierten Kinder fielen nicht unter die allgemeine<br />
Schulpflicht und blieben in der Regel<br />
bis zur Aufnahme in geschützten Werkstätten in<br />
den Tagesstätten. Deshalb tauchten geistig<br />
Behinderte sowie schwerst- und mehrfach<br />
behinderte Kinder in der Statistik der DDR<br />
kaum auf 20 ).<br />
3.3 Was bedeutet ein behindertes Kind für<br />
eine Familie?<br />
Eltern wünschen sich gesunde Kinder und sind<br />
bereit, fast alles zu tun, wenn die Gesundheit<br />
ihrer Kinder bedroht ist. Viele Frauen nutzen die<br />
Methoden pränataler Diagnostik, um angeborene<br />
Schädigungen schon frühzeitig während<br />
der Schwangerschaft zu erkennen, sei es, um<br />
von der legalen Möglichkeit einer Schwangerschaftsunterbrechung<br />
Gebrauch zu machen<br />
oder aber das behinderte Kind bewußt anzunehmen.<br />
In aller Regel trifft die Feststellung einer<br />
Behinderung die Eltern jedoch unvorbereitet,<br />
sei es unmittelbar nach dem Geburt, sei es<br />
später aufgrund von Krankheiten, Unfällen oder<br />
20 ) Zur Situation der behinderten Kinder in der DDR<br />
bzw. den neuen Bundesländern vgl. Forschungsstelle<br />
. . 1991, Meyners 1992, Pastille 1991, Schneider<br />
1991, Siek 1990, Müller 1993.<br />
erst allmählich sichtbar werdenden Entwicklungsstörungen.<br />
Die entscheidende ärztliche<br />
Diagnose ist für die Eltern ein einschneidendes<br />
und erschütterndes Erlebnis, das die gesamte<br />
Lebenssituation und die bisherigen Zukunftshoffnungen<br />
insbesondere der Mutter — in Frage<br />
stellt. Es wird heute allgemein anerkannt, daß<br />
auch für behinderte Kinder im Regelfalle das<br />
Aufwachsen in der eigenen Familie die beste<br />
Entwicklungsperspektive beinhaltet. Der<br />
Selbstverständlichkeit, mit der Eltern diese Verantwortung<br />
meist übernehmen, entspricht auch<br />
eine Selbstverständlichkeit der sozialen Erwartungen,<br />
ohne daß das Gewicht der damit im<br />
Regelfalle verbundenen Beschwernisse und<br />
Verzichte angemessen gewürdigt wird.<br />
Die Pflege und Erziehung eines schwer behinderten<br />
Kindes stellt eine außerordentliche und<br />
zudem chronische Beanspruchung und Belastung<br />
der ganzen Familie dar. Die Unaufhebbarkeit<br />
der Behinderung und die Entwicklung<br />
des heranwachsenden Kindes stellen die Eltern,<br />
aber auch die eventuellen Geschwister vor ständig<br />
neue Anforderungen, welche zusätzlich zu<br />
den ohnehin erheblichen Anforderungen des<br />
Familienalltags und seinen familienzyklischen<br />
Veränderungen bewältigt werden müssen. Das<br />
hat dazu geführt, daß in den Vereinigten Staaten<br />
und zunehmend auch in Deutschland die<br />
Frage, wie Familien mit diesem Problem und<br />
dem dadurch erzeugten Streß umgehen, zum<br />
exemplarischen Gegenstand der Streßforschung<br />
in Familien geworden ist 21 ). Neben den<br />
emotionalen, zeitlichen und kognitiven Beanspruchungen<br />
durch das behinderte Kind sehen<br />
sich die Familien auch besonderen ökonomischen<br />
Belastungen ausgesetzt, welche nicht<br />
nur aus den erhöhten Kosten des behinderten<br />
Kindes sondern auch und vor allem aus dem<br />
Verzicht auf den Einkommenserwerb durch<br />
21 ) Vgl. als Literaturüberblick Engelbert 1989, sowie<br />
Nippert 1988, Kniel 1988, Bremer-Hübler 1990.<br />
Belastungen<br />
des<br />
Familienalltags