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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

Selbsthil<br />

feinitiati<br />

yen älte<br />

rer Men<br />

schen<br />

Unterstützung von Familien mit alten Angehörigen<br />

und von familialen Pflegeleistungen<br />

bekommen. Hier sollten soziale Netze weiter<br />

ausgebaut oder entwickelt werden, die für<br />

beide Beteiligte einer familialen Unterstützungs-<br />

und Pflegebeziehung die Erfahrungs-,<br />

Handlungs- und Entlastungsmöglichkeiten vergrößern<br />

helfen. Ziel der Förderung solcher<br />

sozialen Netze ist die Erweiterung einer Infrastruktur<br />

der Ergänzung und Unterstützung von<br />

Familien mit hilfsbedürftigen Angehörigen, die<br />

die Eigenständigkeit der Individuen und der<br />

Familien und die Leistung von Familien für ihre<br />

Angehörigen respektiert. Als Teil der vorhandenen<br />

Infrastruktur sind zunächst die Sozialstationen<br />

mit ihren Diensten von größtem Wert für<br />

nicht mehr selbständig lebende alte Menschen.<br />

Dadurch werden in vielen Fällen auch Angehörige<br />

unterstützt. Darüber hinaus gibt es bereits<br />

eine Reihe von sozialen Innovationen teilstationärer<br />

Unterstützung, die den hilfsbedürftig<br />

gewordenen alten Menschen und den ihnen<br />

helfenden Angehörigen mehr Handlungs- und<br />

Entlastungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen<br />

können. Sie erhöhen die Qualität des nahen<br />

sozial-räumlichen Umfeldes von Familien. So<br />

sind in der Vergangenheit Tageskliniken und<br />

-<br />

-pflegeplätze, Ferienplätze in Pflegeheimen,<br />

Kurzurlaube z. B. in Gastfamilien und in Heimen<br />

oder Krankenwohnungen entstanden. Obwohl<br />

sie unmittelbar von den betreuten Menschen<br />

in Anspruch genommen werden, kommen<br />

solche Maßnahmen mittelbar vor allem den<br />

helfenden und pflegenden Angehörigen zugute.<br />

Das gilt umgekehrt genauso bei den<br />

Angehörigengruppen, die es inzwischen an vielen<br />

geriatrischen Einrichtungen gibt.<br />

Unterstützungswürdig sind außerdem Möglichkeiten<br />

der Selbsthilfe von unselbständig(er)<br />

gewordenen alten Menschen. Sie sprechen<br />

nicht direkt die Beteiligten einer familialen<br />

Altenunterstützungsbeziehung an, aber mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit kommt ein Mitmachen<br />

in Selbsthilfeinitiativen älterer Menschen<br />

auch den Angehörigen zugute, die sich für das<br />

Wohlbefinden „ihres" alten Familienmitglieds<br />

verantwortlich fühlen. Die Selbsthilfeinitiativen<br />

sind von Umfang und Aufwand her ganz unterschiedlicher<br />

Art. Es gehören die Telefonketten<br />

dazu, für die es nur eines geringen sozialen und<br />

materiellen Aufwandes bedarf. Es gehören aber<br />

auch Einrichtungen dazu, die größere und große<br />

soziale und materielle Investitionen zur Voraussetzung<br />

haben, so z. B. die Seniorenbüros, in<br />

denen auch Pflegedienste vermittelt werden,<br />

die Altenwohngemeinschaften, in denen leichtere<br />

Unterstützung bei eingeschränkter Fähigkeit,<br />

im Alltag zu „funktionieren", in Frage<br />

kommt sowie die Seniorengenossenschaften, in<br />

denen zu leistende Pflege zu den notwendigen<br />

Solidarleistungen zählt (BMFuS 1992; Geißler<br />

u. a. 1992; MAGFF Baden-Württemberg<br />

1991).<br />

Diese sozialen Innovationen und Modelle im<br />

Bereich solidarischer Altenhilfe und -pflege<br />

stellen im Prinzip eine wichtige Verbesserung<br />

für die Situation von pflegebedürftig gewordenen<br />

alten Menschen und der sie Betreuenden<br />

dar. In der Realität sind sie aber noch nicht<br />

genügend verbreitet. Dafür gibt es verschiedene<br />

Gründe, sei es, daß Haushaltsmittel fehlen,<br />

um sie nach Bedarf einzuführen; daß sie noch<br />

nicht ausreichend der Bedarfslage von Pflegebedürftigen<br />

und Pflegenden entsprechen; daß<br />

sie Teil eines nur schlecht vernetzten Angebots<br />

von Hilfen werden oder sei es, daß sie nicht<br />

genügend innovativ auf die Pflege- und Sozialpolitik<br />

zurückwirken. Hier sucht auch das<br />

Modellprogramm des Bundesministeriums für<br />

Familie und Senioren „Ambulante Dienste für<br />

Pflegebedürftige" Abhilfe zu schaffen (vgl.<br />

Forum Sozialstation 1992; Brandt u. a. 1992).<br />

In den neuen Bundesländern sind die historischen<br />

Bedingungen für die Entwicklung von<br />

Selbsthilfe älterer und alter hilfsbedürftig<br />

gewordener Menschen und ihrer Angehörigen<br />

offensichtlich ganz andere. Nicht nur kann<br />

Selbsthilfe in diesem Bereich nur auf eine<br />

äußerst schmale Tradition zurückgreifen. Sie<br />

kann auch nicht darauf rechnen, daß eine Infrastruktur<br />

institutionalisierter und professionalisierter<br />

Dienste nach bundesrepublikanischen<br />

Maßgaben bereits vorhanden ist (Backaus-<br />

Maul/Olk 1992; Schmähl 1992). Als Modelle<br />

einer zukünftigen Infrastruktur von Familienunterstützung<br />

in den neuen Bundesländern können<br />

die im Aufbau befindlichen Familienzentren<br />

Annaberg und Neustrelitz wirken (vgl.<br />

Kasten S. 195 und IES 1992b, c).<br />

Alle die angesprochenen Mängel und Entwicklungshindernisse<br />

müßten dringend behoben<br />

werden, soll letzlich den Beteiligten einer familialen<br />

Unterstützungs- und Pflegebeziehung<br />

wirksam geholfen werden. Allerdings sollte das<br />

Spektrum der sozialen Innovationen in diesem<br />

Zusammenhang noch erweitert werden. Es sollten<br />

noch weitere Modelle entstehen und verallgemeinert<br />

werden, die die Selbsthilfepotentiale<br />

dieser spezifischen Gruppe von Betreuenden<br />

und alten Betreuten ansprechen und ihnen<br />

einen institutionellen Rahmen ermöglichen. Als<br />

Beispiel dafür kann das Mütterzentrum Salzgitter<br />

(Mütterzentrum Salzgitter o. J./1990) dienen.<br />

Den Weg kollektiver Selbsthilfe im Interesse der<br />

Förderung von familialen Altenpflegebeziehungen<br />

zu gehen, ist alles andere als einfach.<br />

Die Schwierigkeiten, die ihm von den Familienmitgliedern<br />

entgegenstehen, sind vor allem die<br />

besondere Isolation, in die betreuende und<br />

betreute Angehörige oft geraten; die Scham und<br />

die Tabus, die vielfach den Zustand der Unterstützungs-<br />

und Pflegebedürftigkeit im Alter<br />

umgeben; und die Überforderungen, die für<br />

Betreute und Betreuende gleichermaßen auftreten<br />

und die in unwürdigen und unerträglichen<br />

Konflikten enden können. Aber alle Erfahrungen<br />

mit kollektiver Selbsthilfe überhaupt<br />

Besondere<br />

Situation<br />

in den<br />

neuen<br />

Bundesländern<br />

Entwicklung<br />

weiterer<br />

Modelle<br />

erforderlich

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