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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

Erforder<br />

nisse des<br />

Familien<br />

alltags<br />

Die Situa<br />

tion in<br />

den 70er<br />

Jahren<br />

sen und sich vergleichsweise viel leisten konnten<br />

und einer gesicherten Zukunft entgegensehen,<br />

sind diese Jahrgänge im Osten durch das<br />

kommunistische System, das sie zum großen<br />

Teil auch mittrugen und so auch mitzuverantworten<br />

haben, um alles oder sehr vieles<br />

gebracht worden, was letztlich die Grundlage<br />

für Selbstsicherheit und Selbstzufriedenheit im<br />

Alter sein könnte und eine gesellschaftliche<br />

Integration erleichtert. Die jüngeren Jahrgänge<br />

dürften es aus eigener Kraft und eigenem<br />

Selbstbewußtsein schaffen können, eine neue<br />

gesellschaftliche Identität aufzubauen, die Älteren<br />

wohl kaum. Zu rücksichtslos war die „Landnahme"<br />

des Westens und zu betroffen sind<br />

diejenigen, die den Zusammenbruch einer<br />

40jährigen Lebensarbeit in und für die DDR<br />

hinnehmen müssen.<br />

4. Unterschiede im Haushaltsmanagement<br />

in den Familienzyklusphasen<br />

Der Familienalltag in Deutschland bedarf heute<br />

in erster Linie eines Ressourcen-Managements.<br />

Es gilt, die familialen Versorgungs-, Pflege-,<br />

Betreuungs- und Erziehungsleistungen Tag für<br />

Tag vielfach auch rund um die Uhr, nicht selten<br />

nur von Frauen erbracht, über Jahre und Jahrzehnte<br />

hinweg bereitzustellen und auch, wenn<br />

das Haus leer ist, für eventuelle Fälle bereitzuhalten.<br />

Wird diese Organisationsaufgabe für die<br />

Familien und die Gesellschaft nicht erbracht,<br />

zerfällt das Familienleben in verschiedene Formen<br />

des „Single-Daseins", auch dann, wenn<br />

noch eine gemeinsame private Haushaltsführung<br />

besteht.<br />

Im Rückblick auf die letzten 10 bis 20 Jahre<br />

standen diese Aufgaben der tagtäglichen Versorgung<br />

einer Familie in den alten und neuen<br />

Bundesländern unter einem unterschiedlichen<br />

und doch auch vergleichbaren Erwartungs- und<br />

Leistungsdruck.<br />

Während in den alten Bundesländern Mitte der<br />

70er Jahre die Sorgen um die Arbeitsplätze und<br />

damit um ein stetig wachsendes verfügbares<br />

Einkommen, die Umweltbelastungen und<br />

gleichzeitig die Ansprüche an das Konsumniveau<br />

in den Familien bei allen Alters- und<br />

Sozialgruppierungen zunahmen, verfügten die<br />

Familien in der DDR über ein Recht auf einen<br />

Arbeitsplatz für Männer und Frauen, über ein<br />

umfangreiches -<br />

außerhäusliches Versorgungs<br />

und Betreuungsnetz, wenn auch auf einen<br />

vergleichsweise bescheidenen Anspruchsniveau<br />

und durchsetzt mit politischer Indoktrination.<br />

Die Umweltbelastungen waren nur Themen<br />

in oppositionellen Gruppen.<br />

Die Frustrationen und Belastungen in den DDR<br />

Familien wurden verstärkt durch die Ineffizienz<br />

von Wirtschaft und Gesellschaft, die politischen<br />

Schikanen und Verfolgungen und den zunehmenden<br />

Zweifel an der Utopie der Entstehung<br />

der „sozialistischen Persönlichkeit und Gesell-<br />

Schaft" . Die Folge war dort ein zunehmendes<br />

kritisches Bewußtsein und eine wachsende<br />

Bereitschaft, eine Wende der persönlichen und<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen.<br />

Nach der Wende 1990 hat sich in den alten<br />

Bundesländern nur insofern ein Wandel im<br />

Alltag der Familien gezeigt, als sich die Alltagssorgen<br />

um Einkommen, Wohnung, Arbeitsplatz,<br />

Umwelt, Kinder, Kranke und Behinderte<br />

bei gleichbleibenden, mitunter aber auch noch<br />

steigenden Ansprüchen an das Konsumniveau<br />

verstärkten. Höhere Erwartungen an persönliches<br />

Lebensglück, größere Wohnungen, schnellere<br />

Autos, mehr Urlaub, weitere Urlaubsreisen,<br />

mehr Spielzeug und/oder Unterhaltungsausstattung,<br />

längere oder erweiterte Bildungszeiten<br />

bestimmten wie selbstverständlich das Alltagsleben.<br />

Mit diesen Ansprüchen verbundene Erwartungen<br />

an höhere Einkommen und Einkommenstransfers<br />

führen — so diese nicht erreichbar sind<br />

— zu zunehmendem Alltagsstreß und mitunter<br />

auch zu krisenhaften Lebensphasen und Widerstand<br />

gegenüber Solidaritätsmaßnahmen für<br />

Ärmere. Nahezu alle Alters- und Sozialgruppen<br />

sind in diesen Trend der Wachstumserwartungen<br />

eingebunden. Aber immer mehr Menschen<br />

können den Trend zur Steigerung des<br />

Konsumniveaus nicht mehr mithalten. Sie fallen<br />

in das soziale Netz oder gleiten auch in einen<br />

sozialen Ab- statt Aufstieg. Die Alltagserfahrungen<br />

mit Ansprüchen und Anrechten auf soziale<br />

Leistungen haben sich somit deutlich erweitert<br />

und führen auch zu Lebensweisekonzepten, in<br />

welchen diese Leistungen als Rechtsansprüche<br />

miteinkalkuliert werden.<br />

Für die Menschen in den neuen Bundesländern<br />

dagegen war die Erfahrung, ein Sozialhilfeempfänger<br />

oder ein Arbeitsloser zu sein, völlig<br />

neu. Ereignisse dieser A rt wirken dort in hohem<br />

Maße deprimierend und deklassierend. Die<br />

Wende 1990 führte nicht nur zu solchen sozialen<br />

Deprivationen in massenhafter Ausbreitung,<br />

also für viele Menschen und ganze Familien,<br />

sondern sie erzwang zugleich auch eine grundsätzlich<br />

andere Art der Alltagsvorsorge in den<br />

Privathaushalten. Nichts kann zunächst als<br />

gesicherter Versorgungsbestand angesehen<br />

werden.<br />

Die Lebensweisen im Alltag von sozialistischen<br />

Gesellschaften waren — wenn auch auf unterschiedlichem<br />

Versorgungsniveau — geprägt<br />

— durch einen „von oben geregelten" Versorgungsstandard;<br />

— von vergleichsweise vielen gesellschaftlichen<br />

Verpflichtungen und damit verknüpften<br />

unterschiedlichen Privilegien und Zugangschancen<br />

zu Versorgungsgütern;<br />

— von einem niedrigen, stark egalisierten Einkommensniveau<br />

mit mehr oder minder zugeteilten<br />

Güter- und Dienstleistungsangeboten<br />

relativ einheitlicher Massenproduktion;<br />

Die Situation<br />

nach<br />

der<br />

Wende<br />

-<br />

Sozialistischer<br />

Fa<br />

milienall<br />

tag

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