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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Neu- und<br />

Umorien<br />

tierung<br />

erforder<br />

lich<br />

Grenzen<br />

des<br />

Sozial<br />

leistungs<br />

systems<br />

Drucksache 12/7560<br />

Machterwerb und -erhalt für politische Gruppierungen<br />

sich in einer Demokratie übergeordneten<br />

Ansprüchen und Ordnungssystemen der<br />

sozialen Verantwortung und Sittlichkeit zu beugen<br />

haben. Diese Zusammenhänge müssen<br />

gelehrt, gelernt, immer wieder unter neuen<br />

Konstellationen und Entwicklungen erforscht<br />

und politisch zur Diskussion gestellt werden.<br />

Die Einseitigkeit von Teilsystemen der Gesellschaft,<br />

die nur an ihrer eigenen Effizienz orientiert<br />

sind, ist nicht durch Proklamationen auflösbar;<br />

sie ist nur durch Neu- und Umorientierungen<br />

in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu<br />

überwinden, welche zu einer gleichrangigen<br />

gegenseitigen Anerkennung von Wirtschaftsund<br />

Sozialsystemen der Gesellschaft führen.<br />

Dazu scheint die Einsicht in die Schäden, welche<br />

die Werteblindheit einer Ellbogengesellschaft<br />

bereits angerichtet hat, unerläßlich. Aber<br />

wichtiger sind die Aufklärung und das Wecken<br />

der Bereitschaft, sich den neuen Herausforderungen<br />

zu stellen und nicht nur die bereits<br />

angerichteten Schäden zu beseitigen, sondern<br />

die Werteblindheit selbst zu bekämpfen und<br />

abzubauen. Bei der Lösung dieser Aufgabe<br />

kommt den Familien als Vermittler von Werten<br />

außerordentliche Bedeutung zu. Familienpolitik<br />

gewinnt so einen zentralen Rang im Rahmen<br />

einer Politik der Gestaltung gesellschaftlicher<br />

Strukturen, die zugleich das Fundament für den<br />

Wirtschaftsstandort Deutschland sind.<br />

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß in Wissenschaft,<br />

Politik und Wirtschaft das Verständnis<br />

für die Bedeutung der Familie wächst. Dies zeigt<br />

sich nicht nur an zahlreicher werdenden familienorientierten<br />

wissenschaftlichen Veröffentlichungen<br />

und dem zunehmenden Engagement<br />

junger Väter in der Familie, sondern exemplarisch<br />

unter anderem auch in dem jüngst von<br />

Marion Dönhoff, Meinhard Miegel, Wilhelm<br />

Nölling, Edzard Reuter, Helmut Schmidt,<br />

Richard Schröder und Wolfgang Thierse veröffentlichten<br />

Manifest (Marion Dönhoff u. a.,<br />

1992, S. 31f.). In ihm wird eine durchgreifende<br />

Revision politischer Prioritäten zugunsten der<br />

Familienpolitik gefordert.<br />

Neben diesem veränderten Gewicht der Familienpolitik<br />

gelten für die gegenwärtige Familienpolitik<br />

zwei weitere Rahmenbedingungen, die<br />

es angebracht erscheinen lassen, den familienpolitischen<br />

Empfehlungen einige weitere Überlegungen<br />

voranzustellen. Diese Bedingungen<br />

sind<br />

-<br />

1. die gegenwärtig deutlich sichtbaren Grenzen<br />

der Finanzierbarkeit sozialer Leistungen<br />

und<br />

2. unterschiedliche Bedingungskonstellationen<br />

der Familienpolitik in West- und Ostdeutschland.<br />

Schon seit Mitte der 70er Jahre stößt das hochentwickelte<br />

Sozialleistungssystem Deutschlands<br />

auf Expansionsgrenzen. Diese verdienen<br />

um so mehr Beachtung, als die öffentlichen<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

Haushalte in den nächsten Jahren durch Ausgaben<br />

für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,<br />

für den Aufbau in den ostdeutschen Ländern, für<br />

Hilfen an die ost- und südosteuropäischen Staaten,<br />

für die finanziellen Leistungen an die Europäische<br />

Gemeinschaft und für die Hilfen an die<br />

Entwicklungsländer ungewöhnlich stark in Anspruch<br />

genommen werden. Diese Belastungen<br />

sind ein wesentlicher Grund für die von verschiedenen<br />

Seiten erhobene Forderung nach<br />

einer „Wende" in der Sozialpolitik und generell<br />

nach einem finanzpolitischen Sparkurs, von<br />

dem auch die Familienpolitik nicht ausgenommen<br />

werden dürfe.<br />

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß —<br />

wie u. a. in diesem Kapitel gezeigt werden wird<br />

— nicht alle Entwicklungen und Verbesserungen<br />

der Familienpolitik Geld kosten. Auch eine<br />

verbesserte, familienorientierte Raum- und Verkehrsplanung,<br />

eine vermehrte Baulandbereitstellung<br />

von Seiten der Gemeinden und Verbesserungen<br />

der Kooperation zwischen allen Trägern<br />

der Familienpolitik sind Beispiele für Möglichkeiten<br />

des Ausbaus der Familienpolitik.<br />

Gleichwohl ist festzuhalten, daß die Forderung,<br />

auch die Familienpolitik durch Mittelkürzungen<br />

bei den direkten und indirekten Transfers in<br />

die Sparpolitik einzubeziehen, gegen wesentliche<br />

Prinzipien bzw. Merkmale einer zielgerichteten<br />

Familienpolitik verstößt. Dazu gehören:<br />

1. das Prinzip der Verläßlichkeit;<br />

2. eine zeitraumbezogene, systemumfassenden<br />

Strategie, d. h. eine Strategie, die langfristig<br />

angelegt ist, die für die Familie relevanten<br />

Politikbereiche übergreifend aufeinander<br />

abstimmt und im Rahmen eines nach Prioritäten<br />

geordneten Stufenplanes konsequent<br />

auf das familienpolitische Zielsystem bezogen<br />

ist;<br />

3. das Prinzip der Orientierung an einem möglichst<br />

widerspruchsfreien Zusammenhang<br />

von familienpolitischen Zielen, Grundsätzen<br />

und zielkonformen Institutionen und Maßnahmen;<br />

4. das Prinzip der Effizienz des Trägersystems<br />

der Familienpolitik.<br />

Das Prinzip der Verläßlichkeit der Familienpolitik<br />

läßt sich völlig analog zu dem von Walter<br />

Eucken postulierten Prinzip der Konstanz der<br />

Wirtschaftspolitik begründen (Eucken 1952,<br />

S. 285 ff.). Eine instabile, diskontinuierliche<br />

Wirtschaftspolitik wirkt einer Verstetigung des<br />

wirtschaftlichen Verhaltens und einer stetigen<br />

Wirtschaftsentwicklung entgegen, weil sie Unsicherheit<br />

und Irritationen bewirkt und Vertrauen<br />

zerstört. Eine instabile, inkonstante<br />

Familienpolitik wird Zweifel hinsichtlich der<br />

mittel- und langfristigen Verläßlichkeit der wirtschaftlichen<br />

und sozialen Rahmenbedingungen<br />

wecken, die für die Geburt, die Versorgung und<br />

die Erziehung von Kindern, für die partnerschaftlichen<br />

Beziehungen zwischen den Eltern<br />

Prinzipien<br />

einer ziel<br />

gerichte<br />

ten Familienpolitik<br />

Verläß<br />

lichkeit

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