27.02.2014 Aufrufe

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

Definition<br />

von Be<br />

hinderung<br />

Bedeutung<br />

der<br />

Früherkennung<br />

Behinder<br />

tenstatisti<br />

ken<br />

3.1 Was bedeutet und wie verbreitet ist<br />

Behinderung?<br />

Behindert sind Menschen, die aufgrund einer<br />

dauerhaften Schädigung ihrer Gesundheit in<br />

bezug auf die Führung eines ihrem Lebensalter<br />

entsprechend selbständigen Lebens beeinträchtigt<br />

sind und daher mit bezug auf die<br />

typischen Chancen der Beteiligung an gesellschaftlichem<br />

Leben Nachteile hinnehmen müssen.<br />

Hilfe für Behinderte können sich demzufolge<br />

entweder auf die Reduktion der gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen (medizinische<br />

Rehabilitation) oder auf die Reduktion der Behinderungen<br />

der Lebensführung und die Verbesserung<br />

der Teilhabechancen am gesellschaftlichem<br />

Leben (soziale Rehabilitation)<br />

richten.<br />

Behinderung ist kein eindeutig objektivierbarer<br />

Tatbestand, sondern eine Frage der Wahrneh-<br />

-<br />

mung, Einschätzung und Definition. Insbesondere<br />

im Falle angeborener oder frühkindlich<br />

erworbener Behinderungen neigen Eltern oft<br />

dazu, Entwicklungsstörungen nicht rechtzeitig<br />

wahrzunehmen und dadurch eine häufig erfolgreiche<br />

frühzeitige Behandlung zu verzögern.<br />

Sowohl in der alten Bundesrepublik als auch in<br />

der ehemaligen DDR war und ist es deshalb<br />

Aufgabe der mit Schwangerschaft, Geburt und<br />

Kindbetreuung befaßten Ärzte, Behinderungsrisiken<br />

frühzeitig zu erkennen und einer Behandlung<br />

zuzuführen. Das setzt allerdings von<br />

seiten der Eltern die Bereitschaft zu Beteiligung<br />

an den entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen<br />

und bei den Ärzten entsprechende Sachkenntnis<br />

und Beratungsbereitschaft voraus. Vor<br />

allem im frühen Kindesalter sind die Übergänge<br />

zwischen bloßen Entwicklungsverzögerungen<br />

und risikobehafteten Entwicklungsstörungen<br />

fließend und nicht leicht zu unterscheiden.<br />

Lediglich die Schädigungen einzelner Organe<br />

(Blindheit, Taubheit, Schädigungen des Bewegungsapparates)<br />

lassen sich relativ eindeutig<br />

diagnostizieren, doch gehen auch diese nicht<br />

selten mit weiteren Behinderungen einher<br />

(Mehrfachbehinderungen). Schwierig ist nicht<br />

zuletzt die Situation von schwach behinderten<br />

Kinden mit sogenannten leichten cerebralen<br />

Dysfunktionen, deren Auffälligkeiten vielfach<br />

nicht als Behinderung erkannt werden. Sie<br />

gelten dann häufig als verhaltensgestört und<br />

werden von ihrer Umgebung ausgegrenzt und<br />

trotz oft hoher Intelligenz nicht zureichend gefördert.<br />

Ärztliche Diagnosen werden somit erst mit fortschreitendem<br />

Lebensalter präziser, sie bilden<br />

aber in der Regel lediglich die Voraussetzung<br />

für die Anerkennung und Definition einer<br />

Behinderung. Die wichtigsten Definitoren von<br />

Behinderungen sind die Einrichtungen, welche<br />

Hilfen für Behinderte gewähren (Versorgungsämter,<br />

Sozialämter, Schulen für Behinderte und<br />

sonstige Fördereinrichtungen). Jede dieser Einrichtungen<br />

kennt ihre eigenen Klassifikationen,<br />

die in der Regel nicht direkt miteinander ver<br />

gleichbar sind. Dementsprechend variieren<br />

auch die Schätzungen über den Anteil der Behinderten<br />

an bestimmten Altersgruppen (Behindertenquoten)<br />

erheblich. Die bekannteste<br />

Behindertenstatistik entsteht aus den Daten der<br />

Versorgungsämter, die laut Schwerbehindertengesetz<br />

alle zwei Jahre veröffentlicht werden<br />

müssen. Legt man diese Daten zugrunde, so<br />

waren z. B. in Nordrhein-Westfalen im Jahre<br />

1989 0,47 % aller Kinder im Alter bis zu vier<br />

Jahren schwer behindert (Grad der Behinderung<br />

mindestens 50 %), bei den vier- bis sechsjährigen<br />

waren es 0,97 % und bei den sechs- bis<br />

fünfzehnjährigen 1,12 % (Wiegand 1992). Es<br />

erscheinen aber nur diejenige Kinder in der<br />

Schwerbehindertenstatistik, deren Eltern den<br />

Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis<br />

für ihre Kinder gestellt haben, der nach den von<br />

den Versorgungsämtern verwendeten Kriterien<br />

anerkannt wurde. Nach Angaben der Sozialhilfeträger<br />

läßt sich für Vorschulkinder eine Behinderungsquote<br />

von 2 % berechnen. Unter gleichzeitiger<br />

Berücksichtigung aller verfügbaren<br />

Einrichtungsstatistiken und nach Bereinigung<br />

von Doppelzählungen schätzt Engelbert (1991)<br />

den Anteil behinderter Vorschulkinder in Nordrhein-Westfalen<br />

auf 2,96 %. Zu einer ähnlichen<br />

Schätzung gelangt Schneider für die DDR.<br />

Angesichts des Umstandes, daß die Behindertenquoten<br />

der Schulkinder tendenziell höher<br />

liegen als die der Vorschulkinder stellt es eine<br />

vorsichtige Schätzung dar, wenn — ausgehend<br />

von 3 % behinderten und entwicklungsverzögerten<br />

Kindern — die Gesamtzahl der in der<br />

alten Bundesländern behinderte Kinder betreuenden<br />

Familien auf derzeit 350 000 geschätzt<br />

wird.<br />

3.2 Die Prävalenz von Behinderungen in den<br />

alten und neuen Bundesländern<br />

Anhand der Sonderschulstatistik lassen sich die<br />

Häufigkeiten von Behinderungen im früheren<br />

Bundesgebiet und der DDR vergleichen (vgl.<br />

Tabelle X/3).<br />

In der DDR ergaben sich hinsichtlich der Anteile<br />

der Körperbehinderten nahezu identische<br />

Werte wie in den alten Bundesländern. Dagegen<br />

wurden Geistigbehinderte und Verhaltensgestörte<br />

kaum ausgewiesen, und auch der<br />

Anteil der ,sonstigen Behinderten' (vermutlich<br />

vor allem mehrfach Behinderte) war deutlich<br />

geringer. Dies verweist auf die unterschiedliche<br />

Behandlung schwerbehinderter Kinder in der<br />

DDR: bereits im Übergang zum Kindergartenalter<br />

unterschied das Rehabilitationssystem der<br />

DDR zwischen „förderungsfähigen" und „förderungsunfähigen<br />

psychisch-physisch Geschädigten".<br />

Die letztgenannte Gruppe schwerbehinderter<br />

Kinder, die intensiver Pflege bedürften,<br />

erhielten keine weitere Förderung und<br />

wurden entweder von ihrer Familie oder von<br />

stationären Einrichtungen in häufig kirchlicher<br />

Trägerschaft übernommen. Die als ,förderungs-<br />

Behinderte<br />

in<br />

der DDR

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!