Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Tenden<br />
zen zur<br />
Benachtei<br />
ligung<br />
junger<br />
Frauen in<br />
der DDR<br />
Drucksache 12/7560<br />
Gewiß ist nicht zu übersehen, daß im Laufe des<br />
Bestehens der DDR die beim Zusammenbruch<br />
vorgefundenen strukturellen Bedingungen erst<br />
schrittweise erreicht werden konnten. Ohne<br />
Zweifel haben die verschiedenen Frauenkohorten<br />
jeweils sehr unterschiedliche Bedingungen<br />
für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit<br />
vorgefunden. Gleichwohl wurden<br />
Frauen während der Aufbauphase über Fördermaßnahmen<br />
Qualifikationsmöglichkeiten zu<br />
großzügigen Bedingungen angeboten. Die<br />
Möglichkeit, in leitende Tätigkeit bzw. bis<br />
dahin für Frauen untypische Berufe Eingang<br />
finden zu können, erschien vielen als optimal.<br />
Dennoch war die Betreuung der Kinder problematisch.<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen wurden<br />
erst aufgebaut, die Betreuung von Kleinkin<br />
dern, aber auch von Schulkindern war in den<br />
ersten 10 Jahren der DDR vielfach nur durch<br />
private Regelungen zu sichern. Daraus entwikkelte<br />
sich die wachsende Forderung nach dem<br />
Ausbau von Betreuungseinrichtungen, aber<br />
ebenfalls — nicht zuletzt infolge der ständigen<br />
Mangelwirtschaft — die nach Verbesserung<br />
anderer Dienstleistungssysteme. Erst Anfang<br />
der achtziger Jahre erreichte die DDR ihren<br />
höchsten Versorgungsgrad an Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />
insbesondere auch für<br />
Kleinkinder, sowie den höchsten Versorgungsgrad<br />
an gesellschaftlicher Speisenwirtschaft<br />
(Gemeinschaftsverpflegung) aller sozialistischen<br />
Länder.<br />
Zu registrieren sind gleichfalls die Nachteile<br />
dieser Entwicklung. Die Kleinkinder waren<br />
häufig krank, das Ansteigen der Fehlzeiten der<br />
Mütter signalisierte eine nicht zu bewältigende<br />
Last für die Gesellschaft. Es folgten neue „sozialpolitische<br />
Maßnahmen" , die es den Müttern<br />
ermöglichten, ein Jahr bzw. eineinhalb Jahre je<br />
Kind bei Zahlung von Mütterunterstützung die<br />
Pflege ihrer Kinder zu übernehmen und erst<br />
danach zu ihren Arbeitsplätzen zurückzukehren.<br />
Doch auch diese Maßnahmen zeigten<br />
Nebenerscheinungen. Die Beschäftigung von<br />
Frauen, ganz besonders die von kochqualifizierten,<br />
stellte wegen der absehbaren Fehlzeiten<br />
ein Risiko für die Betriebe dar.<br />
Offiziell wurde zwar kein Gesetz geändert,<br />
keine Rücknahme von Vergünstigungen bekanntgegeben.<br />
Allmählich wurden aber die<br />
Leistungsanforderungen für Jungen bei Bewerbungen<br />
an Oberschulen, Fach- und Hochschulen<br />
sowie für bestimmte Berufe gegenüber<br />
denen der Mädchen herabgesetzt. In den<br />
Betrieben, wo schon längst gut dotierte interessante<br />
Arbeitsangebote knapper wurden, zog<br />
man männliche Bewerbungen denjenigen von<br />
noch im gebärfähigen Alter befindlichen<br />
Frauen vor; bei möglichen Aufstiegschancen<br />
wurden sie ebenfalls begünstigt. So spürten die<br />
jüngeren Frauenkohorten schon deutlich die<br />
Nachteile der Festschreibung der ihnen zugedachten<br />
familialen Vergünstigungen. Auch hier<br />
war also ein Spannungsfeld entstanden, welches<br />
bei Fortbestehen der DDR zu erheblichen<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
Konflikten hätte führen können. Dennoch war<br />
bislang noch die Idee, daß ihnen die erforderlichen<br />
Bedingungen für eine Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie zu gewährleisten seien, für<br />
die jüngeren Frauengenerationen eine Selbstverständlichkeit.<br />
Mehr und mehr hatte sich das<br />
Problembewußtsein der individuellen Verantwortung<br />
für die Vereinbarkeit in den Familien<br />
verringert und sich in einen Anspruch umgewandelt,<br />
den man dem Staat gegenüber geltend<br />
machte. Nachdem mit der Wiedervereinigung<br />
die individuelle Leistungskraft der Familien<br />
wieder einen völlig anderen gesellschaftlichen<br />
Stellenwert erlangt hat, sind gerade die jüngeren<br />
Familien in einen Prozeßablauf geraten, der<br />
von ihnen Anpassungsleistungen verlangt, die<br />
nicht ohne erhebliche Stützung auch der<br />
Lebensbiographie geleistet werden können.<br />
Bei den gegenwärtig (1993) zu beobachtenden<br />
erschwerten Zugangsmöglichkeiten zur außerhäuslichen<br />
Kinderbetreuung, aber auch bei<br />
anderweitig wirksam gewordenen — häufig<br />
durch arbeitsmarktbedingte Entmutigungseffekte<br />
herbeigeführten — Anlässen, während<br />
-<br />
der Phase der Kindererziehung die Erwerbstätigkeit<br />
zu unterbrechen, stellt sich für die Frauen<br />
in den neuen Bundesländern das — für die alten<br />
Bundesländer bereits diskutierte — grundsätzliche<br />
Problem der Wiedereingliederung in<br />
zumindest gleicher Schärfe.<br />
Eine über den Freistellungsanspruch hinausgehende<br />
Unterbrechung der Erwerbstätigkeit gab<br />
es in der DDR nicht in nennenswertem Umfang.<br />
Deshalb bestehen dort weniger konkrete individuelle<br />
Erfahrungen hinsichtlich der zu erwartenden<br />
Schwierigkeiten bei der Absicht von<br />
Frauen, sich nach einer Pause wieder in den<br />
Arbeitsmarkt einzugliedern. Gleichwohl zeichneten<br />
sich bereits zu DDR-Zeiten die aus Westdeutschland<br />
bekannten Tendenzen (Engelbrech<br />
1987, 1989) der Dequalifikation ab, die zu<br />
einem inadäquaten beruflichen Einsatz bzw.<br />
beruflichem Abstieg bei der Wiederaufnahme<br />
der Erwerbstätigkeit führten.<br />
Die gegenwärtig im Mütterjahr oder Erziehungsurlaub<br />
befindlichen Frauen sind ebenso<br />
häufig wie andere arbeitsuchende Frauen<br />
bereit, eine weniger interessante Tätigkeit, zusätzliche<br />
Ausbildung zur Verbesserung der<br />
Berufschancen und eine anstrengendere Tätigkeit<br />
als bisher aufzunehmen (Engelbrech 1993).<br />
Eine wesentliche Restriktion ihrer Wahl besteht<br />
darin, daß sie wegen ihrer Kleinkinder nur in<br />
deutlich geringerem Maße als andere arbeitsuchende<br />
Frauen eine Tätigkeit übernehmen können,<br />
die mit längeren Wegezeiten verbunden<br />
ist.<br />
So zeigt sich gegenwärtig folgendes Bild:<br />
— Im Vergleich zum Westen ist die Zahl wieder<br />
eingegliederter Frauen gering.<br />
— Ihre Wiedereingliederung vollzog sich —<br />
zumindest im Herbst 1991 — stärker in<br />
unteren Einkommensklassen; diese Frauen<br />
Aktuelle<br />
Probleme<br />
bei der<br />
Wieder<br />
eingliede<br />
rung