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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

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milien<br />

politik<br />

Gründung von Familien gefördert. Neben der<br />

Kinderbetreuung waren auch die vielfältigen<br />

Leistungen des Gesundheitswesens unentgeltlich.<br />

Zudem wurden die Preise der Produkte des<br />

Grundbedarfs (Wohnung, Nahrung etc.) durch<br />

staatliche Preisvorschriften niedrig gehalten, so<br />

daß insgesamt die ökonomische Situation<br />

gerade der einkommensschwächeren Haushalte<br />

durch die Ankunft von Kindern nicht<br />

wesentlich verschlechtert wurde. Wenngleich<br />

auf einem insgesamt deutlich niedrigen Durchschnittsniveau<br />

der Versorgung war somit die<br />

Situation der Haushalte mit Kindern relativ zu<br />

denjenigen der kinderlosen Haushalte wesentlich<br />

günstiger als in der alten Bundesrepublik.<br />

Die umfassende Förderung der Belange junger<br />

Frauen seit Mitte der 70er Jahre schlug sich<br />

auch in einer deutlich erhöhten Geburtenhäufigkeit<br />

nieder.<br />

Aus diesem hier natürlich nur summarisch vorgeführten<br />

Vergleich ergibt sich, daß es nicht auf<br />

das absolute Versorgungsniveau, sondern auf<br />

die relative Stellung der Familien mit Kindern<br />

im Verhältnis zu den Kinderlosen ankommt,<br />

wenn wir die struktuelle Rücksichtslosigkeit<br />

einer Gesellschaft gegenüber der Familie beurteilen<br />

wollen. Diese relative Stellung ist jedoch<br />

in einer Gesellschaft, die sich gegenüber dem<br />

Tatbestand der Elternverantwortung weitgehend<br />

indifferent verhält und einen einseitig<br />

individualistischen Lebensstil fördert, notwendigerweise<br />

ungünstiger als in einem zentral<br />

geleiteten Wirtschaftssystem, das weniger leistungs-<br />

als bedarfsorientiert ist. Da in der Bundesrepublik<br />

auch das soziale Sicherungssystem<br />

— mit Ausnahme der bedarfsorientierten und<br />

damit familienfreundlichen gesetzlichen Krankenversicherung<br />

— in seinen Leistungen am<br />

Individuallohn orientiert ist, erscheint hier die<br />

Notwendigkeit einer eigenständigen, umfassenden<br />

Familienpolitik von besonderer Dringlichkeit.<br />

Der Institutionalisierung und Fortentwicklung<br />

einer kohärenten, umfassenden Familienpolitik<br />

stehen in der Bundesrepublik jedoch charakteristische<br />

Hindernisse entgegen:<br />

— Die familienpolitisch relevanten Kompetenzen<br />

sind auf Bund, Länder und Kommunen<br />

verteilt, so daß einer zentralen Steuerung der<br />

Familienpolitik, wie sie für die DDR charakteristisch<br />

war, verfassungsmäßige Schranken<br />

gesetzt sind. Die Entwicklung der Familienpolitik<br />

in der Bundesrepublik muß notwendigerweise<br />

den Bund, die Länder und<br />

die Kommunen einbeziehen.<br />

— Auch auf der Ebene des Bundes erscheint es<br />

praktisch unmöglich, die Kompetenzen für<br />

familienfördernde Maßnahmen in einem<br />

einzigen Ministerium zu konzentrieren. Die<br />

Ausgestaltung des Familienrechts, des Arbeitsrechts,<br />

des Steuerrechts, des Rechts der<br />

sozialen Sicherung, die Steuerung des sozialen<br />

Wohnungsbaus und die Ausgestaltung<br />

des Wohngeldes, die Berücksichtigung fami<br />

lialer Belange im Bildungs- und Gesundheitswesen<br />

usw. sind für die Lebenslage der<br />

Familien mindestens ebenso wichtig wie die<br />

ausschließlich an familialen Belangen orientierten<br />

Leistungen des Kinder- oder Erziehungsgeldes.<br />

Ein Abbau der strukturellen<br />

Rücksichtslosigkeit der Politik gegenüber<br />

Familien setzt in erster Linie voraus, daß<br />

familiale Belange auch in den Politikbereichen<br />

stärker berücksichtigt werden, die primär<br />

ganz andere Zielsetzungen verfolgen.<br />

— Der Umstand, daß die Lebensverhältnisse<br />

der Familien in einer komplexen Gesellschaft<br />

notwendigerweise von vielfältigen<br />

Bedingungen abhängig sind, die den direkten<br />

Einflußbereich des Staates überschreiten,<br />

läßt die Einbeziehung nichtstaatlicher<br />

Akteure, insbesondere der Tarifparteien,<br />

in die familienpolitische Verantwortung<br />

unverzichtbar erscheinen. Diese Vorstellung<br />

ist aber bisher nur von wenigen<br />

einsichtigen Persönlichkeiten auf der Arbeitgeber-<br />

und Gewerkschaftsseite akzeptiert<br />

und bestimmt in keiner Weise das Handeln<br />

der Tarifparteien.<br />

Angesichts dieser für eine freiheitliche Gese ll<br />

unvermeidlichen Vielfalt der potentiellen -schaft<br />

Träger von Familienpolitik erscheint es um so<br />

wichtiger, wenigstens gedanklich den notwendigen<br />

Zusammenhang einer umfassenden Familienpolitik<br />

herzustellen. Eben hierin sieht die<br />

Sachverständigenkommission eine zentrale<br />

Aufgabe (vgl. Kapitel XI). Die Zersplitterung der<br />

Kompetenzen ist also kein Argument gegen<br />

eine umfassende familienpolitische Konzeption,<br />

sondern ein Argument für ihre Dringlichkeit.<br />

Ohne umfassende Konzeptionen können die<br />

potentiellen Akteure überhaupt nicht erkennen,<br />

wie sich ihr möglicher Beitrag in einem Verhältnis<br />

zu anderen Beiträgen zur Familienpolitik<br />

befindet. Indem die Kommission ihre Empfehlungen<br />

an die verschiedensten Akteure richtet,<br />

versucht sie, wenigstens ansatzweise ein Bewußtsein<br />

dafür zu schaffen, daß nur durch die<br />

kombinierte Initiative vieler und auf verschiedenen<br />

Ebenen Prozesse in Gang gesetzt werden<br />

können, welche der sich vergrößernden strukturellen<br />

Rücksichtslosigkeit unserer Gesellschaft<br />

gegenüber Familien Einhalt gebieten.<br />

Wie jedem politikbezogenen Denken liegen<br />

auch den Überlegungen und Empfehlungen der<br />

<strong>Familienbericht</strong>skommission bestimmte Grundvorstellungen<br />

normativer und faktischer Art<br />

zugrunde. Sie bestimmen die Wahl der Themen<br />

und die Gewichtung der Argumente. Sie seien<br />

hier abschließend thesenförmig zusammengefaßt:<br />

1. Moderne Gesellschaften zeichnen sich<br />

durch das Zusammenwirken von strukturell<br />

verselbständigten, auf bestimmte Aufgaben<br />

oder Funktionen spezialisierte Teilsysteme<br />

wie Politik, Wirtschaft, Rechtspflege, Wissenschaft,<br />

Religion, Massenmedien, Bildungs-<br />

und Gesundheitswesen aus. Auch<br />

Dringlichkeit<br />

einer<br />

umfassen<br />

den Familienpolitik<br />

-<br />

Grundvorstellungen<br />

der Be<br />

richtskom<br />

mission

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