Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Lebens<br />
verhält<br />
nisse ostdeutscher<br />
Frauen<br />
Rolle der<br />
Familie in<br />
der DDR<br />
hältnisse, doch beruhten die Regelungen auf<br />
der Erwartung, daß durch die Übernahme der<br />
westlichen Rechtsordnung und der mit ihr verbundenen<br />
Strukturen und Einrichtungen die<br />
Bedingungen für eine rasche Angleichung der<br />
Lebensverhältnisse geschaffen werden könnten.<br />
Der unqualifizierte Traum von der kostenlosen<br />
Einheit, welche im Sinne eines erneuerten Fortschrittsoptimismus<br />
der Nachkriegszeit den Prozeß<br />
der Einigung zunächst begleitet hat, ließ ein<br />
erhebliches Enttäuschungspotential entstehen,<br />
von dem die privaten Lebensverhältnisse insbesondere<br />
der Frauen in den neuen Bundesländern<br />
nachhaltig betroffen sind. An die Stelle der<br />
zwar bescheidenen und unfreien, aber insgesamt<br />
überschaubaren und gesicherten Lebensverhältnisse<br />
in der DDR ist aus der Sicht der<br />
einzelnen eine unüberschaubare Dynamik getreten,<br />
deren Wirkungen auf die privaten<br />
Lebensverhältnisse meist unerwartet und in<br />
unkoordinierter Weise durchschlagen. Große<br />
Teile der Bevölkerung haben ihren bisherigen<br />
Arbeitsplatz verloren, und der überproportionale<br />
Anteil der Frauen unter den Arbeitslosen<br />
zeigt, daß Frauen vorrangig von den Freisetzungsprozessen<br />
betroffen wurden und schwerer<br />
eine neue Beschäftigung im entstehenden privatwirtschaftlichen<br />
Sektor finden. Zudem entfallen<br />
im Zuge der Umstrukturierung zahlreiche<br />
öffentliche Betreuungs- und Versorgungsleistungen<br />
für Kinder und Jugendliche, die nunmehr<br />
wieder der Familie — und d. h. praktisch<br />
vor allem den Frauen — überantwortet werden.<br />
Ferner haben sich die Erwartungen an die<br />
erzieherische Leistung der Familie gesteigert,<br />
ohne daß überzeugende kulturell-moralische<br />
Leitbilder verfügbar sind. Neben der Verunsicherung<br />
durch die rechtlichen und ökonomischen<br />
Veränderungen tritt ein hoher Grad an<br />
Orientierungslosigkeit auf, der sich auch in<br />
einer Zunahme abweichender Verhaltensweisen,<br />
vor allem bei den Jugendlichen, äußert.<br />
Denn für die Jugendlichen sind die biographischen<br />
Selbstverständlichkeiten ebenfalls geschwunden.<br />
Wo früher ein omnipotenter Staat<br />
über das schulische und berufliche Fortkommen<br />
weitgehend entschied, entscheiden nunmehr<br />
eigene Initiative, familiale Unterstützung und<br />
die Mechanismen der Konkurrenz über die<br />
Zukunftschancen.<br />
In der DDR wurde im Laufe der Jahre der ganz<br />
überwiegende Teil der Aufbringungskosten der<br />
nachwachsenden Generation vom Staat übernommen.<br />
Zwar spielte die Familie in der DDR<br />
dennoch eine erhebliche Rolle als Ort zwischenmenschlicher<br />
Verläßlichkeiten, gegenseitiger<br />
Hilfe und in der Freizeitgestaltung. Aber dies<br />
geschah weitgehend gegen die Intentionen des<br />
herrschenden Systems, das den Einfluß der<br />
Familie auf die nachwachsende Generation<br />
zurückzudrängen suchte. Der dortige Umbruch<br />
der familialen Lebensverhältnisse infolge der<br />
Übertragung der institutionellen Ordnung der<br />
Bundesrepublik macht auch für die alten Bun<br />
desländer erst das Ausmaß bewußt, in dem der<br />
familiale Bereich zum gesamtgesellschaftlichen<br />
Funktionszusammenhang beiträgt. Gleichzeitig<br />
deuten vielfältige Entwicklungen darauf hin,<br />
daß die familialen Leistungen in Ost und West<br />
ihre biographische Selbstverständlichkeit verlieren.<br />
Trotz ihrer wesentlich größeren Bedeutung galt<br />
in der alten Bundesrepublik die Familie stets als<br />
Privatsache. So erklärte noch 1976 das Bundesverfassungsgericht:<br />
„Pflege und Erziehung der<br />
Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und<br />
die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Die<br />
individuelle, auch finanzielle Verantwortung<br />
der Eltern für ihre Kinder läßt die volle steuerliche<br />
Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen<br />
zu Lasten der Allgemeinheit und der<br />
Gesamtheit der Steuerzahler verfassungsrechtlich<br />
als nicht geboten erscheinen" (BVerfGE 43,<br />
121). Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, auf<br />
den hier Bezug genommen wird, unterscheidet<br />
sich in charakteristischer Weise von den entsprechenden<br />
Formulierungen der Weimarer<br />
Reichsverfassung, wo es im Artikel 119 hieß:<br />
„Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens<br />
und der Erhaltung und Vermehrung der<br />
Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung<br />
... Die Reinerhaltung, Gesundung und<br />
soziale Förderung der Familie ist Aufgabe des<br />
Staats und der Gemeinden. " Unter dem Eindruck<br />
der rassistischen Familien- und Bevölkerungspolitik<br />
des Dritten Reiches betonte dagegen<br />
das Grundgesetz den privaten Charakter<br />
der Familie in exklusiver Weise. Immer mehr<br />
tritt jedoch ins Bewußtsein, daß Menschen, die<br />
eine Familie gründen, damit keinem privaten<br />
Hobby fröhnen, sondern bedeutende gesellschaftliche<br />
Leistungen erbringen, denen keine<br />
entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen.<br />
So hat auch das Bundesverfassungsgericht<br />
in jüngster Zeit durch eine Reihe von<br />
bestehenden Entscheidungen Richtpunkte für<br />
eine stärkere politische und gesellschaftliche<br />
Anerkennung familialer Leistungen gesetzt.<br />
Schon das am 1. Januar 1986 in Kraft getretene<br />
Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenen<br />
rente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten<br />
(Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz<br />
vom 11. Juli 1985,<br />
BGBl I, S. 1450) ist vom Gesetzgeber verabschiedet<br />
worden, weil er vom Bundesverfassungsgericht<br />
durch Entscheidung vom 12. März<br />
1975 (BVerfGE 39, 169) verpflichtet worden<br />
war, mit der Verfassung nicht vereinbare Ungerechtigkeiten<br />
auszugleichen. In einer Entscheidung<br />
vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) hat dieses<br />
Gericht den Gesetzgeber erneut verpflichtet,<br />
einen auf die Dauer mit der Verfassung nicht<br />
vereinbaren Mangel des Rentensystems aufzuheben;<br />
das Gericht hält es mit der Verfassung<br />
unvereinbar, daß diejenigen, die durch Kindererziehung<br />
dazu beitragen, daß später die Rentenkassen<br />
gefüllt werden, weit weniger Rentenanwartschaften<br />
erzielen als diejenigen, die<br />
keine Kinder erziehen. Dieser Mangel müsse<br />
Die Familie<br />
in der<br />
Bundesrepublik<br />
Familienpolitisch<br />
bedeutsame<br />
Ent<br />
scheidun<br />
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Bundes<br />
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