Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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Drucksache 12/7560<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />
Der Suchtprävention mißt die Bundesregierung größere<br />
Bedeutung bei, als dies im Bericht dargestellt<br />
wird. Die Gesundheitspolitik der Bundesregierung<br />
zielt seit langem darauf ab, Hilfe für die Betroffenen,<br />
aber auch deren Angehörige zu geben. Süchtige sind<br />
Kranke, die Anspruch auf Hilfe, medizinische<br />
Behandlung und Rehabilitation haben. Der Nationale<br />
Rauschgiftbekämpfungsplan legt fest, ein flächendeckendes<br />
Beratungs- und Behandlungsangebot für<br />
Drogenabhängige auszubauen. Der Bund initiiert entsprechend<br />
seiner Verantwortung Modelle mit unterschiedlichem<br />
Profil und setzt dabei den Schwerpunkt<br />
auf die niedrigschwelligen Angebote, um besonders<br />
die Gruppe der langjährig Abhängigen mit schweren<br />
Sozialisationsschäden oder die mit mehreren abgebrochenen<br />
Therapieversuchen zu erreichen. Bei allen<br />
therapeutischen Hilfen tritt die Berücksichtigung der<br />
Familie immer stärker in den Vordergrund. Diesen<br />
Prozeß gilt es künftig noch mehr zu fördern.<br />
Zur Darstellung der Prävalenz unterschiedlicher<br />
Suchtformen in den alten und neuen Ländern liegen<br />
aktuelle Daten einer im Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Gesundheit durchgeführten Repräsentativerhebung<br />
zum Konsum und Mißbrauch von illegalen<br />
Drogen, alkoholischen Getränken, Medikamenten<br />
und Tabakwaren vor. Sie wurde 1990 in Wiederholung<br />
in den alten Ländern und 1992 in den neuen<br />
Ländern durchgeführt.<br />
Die Darstellung der ambulanten Versorgung in der<br />
DDR durch Polikliniken und Ambulatorien im <strong>Familienbericht</strong><br />
muß um einige wesentliche Aspekte<br />
ergänzt werden. Als Teil des verstaatlichten, zentralisierten<br />
und durch planwirtschaftliche Strukturen<br />
geprägten Gesundheitswesens der DDR waren die<br />
Polikliniken und Ambulatorien durchweg gekennzeichnet<br />
durch eine unzureichende technische und<br />
materielle Ausstattung sowie durch eine ständige<br />
Verschlechterung des Bauzustands. Für die Patienten<br />
bedeutete die ambulante Versorgung ausschließlich<br />
durch Polikliniken und Ambulatorien eine Einschränkung<br />
der freien Arztwahl. Die Frage, von welchem<br />
Arzt man behandelt wurde, war vom Dienstplan der<br />
Poliklinik abhängig. Ein weiterer Nachteil waren die<br />
fehlenden Anreize für die in diesen Einrichtungen<br />
tätigen Ärzte, da sie unabhängig von ihrem Einsatz für<br />
die Patienten als staatliche Angestellte gleich bezahlt<br />
wurden.<br />
Die im Bericht herausgestellten positiven Aspekte der<br />
ambulanten Versorgung durch Polikliniken und<br />
Ambulatorien in der DDR können weitgehend auch in<br />
den jetzigen Strukturen, nämlich durch Gemeinschaftspraxen,<br />
Ärztehäuser und Gesundheitszentren<br />
geleistet werden (z. B. fachübergreifende Be treuung,<br />
ortsnahe Versorgung, Verzahnung von ambulanter<br />
und stationärer Versorgung, Prävention, hausärztliche<br />
Betreuung). Im übrigen wurde durch das Gesundheitsstrukturgesetz<br />
festgelegt, daß die bestehenden<br />
Polikliniken sowie spezielle Fachambulanzen mit Dispensaireauftrag<br />
in den neuen Ländern auch weiterhin<br />
zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen bleiben.<br />
Wo poliklinische Einrichtungen fortbestehen,<br />
bedeutet das für die Patienten eine Wahlmöglichkeit<br />
zwischen frei niedergelassenem Arzt und der Poliklinik.<br />
3.8.1 Familien mit behinderten Mitgliedern<br />
Der Bericht begrenzt die Erörterung über die Situation<br />
von Familien mit behinderten Mitgliedern ausdrücklich<br />
auf Menschen mit Behinderungen, die von Geburt<br />
an gegeben waren oder in früher Kindheit erworben<br />
wurden. Für sie gilt — wie im übrigen für alle<br />
behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen<br />
—, daß sie gemäß I § 10 SGB unabhängig von<br />
der Ursache der Behinderung ein soziales Recht auf<br />
die zu ihrer Eingliederung erforderlichen Hilfen<br />
haben.<br />
Individuelle Hilfe leisten die vom Gesetz über die<br />
Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation erfaßten<br />
Träger sowie Sozial- und Jugendhilfe im Rahmen<br />
der für sie geltenden Rechtsvorschriften; dabei sind<br />
die Leistungen der Rehabilitationsträger weitgehend<br />
aneinander angeglichen.<br />
Die Lebenssituation von Familien mit behinderten<br />
Kindern unterscheidet sich grundsätzlich von der der<br />
„Spätbehinderten", die über die Erfahrung eines<br />
eigenständigen, nicht behinderten Erwachsenenlebens<br />
verfügen und darüber hinaus Leistungen erhalten,<br />
die sie aufgrund eigener Erwerbstätigkeit erworben<br />
haben. Der Bericht stellt das Thema Behinderung<br />
in den Gesamtzusammenhang seiner Be trachtungen<br />
über „Familie und Gesundheit". Behinderung wird als<br />
dauerhafte Schädigung der Gesundheit definiert, in<br />
deren Folge selbständige Lebensformen und Beteiligung<br />
am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt<br />
seien. In der sozialpolitischen Betrachtung von Behinderung<br />
vollzieht sich jedoch ein Wandel, der in seiner<br />
fortgeschrittenen Entwicklung unumkehrbar geworden<br />
ist: mit der Abkehr von defizitorientierten Sichtweisen,<br />
die den medizinischen Defekt und den daraus<br />
resultierenden Mangel an Fähigkeiten in den Vordergrund<br />
stellten, rückt die Betonung der Kompetenz und<br />
die Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe in<br />
allen Lebensbereichen, unabhängig von Art und<br />
Schwere der Behinderung, zunehmend in den Mittelpunkt.<br />
Entscheidend dabei ist die Orientierung an den<br />
Fähigkeiten, am individuellen Hilfebedarf des behinderten<br />
Menschen, an seinem Recht auf möglichst<br />
selbständige Lebensführung und Integration. Im<br />
bereits genannten I§ 10 SGB wird dieser Sichtweise<br />
Rechnung getragen mit der Formulierung, dem behinderten<br />
Menschen sei ein seinen Fähigkeiten und<br />
Neigungen entsprechender Platz in der Gemeinschaft"<br />
zu sichern. Dies ist als Leitlinie der Rehabilitations-<br />
und Behindertenpolitik in der Bundesrepublik<br />
Deutschland allgemein anerkannt und berücksichtigt,<br />
daß körperliche, geistige oder seelische<br />
Beeinträchtigungen vor allem auch durch unzureichende<br />
soziale Bedingungen zu Behinderungen werden.<br />
Soziale Rehabilitation und gesellschaftliche Eingliederung<br />
sind deshalb die übergeordneten Ziele aller<br />
Rehabilitationsmaßnahmen. Ihre volle Verwirklichung<br />
heißt: im Rahmen der eigenen Möglichkeiten<br />
selbstbestimmt leben lernen. Dieses Lernen beginnt in<br />
der Familie. Das heißt auch: die Einschränkungen<br />
eigener Handlungsmöglichkeiten, die sich aus Art<br />
und Schwere der Behinderung ergeben können, sollten<br />
so weit wie irgend möglich nicht von außen