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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

Kindergärten<br />

Familien<br />

tages<br />

pflege<br />

Elternselbsthilfe<br />

Kleinkindern keineswegs negative Auswirkungen<br />

haben muß (vgl. Fthenakis 1992). Anstelle<br />

einer pauschalen Befürwortung oder Ablehnung<br />

von Krippenbetreuung tritt damit zur Zeit<br />

zunehmend die Frage nach deren Qualität in<br />

den Vordergrund. Besondere Bedeutung hat<br />

dabei eine sichere Bindung an die Betreuungspersonen.<br />

Außerdem ist davon auszugehen, daß<br />

auch für den Erfolg oder Mißerfolg der Krippenbetreuung<br />

die Situation in der Familie und die<br />

Einstellung der Eltern zur Betreuungseinrichtung<br />

eine entscheidende Rolle spielen. Diese<br />

Einsichten haben sich bisher aber noch nicht in<br />

einer nennenswerten Steigerung der Zahl an<br />

Krippenplätzen niedergeschlagen. Einzig in<br />

Westberlin und Hamburg ist der Mangel an<br />

Krippenplätzen nicht so eklatant.<br />

Ähnlich steht es um die Ausstattung mit Hortplätzen.<br />

Ausnahmen sind auch hier wieder<br />

Westberlin und Hamburg, außerdem Bremen,<br />

wo für etwa jedes sechste Kind zwischen sechs<br />

und zehn Jahren ein Hortplatz zur Verfügung<br />

steht.<br />

Lediglich der Kindergarten hat sich seit der Zeit<br />

der Bildungsreform als wichtiger, von der Mehrzahl<br />

der Kinder besuchter Sozialisationsort etablieren<br />

können. Im Hinblick auf die Entlastung<br />

der Eltern ist aber einschränkend festzuhalten,<br />

daß sich hinter diesen statistischen Durchschnittswerten<br />

z. T. länderspezifisch sehr unterschiedliche<br />

Angebotsformen verbergen. „So ist<br />

z. B. ein Kindergartenplatz in Baden-Württemberg<br />

meistens ein Vor- und Nachmittagsangebot<br />

ohne Mittagsversorgung, in Niedersachsen<br />

häufig ein Halbtagsplatz am Vormittag, in Berlin<br />

überwiegend ein durchgehender Ganztags<br />

platz, und in manchen Ländern, z. B. in Niedersachsen<br />

und Bayern, werden Plätze zum Teil<br />

doppelt von verschiedenen Kindern genutzt."<br />

(Deutsches Jugendinstitut 1993, S. 41)<br />

Abgesehen von diesen Angeboten gibt es auch<br />

Plätze in der Familientagespflege, bei der Kinder<br />

anderer Eltern meist von Müttern mit eigenen<br />

Kindern betreut werden. Laut Jugendhilfestatistik<br />

gab es 1986 rund 25 700 solcher anerkannter<br />

Pflegestellen für alle Altersstufen,<br />

wobei davon auszugehen ist, daß der überwiegende<br />

Teil für Kinder unter drei Jahren in<br />

Anspruch genommen wird. Zusätzlich dürfte es<br />

etwa eine gleich große Zahl nicht anerkannter<br />

Stellen geben, so daß man bei den unter drei<br />

Jahre alten Kinder insgesamt von einer Versorgungsquote<br />

von 4-5 % ausgehen kann (vgl.<br />

Pettinger 1993). Das Ausmaß der Unterversorgung<br />

in diesem Bereich wird besonders deutlich,<br />

wenn man diesem Anteil z. B. die Erwerbstätigenquote<br />

der Mütter mit Kindern unter drei<br />

Jahren gegenüberstellt, die rund 37 % beträgt<br />

(StBA 1992, S. 176).<br />

Schließlich haben sich, u. a. als Folge dieses<br />

Versorgungsmangels, in den letzten Jahren aufgrund<br />

von Elterninitiativen, Eltern- (bzw. Mütter-)Kind-Gruppen<br />

und in Mütter- und Famili<br />

enzentren unterschiedliche Formen der Kinderbetreuung<br />

in Selbsthilfe entwickelt. Einen<br />

Überblick über den Umfang der in diesen<br />

Selbsthilfeeinrichtungen erbrachten Betreuungsleistungen<br />

gibt es bislang noch nicht 1 ). Mit<br />

ein Grund dafür ist, daß die öffentliche Förderung<br />

solcher Kinderbetreuungsmaßnahmen<br />

noch weitgehend ungeklärt ist und meist auf<br />

örtlichen Entscheidungen beruht (vgl. Gerzer/<br />

Pettinger 1992, S. 14).<br />

Dieses geringe Angebot an familienergänzender<br />

Kinderbetreuung wäre ausreichend, wenn<br />

man davon ausgehen könnte, daß — wie früher<br />

— Kinder mit mehreren Geschwistern in einem<br />

naturwüchsigen Geflecht vielfacher Nachbarschafts-<br />

und Verwandtschaftsbeziehungen aufwachsen<br />

und dementsprechend zu Hause auch<br />

immer jemand, in der Regel die Mutter, verfügbar<br />

ist. Eine Reihe von Veränderungen hat<br />

jedoch dazu geführt, daß gerade dies in den<br />

modernen Industriegesellschaften nicht mehr<br />

gilt. Zu diesen Veränderungen gehört der Rückgang<br />

der Dreigenerationenhaushalte (trotz<br />

heute eher vorhandener Vier-Generationen-<br />

Familien), die wachsende Zahl von Erwachse-<br />

-<br />

nen, die ohne Kinder leben, aber auch die<br />

abnehmende Zahl von Kindern in den Familien.<br />

Die Folge davon ist eine erhebliche Ausdünnung<br />

des sozialen Erfahrungs- und Unterstützungsfeldes<br />

von Familien. Außerdem hat durch<br />

die gewachsene Mobilität auch der Rückgriff<br />

auf Verwandtschafts- und auf langfristig gewachsene<br />

Nachbarschaftsbeziehungen an Bedeutung<br />

verloren. Weitere wichtige Veränderungen<br />

in diesem Zusammenhang sind die<br />

geringer gewordene Stabilität traditioneller<br />

Familienstrukturen, was sich v. a. in der<br />

Zunahme von Scheidungen und auch Wiederverheiratungen<br />

ausdrückt. Schließlich gehören<br />

dazu auch grundlegende Wandlungen im Verständnis<br />

der Geschlechterrollen und damit verbunden<br />

die wachsende Bedeutung der Erwerbstätigkeit<br />

für Frauen in den alten Bundesländern.<br />

In dieser Situation ist es dringend erforderlich,<br />

daß Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik<br />

die familienergänzende Betreuung von Kindern<br />

ausbauen und für ein angemessenes Angebot<br />

für Kinder aller Altersstufen sorgen. Dadurch<br />

könnten einige der einschränkenden Veränderungen<br />

in den Sozialisationsbedingungen für<br />

Kinder etwas ausgeglichen werden. Außerdem<br />

wäre damit eine entscheidende Voraussetzung<br />

dafür geschaffen, daß Kinderhaben und Ausbildung<br />

bzw. Erwerbstätigkeit für Mütter und<br />

Väter besser vereinbart werden können, daß<br />

Kinderhaben wieder stärker zu einer befriedigenden<br />

Lebenserfahrung für beide Eltern werden<br />

kann und auch die vielfach festgestellten<br />

Kinderwünsche eher realisiert werden können.<br />

1 ) Soweit im Rahmen solcher Initiativen Krippen-, Kindergarten-<br />

oder Hortplätze eingerichtet wurden, sind<br />

diese in Tabelle VIII/1 zu den Versorgungsquoten<br />

enthalten.<br />

Ausdünnung<br />

der<br />

familialen<br />

Netze<br />

Notwendigkeit<br />

familienergänzender<br />

Kinderbetreuung

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