Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Lang<br />
fristige<br />
Strategie<br />
und für die intergenerative Solidarität von großer<br />
Bedeutung sind. Vertrauen in die Verläßlichkeit<br />
und in die Stabilität der Rahmenbedingungen<br />
und der Familienpolitik ist vor allem<br />
deswegen erforderlich, weil Entscheidungen für<br />
Kinder die Lebenslage der Eltern und der Kinder<br />
dauerhaft nachhaltig beeinflussen. Junge<br />
Menschen erwarten daher zu Recht ein hohes<br />
Maß an Verläßlichkeit der für die Familiengründung<br />
relevanten Rahmenbedingungen. Zu diesen<br />
Rahmenbedingungen gehören nicht nur<br />
eine phasenspezifisch ausgestaltete Familienpolitik<br />
(vgl. dazu BMJFG 1980) und nicht nur die<br />
Leistungen des Familienlastenausgleichs im<br />
engeren Sinn, sondern auch die Wohnbedingungen,<br />
die Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
und die familienunterstützenden Netzwerke.<br />
Die bisherige Familienpolitik läßt eine solche<br />
Verläßlichkeit vermissen. Sie trägt auch nur<br />
unzureichend den Leistungen der Familien für<br />
die Gesellschaft Rechnung. Schon der Begriff<br />
Familienlastenausgleich ist unzulänglich. Er<br />
sollte eigentlich nach Inhalt und Volumen ein<br />
Familienleistungsausgleich sein.<br />
Da familienpolitische Instrumente eine nicht<br />
unwesentliche Entscheidungsdeterminante für<br />
die Verwirklichung des Kinderwunsches darstellen,<br />
muß es von jungen Eltern als ein Vertrauensbruch<br />
empfunden werden und auf die<br />
nachrückenden Generationen künftiger Eltern<br />
entmutigend wirken, wenn diese Rahmenbedingungen<br />
einmal verbessert und dann wieder<br />
verschlechtert werden. Daher ist es verfehlt, im<br />
Falle von Verknappungen öffentlicher Mittel<br />
die Leistungen für die Familien „zurückzufahren".<br />
Besonders starke Irritationen könnte eine instabile<br />
Familienpolitik in Ostdeutschland auslösen,<br />
da die seit 1972 in der Deutschen Demokratischen<br />
Republik entwickelte und realisierte<br />
Familienpolitik in sich stimmig war, über eine<br />
breite Skala gut aufeinander abgestimmter, zielorientierter<br />
Instrumente verfügte, konsequent<br />
durchgehalten wurde und einen hohen Zielerreichungsgrad<br />
aufwies (Lampert 1981, S. 62 ff.).<br />
Mit dieser Feststellung soll jedoch nicht verkannt<br />
werden, daß es in einer pluralistischen,<br />
verbändestaatlich organisierten Mehrparteiendemokratie<br />
schwieriger ist, eine Politik „aus<br />
einem Guß" zu konzipieren und umzusetzen als<br />
in einem ideologisch monistischen Einparteiensystem,<br />
das auf die vielfältigen und divergierenden<br />
Interessen der Bürger weniger Rücksicht<br />
-<br />
nimmt.<br />
Eine zeitraumbezogene, langfristig angelegte<br />
familienpolitische Strategie ist erforderlich, weil<br />
es angesichts der Knappheit öffentlicher Mittel<br />
nicht möglich ist, alle Ziele gleichzeitig zu<br />
erreichen, das familienpolitische Zielsystem<br />
also nur langfristig Schritt für Schritt realisiert<br />
werden kann. Die Mittel, die in einer bestimmten<br />
Periode verfügbar gemacht werden können,<br />
müssen so effizient wie möglich eingesetzt werden,<br />
d. h. erstens, sie müssen auf die Deckung<br />
der jeweils dringendsten familienpolitischen<br />
Bedarfe konzentriert werden, und zweitens, es<br />
müssen die Komplementarität der Instrumente<br />
und die auf dieser Komplementarität beruhenden<br />
Verstärkungseffekte beachtet werden. Beispiele<br />
für Instrumente, die in hohem Maße<br />
komplementär sind, sind der Erziehungsurlaub,<br />
das Erziehungsgeld und die Anerkennung von<br />
Erziehungsjahren in der Rentenversicherung.<br />
Die Effizienz dieser Instrumente könnte noch<br />
gesteigert und das bei manchen vorhandene<br />
Mißtrauen gegen diese Instrumente als Mittel<br />
zur Beibehaltung der traditionellen Arbeitsteilung<br />
zwischen Mann und Frau abgebaut werden,<br />
wenn in absehbarer Zeit als komplementäre<br />
Instrumente Maßnahmen zur Förderung<br />
der beruflichen Reintegration von Eltern, die<br />
Erziehungsurlaub genommen haben, eingeführt<br />
werden würden.<br />
Die Notwendigkeit, eine familienpolitische<br />
Strategie zu entwickeln und umzusetzen, die<br />
die für die Familie relevanten Politikbereiche<br />
übergreift, ist eine unausweichliche Konsequenz<br />
der Tatsache, daß die wirtschaftlichen<br />
und sozialen Lebensbedingungen von Familien<br />
nicht nur durch die wirtschaftlichen Ressourcen,<br />
also durch Einkommen und Vermögen, und<br />
nicht nur durch ihren (rechtlichen und sozialen)<br />
Status maßgeblich beeinflußt werden, sondern<br />
auch durch die Wohnverhältnisse, den Gesundheitszustand<br />
der Familienmitglieder, die Sozialisations-<br />
und Bildungschancen der Kinder in<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen und im Bildungssystem<br />
sowie durch die Anerkennung von<br />
Elternschaft bei Arbeitgebern, Verwaltungen,<br />
in Schulen und in der Öffentlichkeit. Familienpolitik<br />
als Politik der Beeinflussung der Lebensund<br />
Entwicklungsbedingungen von Familien<br />
und Familienmitgliedern umfaßt daher mehr als<br />
eine Familienlastenausgleichspolitik. Vielmehr<br />
müssen ihre Ziele mit der Hilfe und den Instrumenten<br />
der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik,<br />
der Vermögens-, der Wohnungsund<br />
der Verkehrspolitik, der Gesundheits-, der<br />
Bildungs- und der Kulturpolitik, der Jugend-,<br />
der Frauen- und der Altenhilfepolitik auf allen<br />
Ebenen politischen Handelns, d. h. auf zentralstaatlicher,<br />
regionaler und kommunaler Ebene<br />
und unter Einbeziehung auch der nicht staatlichen,<br />
politisch relevanten Organisationen wie<br />
der Wohlfahrtsverbände, der Arbeitgeber und<br />
der Arbeitgeberverbände sowie der Gewerkschaften<br />
zu erreichen versucht werden.<br />
Im Sinne dieses breiten Verständnisses von<br />
Familienpolitik werden im Anschluß an diese<br />
Einführung aktuelle familienpolitische Aufgaben<br />
und der familienpolitische Handlungsbedarf<br />
in der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik<br />
(Abschnitt 2), in der Vermögens- und<br />
Wohnungspolitik (Abschnitt 3), in der Familienlastenausgleichspolitik<br />
(Abschnitt 4), in der<br />
Familienpolitik auf örtlicher und regionaler<br />
Ebene (Abschnitt 5) und in der Bildungspolitik<br />
(Abschnitt 6) dargestellt.<br />
Wider<br />
spruchs<br />
freier Zu<br />
sammen<br />
hang fa<br />
milienpo<br />
litischer<br />
Ziele in<br />
den relevanten<br />
Politikbereichen