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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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Hohe Ver<br />

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kosten<br />

Begren<br />

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der Selb<br />

ständig<br />

keit bzw.<br />

Erschwerung<br />

von<br />

Konfliktlösungen<br />

Drucksache 12/7560<br />

Sorgerecht zu entscheiden, sondern außerdem<br />

— ebenfalls immer — die Mitwirkung des<br />

Jugendamtes gefordert. Dazu kommt die zum<br />

Teil befremdliche Art der Einbeziehung der<br />

Kinder in die Ehekrise durch das Gericht, vor<br />

allem dann, wenn es dafür keinerlei fallbezogene<br />

Erfordernisse gibt. So werden von einigen<br />

Richtern bei übereinstimmenden Vorschlägen<br />

der Eltern Kinder auch unter 14 und ab drei<br />

Jahren immer angehört. Das geschieht zum Teil<br />

in Gegenwart der Eltern oder eines Elternteils<br />

oder auch ausdrücklich ohne sie. Die Eltern<br />

werden konkret oder allgemein über den Inhalt<br />

der Aussagen der Kinder informiert. Die<br />

Geschwister werden zusammen angehört oder<br />

getrennt im Gerichtssaal, im richterlichen<br />

Arbeitszimmer, beim Besuch des Richters in der<br />

Kindereinrichtung usw. Zum Teil werden selbst<br />

Kinder unter 14 Jahren direkt danach gefragt,<br />

bei welchem Elternteil sie bleiben möchten und<br />

welche Gründe sie dafür haben. Diese Anhörungen<br />

beeinflussen das Ergebnis der richterlichen<br />

Entscheidung in den Fällen, in denen<br />

Eltern einen einverständlichen Vorschlag machen,<br />

offensichtlich nicht. Über ihre Vorbereitung,<br />

ihre Wirkung auf die Kinder und die<br />

Beziehungen in der Familie gibt es keine Informationen.<br />

Als bedauerlich erscheint, daß die obligatorische<br />

gerichtliche Entscheidung zum Sorgerecht<br />

und die häufig anzutreffende Art ihrer Durchführung<br />

die Idee des KJHG, durch Beratung zu<br />

helfen und so eine eigene gemeinsame Entscheidung<br />

der Eltern zu fördern, die den Kin<br />

dern die Beziehung zu beiden Eltern möglichst<br />

erhält, behindern wenn nicht gar unterlaufen.<br />

Die Kosten des Verfahrens haben sich durch die<br />

Einbeziehung des Anwalts wesentlich erhöht.<br />

Sie belasten die Ehegatten und (oder bzw.<br />

zunächst) die öffentlichen Kassen. Der weitaus<br />

größte Teil der Eheverfahren wird auf der<br />

Grundlage von Prozeßkostenhilfe durchgeführt.<br />

Da angenommen wird, daß die Gründe für die<br />

Mittellosigkeit der Ehegatten häufig vorübergehender<br />

Natur sind (Arbeitslosigkeit, Ausbildung,<br />

noch niedriges Lohnniveau) wird den<br />

rechtlichen Möglichkeiten, durch die die<br />

Kostenerstattung vier Jahre nach Rechtskraft<br />

der Scheidung noch gefordert werden kann, in<br />

der Praxis zunehmende Bedeutung beigemessen.<br />

Verschiedene weitere Regelungen werden als<br />

Einmischung, als Begrenzung der Selbständigkeit<br />

und/oder als Erschwerung der Konfliktlösung<br />

erlebt. Das betrifft z. B. die Pflicht alleinsorgeberechtigter<br />

Mütter oder Väter, dem Vormundschaftsgericht<br />

davon Mitteilung zu machen,<br />

wenn sie die Absicht haben, einen anderen<br />

als den anderen Elternteil des Kindes zu<br />

heiraten und dem Standesbeamten ein entsprechendes<br />

Zeugnis des Vormundschaftsgerichts<br />

vorzulegen. Zu diesen Problemen gehört ferner<br />

die fehlende Möglichkeit, die Anfechtung der<br />

Ehelichkeit des Kindes mit dem Eheverfahren<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode<br />

zu verbinden, die Notwendigkeit also, in jedem<br />

Fall ein gesondertes gerichtliches Verfahren<br />

anzustrengen, oder die Regelung, wonach die<br />

alleinsorgeberechtigte Mutter die Ehelichkeit<br />

des Kindes als dessen Vertreter nur mit Genehmigung<br />

des Vormundschaftsgerichts anfechten<br />

kann. Genannt seien die umständliche und<br />

formale Verbindung zwischen Jugendamt und<br />

Vormundschaftsgericht in bezug auf die Unterhaltsbeistandschaft<br />

oder die Zuständigkeit von<br />

Richter und Rechtspfleger bei der Schaffung<br />

eines Titels auf Regelunterhalt für nichteheliche<br />

Kinder und nicht zuletzt die Vielzahl von verfahrensrechtlichen<br />

Komplikationen.<br />

Für die Befindlichkeiten der Familien in den<br />

verschiedensten Konfliktsituationen ist die Arbeit<br />

der Jugendhilfe und die Anwendung des<br />

Familienrechts im Zusammenhang mit dem<br />

KJHG von größter Bedeutung. Diese Arbeit<br />

darzustellen, würde weit über den Rahmen des<br />

<strong>Familienbericht</strong>s hinausgehen. Nur einige<br />

Schlüsselprobleme sollen genannt werden:<br />

Die Arbeit mit dem KJHG trifft auf eine Problemkonzentration.<br />

Es wurde völlig neues<br />

Recht übergeleitet, in den neuen Ländern sogar<br />

früher in Kraft gesetzt als in den alten. Die Hilfe<br />

aus den alten Bundesländern entsprach folgerichtig<br />

dem jeweiligen Stand der dortigen Verarbeitung<br />

der Konzeption des KJHG. Gleichzeitig<br />

gab es weitreichende personelle Veränderungen,<br />

eine neue Struktur der Jugendhilfe war<br />

aufzubauen, während zugleich der Bedarf der<br />

Familien und der Kinder und Jugendlichen<br />

selbst nach Jugendhilfe ganz außerordentlich<br />

gestiegen und ständig im Steigen beg riffen ist.<br />

(Z. B. war die Zahl der Fälle, in denen die<br />

Jugendämter Jugendgerichtshilfe leisteten, im<br />

Jahre 1992 doppelt so hoch wie im Jahre 1991.)<br />

Diese Lage und Entwicklung trifft zwar auf ein<br />

großes Engagement der Mitarbeiter, ansonsten<br />

aber nicht auf adäquate Bedingungen. Letzteres<br />

trifft vor allem für die finanzielle Lage und (eng<br />

damit verbunden) für den Entwicklungsstand<br />

der freien Träger der Jugendhilfe zu. Trotz der<br />

großen Arbeitsbelastung müssen die Jugendämter<br />

eine Vielzahl formaler Vorgänge bearbeiten<br />

aufgrund ihrer undifferenzierten Einbeziehung<br />

in die Arbeit der Familien- und Vormundschaftsgerichte.<br />

Aus rechtlicher Sicht ist zu unterstreichen, daß<br />

die Festlegung im Einigungsvertrag in bezug<br />

auf die im Beitrittsgebiet sehr weitreichende<br />

Unverbindlichkeit des Leistungskatalogs die<br />

Schwierigkeiten noch verstärkt, statt eine angemessene<br />

Reaktion auf die Lage im Beitrittsgebiet<br />

zu befördern.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die<br />

Überleitung des Bundesrechts auf das Beitrittsgebiet<br />

differenzierte Wirkungen zeitigt. Sie verläuft<br />

z. T. problemlos, so in bezug auf die<br />

Eheschließung, die Feststellung der Vaterschaft,<br />

die Adoption oder bei der Erstfestsetzung<br />

von Unterhalt für die Kinder mit Hilfe der<br />

Jugendämter. Mehr jedoch wird die neue<br />

-<br />

Steigender<br />

Bedarf<br />

an<br />

Jugendhilfe

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