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Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />

ihrem Verhalten ihren Kindern gegenüber allgemein<br />

und stabil zu beschreiben sind, daß sie<br />

sich darin systematisch voneinander unterscheiden<br />

und daß aufgrund dieser Ergebnisse die<br />

kindliche Entwicklung vorhergesagt werden<br />

könnte (Hofer 1992, S. 141).<br />

Mehrere Untersuchungen über elterliche Erziehungsziele<br />

weisen alle in die gleiche Richtung:<br />

Während der letzten 30 Jahre ist ein W andel von<br />

traditionellen Zielen, wie Ehrlichkeit, Sauberkeit<br />

und Gehorsam, hin zu einer stärkeren<br />

Betonung von Selbständigkeit erfolgt (Klages<br />

1984; Hofer 1992, S. 144).<br />

Wandel Auch auf der Ebene der Erziehungspraktiken<br />

der Erzie sind zeitgeschichtlich entsprechende Veränderungen<br />

festgestellt worden, vor allem haben<br />

Vernunftargumenten mit Abwehr. Aus Kindersicht<br />

können wir in diesen Fällen von ,Pseudo -<br />

hungs<br />

praktiken sich liberalere Umgangsmuster kontinuierlich<br />

Verhandlungshaushalten' sprechen; Pseudo in<br />

durchgesetzt. Das fängt bei der Reinlichkeitserziehung<br />

an und setzt sich bis zur Ablehnung der<br />

dem Sinn, daß die elterliche Definitionsmacht<br />

von angemessenem Verhalten vom Kind (noch)<br />

Prügelstrafe als Erziehungsmittel fort, auch<br />

nicht modifiziert oder gebrochen werden kann"<br />

wenn körperliche Strafen vonwenigen noch<br />

(1991, S. 9).<br />

immer zur Durchsetzung elterlicher Vorstellungen<br />

angewandt werden. Dagegen werden heutzutage<br />

den Kindern schon im frühen Alter tegie" beginnt zwar heutzutage bereits in der<br />

Die Erziehungspraktik der „Verhandlungsstra-<br />

Entscheidungen zugemutet. Schütze konstatiert Kleinkindphase, wird aber deutlich fortgesetzt<br />

aufgrund einer Sekundäranalyse über Veränderungen<br />

im Eltern-Kind-Verhältnis seit der<br />

im Jugendalter.<br />

Nachkriegszeit bis zur Gegenwart ferner: „Eltern<br />

sind heute in kaum zuüberbietender Weise Erhebungen, vor allem auch aufgrund von Re-<br />

Für diese Phase gilt aufgrund vieler empirischer<br />

um ,kindgerechtes' und ,kindzentriertes' Verhalten<br />

bemüht" (1988, S. 111), ob sie ihre eigeche<br />

Wandel: „Die Eltern sind bemüht, Verständplikationsuntersuchungen,<br />

im übrigen der gleinen<br />

Ansprüche jedoch einlösen, hierüber sagen nis für ihre adoleszenten Kinder an den Tag zu<br />

die vorliegenden empirischen Untersuchungen legen, ihnen eher als Freunde, denn als Autoritätspersonen<br />

zu begegnen, Entscheidungen<br />

nichts aus. Ebenso gehen sie nicht auf schichtspezifische<br />

Unterschiede ein; anzunehmen aber gemeinsam zu treffen, Kompromisse auszuhandeln<br />

und sich in vielen Hinsichten den Jugend-<br />

ist, daß die heute gültige kindorientierte Pädagogik<br />

stärker in mittleren und höheren sozialen<br />

Schichten verbreitet ist. Sie setzt jedenfalls eigene Prinzipien und Verhaltensmuster zu verlichen<br />

anzupassen, anstatt Anpassung an<br />

stärker auf eine „zähe Verhandlungsarbeit in langen" (Schütze 1993, S. 345; ebenso Allerbeck/Hoag<br />

1985).<br />

Form von Erklärungen und Diskussionen als auf<br />

Ge- und Verbote. Diese neuen Erziehungspraktiken<br />

verlangen demnach sehr viel Zeit und<br />

Energie" (Teichert 1990, S. 18) und kognitive<br />

Kompetenz. Diese Entwicklung hatte de Swaan<br />

(1982) mit den kurzen Worten „vom Befehls<br />

Neue Er<br />

ziehungs<br />

ideale<br />

zum Verhandlungshaushalt" treffend beschrieben.<br />

Dieser vor allem während der letzten<br />

20 Jahre erfolgte Prozeß hat jedoch weitere<br />

Folgen: Verhandeln ist schließlich ein kommunikativ-reflexiver<br />

Prozeß, der auch den Spracherwerb<br />

fördert und Sprachkompetenz voraussetzt.<br />

Gleichzeitig wurde es möglich, sich in<br />

den Verhandlungen auf die eigenen Bedürfnisse<br />

und Emotionen zu beziehen und hiermit<br />

Ansprüche zu legitimieren. Überhaupt<br />

setzte sich — wie Gerhards (1988) es nennt<br />

— eine „Versprachlichung von Emotionen"<br />

durch.<br />

Du Bois-Reymond ist in einer qualitativen Studie<br />

diesen neuen Erziehungsidealen und den<br />

Verhandlungsstrategien nachgegangen und<br />

stellte fest: „Affektausbrüche sowohl von Eltern<br />

als auch von Kindern werden tole riert, die<br />

Informalisierungstendenz der letzten Jahr<br />

zehnte erlaubt es, daß Kinder zu ihren Eltern<br />

,blöde Kuh' oder ,hört doch endlich auf mit<br />

eurem ewigen Gelaber' sagen — und daß auch<br />

Eltern sich zugestehen, mal ,auszuflippen'. Aber<br />

dahinter steht das Ideal eines beherrschten,<br />

rationalen Diskurses, des ,vernünftigen' und<br />

,ruhigen' miteinander Redens, urn zu einem<br />

Kompromiß zu kommen. Die Eltern stehen hierbei<br />

unter einem hohen ,kulturellen Druck', um<br />

liberal und offen zu sein und ihr Erziehungsverhalten<br />

nach diesen Prinzipien zu modellieren;<br />

naturgemäß unter einem höheren als ihre noch<br />

jungen Kinder. Diese reagieren u. U., eben weil<br />

sie noch weniger imstande sind zu einer Emotionskontrolle,<br />

auf den verbalen ,Overkill' an<br />

Auf dieses zeitgeschichtlich veränderte Elternverhalten<br />

könnte zurückzuführen sein, daß ein<br />

Generationskonflikt oder der „Vater-Sohn-<br />

Konflikt", der als typisch galt, in empirischen<br />

Erhebungen nicht mehr vorfindbar ist. Viele<br />

Untersuchungen zeigen statt dessen, daß nach<br />

wie vor eine positive und enge Beziehung<br />

zwischen den Jugendlichen und ihren Vätern<br />

und ihren Müttern besteht; sie werden als Ratgebende,<br />

Vertraute usw. benannt und ihre<br />

„Wichtigkeit" und ihr „prägnanter Einfluß"<br />

betont (vgl. z. B. Emnid-Jugendstudie 1975 und<br />

1986; Shell-Studie 1992, Brigitte-Studie 1982;<br />

Schmid-Thannwald/Urdze 1983; Sinus-Studie<br />

1985). Emotional dominiert die Mutter, sie ist vor<br />

dem Vater „die bevorzugte Vertrauensperson,<br />

die hilft, Konflikte löst, tröstet und geliebt wird"<br />

(Oswald 1989, S. 368ff.). Die Konfliktgespräche<br />

sind über die Jahrzehnte gleich geblieben und<br />

beziehen sich überwiegend auf die Themen:<br />

Kleidung, Hilfe im Haushalt, Unordentlichkeit<br />

(vor allem im Hinblick auf das eigene Zimmer),<br />

tägliche Rücksichtnahme (Oswald 1989; Pikowsky/Hofer<br />

1992, S. 213).<br />

Beziehung<br />

zwischen<br />

Eltern und<br />

Kindern

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