Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Erschließung von Mitarbeit und Mitverantwortung<br />
engagierter Bürger. Möglichkeiten bieten sich, Tendenzen<br />
der Vereinzelung in der Gesellschaft entgegenzuwirken;<br />
es gilt, sie zu nutzen.<br />
Die Bundesregierung wertet es als positives Faktum,<br />
daß der Aufbau von Strukturen örtlicher und regionaler<br />
Familienpolitik in den letzten Jahren eingesetzt<br />
hat, auch wenn dieser Prozeß noch an Breite gewinnen<br />
muß. Die Bundesregierung und eine Reihe von<br />
Bundesländern unterstützen diese Entwicklung. Die<br />
Bundesregierung hat als Leitfaden für Praktiker ein<br />
„Handbuch zur örtlichen und regionalen Familienpolitik"<br />
zur Verfügung gestellt, das weiterentwickelt<br />
werden wird. Sie fördert den Aufbau eines „Netzwerks<br />
der örtlichen und regionalen Familienpolitik",<br />
bei dem Informationen über rechtliche, institutionelle<br />
und organisatorische Strukturen der örtlichen und<br />
regionalen Familienpolitik abgerufen werden können.<br />
Gemeinsam mit den neuen Ländern erprobt die<br />
Bundesregierung in einer Reihe von Pilotprojekten<br />
außerdem ein Konzept „multifunktionaler Familienzentren"<br />
, das ein breites Spektrum generationenbezogener<br />
Familienarbeit enthält. Die Bundesregierung<br />
beabsichtigt, dem Prozeß des Aufbaus von Strukturen<br />
örtlicher und regionaler Familienpolitik auch weiterhin<br />
Impulse zu geben.<br />
3.4 Familienrecht<br />
Die Überleitung des Bundes- und damit auch des<br />
Familienrechts hat zu Veränderungen für die Menschen<br />
in den neuen Ländern geführt, die den Bereich<br />
der privatesten Lebensführung betreffen. Es ist deshalb<br />
grundsätzlich zu begrüßen, daß der <strong>Familienbericht</strong><br />
— in seinem Kapitel V — erstmals gesondert auf<br />
das Familienrecht eingeht, um „die Möglichkeiten<br />
des Familienrechts als Mittel zum Schutz und zur<br />
Förderung der Familie zu verdeutlichen"; dabei will er<br />
insbesondere „die für die Familie wesentlichen<br />
Aspekte der Entwicklung des Familienrechts in den<br />
beiden deutschen Staaten und die mit der Überleitung<br />
des Bundesrechts auf die neuen Länder verbundenen<br />
Veränderungen und Probleme deutlich machen".<br />
Unter der Überschrift „Zur Entwicklung des Familienrechts<br />
in der alten Bundesrepublik Deutschland und in<br />
der Deutschen Demokratischen Republik" findet sich<br />
eine Gegenüberstellung des Familienrechts der DDR<br />
zu dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden<br />
Familienrecht.<br />
Die unterschiedlichen rechtlichen Ausgangspositionen<br />
werden bei der Gegenüberstellung des Familienrechts<br />
der DDR und des in der Bundesrepublik<br />
Deutschland geltenden Familienrechts allerdings<br />
nicht den unterschiedlichen sozialen Realitäten zugeordnet.<br />
Der Bericht gelangt so zu einer stark wertenden<br />
Darstellung, die nach Auffassung der Bundesregierung<br />
weder der vom BGB gestalteten freiheitlichen<br />
Rechtsordnung einerseits noch der Lebenswirklichkeit<br />
in der DDR andererseits gerecht zu werden<br />
vermag.<br />
So wird beispielsweise kritisiert, „die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Erwerbstätigkeit" sei vom „Recht der<br />
alten Bundesrepublik nicht formuliert" worden, wäh<br />
rend in der DDR „Berufstätigkeit und Hausarbeit<br />
sowie Erziehung der Kinder durch die Ehegatten ...<br />
familienrechtlich als gleichwertig angesehen" worden<br />
seien. Das damit gezeichnete Bild bleibt nach<br />
Auffassung der Bundesregierung unvollständig: Zum<br />
einen werden die §§1356, 1360 BGB nicht erwähnt,<br />
die das Recht beider Ehegatten auf Erwerbstätigkeit<br />
mit der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme<br />
bestätigen und die übereinstimmende Entscheidung<br />
über die Aufgabenverteilung in der Ehe als Leitbild<br />
festlegen. Zum anderen wird nicht hinreichend deutlich,<br />
daß die dem gesamten Familienrecht der früheren<br />
DDR zugrundeliegende „Konzeption, wonach<br />
Gleichberechtigung ökonomische Unabhängigkeit<br />
und diese wiederum berufliche Tätigkeit voraussetzt",<br />
nicht zuletzt das Ziel verfolgte, Frauen möglichst<br />
umfassend in den staatlich gelenkten Wirtschafts-<br />
und Produktionsapparat einzubeziehen —<br />
eine Zielsetzung, die sich in ihrem Ausschließlichkeitsanspruch<br />
mit dem Rechts- und Gesellschaftssystem<br />
der Bundesrepublik Deutschl and nicht vereinbaren<br />
läßt.<br />
Ebenso kann auch eine Schilderung des Unterhaltsrechts<br />
nicht befriedigen, die etwa für das BGB erhebliche<br />
Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren<br />
studierenden Kindern konstatiert, für die DDR dagegen<br />
auf die Übernahme vieler Kosten durch den Staat,<br />
unter anderem in Form eines „Anspruchs aller auf ein<br />
Stipendium" verweist , solange unerwähnt bleibt , daß<br />
in der DDR die Studienplätze — als Voraussetzung<br />
solcher Alimentierung — einseitig durch den Staat<br />
zugewiesen oder — bei fehlendem gesellschaftlichpolitischem<br />
Wohlverhalten — eben auch versagt wurden.<br />
Im übrigen sind hinsichtlich des Minderjährigen-<br />
Unterhalts aus den letzten Jahren der DDR lebhafte<br />
Diskussion zur Höhe der Unterhaltssätze bekannt<br />
geworden. Es steht zu vermuten, daß die Unterhaltssätze<br />
konstant gehalten wurden, um nicht durch ihre<br />
Erhöhung ansonsten bestrittene inflationäre Tendenzen<br />
eingestehen zu müssen. Über sozialpolitische<br />
Maßnahmen — wie etwa Erhöhung des staatlichen<br />
Kindergeldes — wurde ein gewisser Ausgleich<br />
geschaffen.<br />
Die im <strong>Familienbericht</strong> beklagte „starke Verrechtlichung"<br />
und „hohe Komplexität" des Familienrechts<br />
der Bundesrepublik Deutschl and zieht — wie auch die<br />
Bundesregierung nicht verkennt — Probleme für die<br />
Betroffenen nach sich. Verrechtlichung und Komplexität<br />
sind jedoch nicht zuletzt eine Folge der Tatsache, -<br />
daß das Recht der Bundesrepublik —in Erfüllung des<br />
grundgesetzlichen Auftrags — die Familie grundsätzlich<br />
als einen Bereich privatautonomer Lebensgestaltung<br />
anerkennt. Der vom Bericht begrüßte „Rückgang<br />
des Bedarfs an rechtlicher Regelung" in der DDR ist<br />
demgegenüber nur um den Preis einer Politik zu<br />
haben, die familiäre Funktionen zunehmend in den<br />
gesellschaftlich-politischen Bereich verlagert und<br />
damit den Gestaltungsmöglichkeiten der Betroffenen<br />
weitgehend entzieht.<br />
Als Hauptwirkung der „Überleitung des Bundesrechts<br />
in die neuen Bundesländer", konstatiert der<br />
<strong>Familienbericht</strong> im Abschnitt 3 des Kapitels V — nach<br />
dem Vorangegangenen nur konsequent —, daß „die<br />
Entscheidung zur Ehe, zur Familiengründung und zur