Fünfter Familienbericht - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7560<br />
Institutio<br />
neller und<br />
gruppen<br />
hafter<br />
Aspekt<br />
von Fami<br />
lie<br />
diesem Sinne stellt Artikel 6 des Grundgesetzes<br />
die Familie unter den besonderen Schutz der<br />
staatlichen Ordnung. Was dabei als Familie gilt,<br />
ist in hohem Maße von rechtlichen Definitionen,<br />
ethischen Überzeugungen, praktischen Erwägungen<br />
und politischen Interessen mit abhängig.<br />
Es ist nicht Aufgabe der Sachverständigenkommission,<br />
hierzu im einzelnen Stellung zu beziehen.<br />
Aber es soll im folgenden verdeutlicht<br />
werden, worin diese gesellschaftliche Funktionalität<br />
von Familie besteht, die sich auch darin<br />
äußert, daß die Rechtsordnung über die Regelung<br />
von Ehe, Elternschaft, Kindeswohl und<br />
Verwandtschaft bestimmte Rechte und Pflichten<br />
festschreibt. welche den rechtlichen Rahmen<br />
der familialen Beziehungen bilden. Damit<br />
werden zwar grundlegende Abgrenzungen<br />
getroffen, die aber den Bereich dessen, was<br />
Familie meint, keineswegs erschöpfen.<br />
Die Rede von „Familie" kann sich auf zwei ganz<br />
verschiedene Ebenen beziehen, nämlich zum<br />
einen auf die Millionen Kleingruppen oder<br />
Beziehungsnetze, die wir als familiale Lebensformen<br />
bezeichnen, bzw. auf die je einzelne<br />
Familie; zum anderen auf den gesamtgesellschaftlichen<br />
Regel- und Kommunikationszusammenhang<br />
„Familie", also die Art und Weise,<br />
wie in Gesetzen familiale Sachverhalte geregelt,<br />
in der Wissenschaft „Familie" erforscht<br />
und gedeutet, in der Politik „Familie" gefördert<br />
und in den Massenmedien „Familie" dargestellt<br />
wird. Die <strong>Familienbericht</strong>e stellen selbst eine<br />
prominente Form der öffentlichen Diskurse über<br />
„Familie" in diesem zweiten Sinne dar. Die<br />
kollektiven Vorstellungen von „Familie" sind<br />
notwendigerweise einfacher und schematischer<br />
als die Wirklichkeit, welche in den Millionen<br />
von Einzelfamilien gelebt, erfahren und gedeutet<br />
wird, aber sie bestimmen in erheblichem<br />
Umfange darüber mit, wie die vielfältigen privaten<br />
Lebensformen gedeutet und erfahren<br />
werden. Unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität<br />
von Familien können wir als „Aufgaben"<br />
die kulturell und rechtlich vorhandenen öffentlichen<br />
Vorstellungen über das bezeichnen, was<br />
Familie sein und tun soll; das ist der institutionelle<br />
Aspekt von Familie. Der Begriff der familialen<br />
Leistungen bezieht sich dagegen auf die<br />
Beschreibung der tatsächlichen Handlungen<br />
und Wirkungen im Rahmen der vielen einzelnen<br />
familialen Beziehungsnetze, insoweit<br />
diese öffentliches Interesse beanspruchen können,<br />
also auf den gruppenhaften Aspekt von<br />
Familie.<br />
Für alle, die in Familien leben, stehen die<br />
Beziehungen zu den Familienangehörigen im<br />
Vordergrund, und diese sind in der Regel stark<br />
emotional geprägt; sie können sich als Liebe<br />
oder Leid, Freude oder Wut, Angst oder Hoffnung,<br />
Vertrauen oder Resignation äußern. Aber<br />
der Alltag von Familien besteht auch aus einer<br />
überhaupt nicht abschließend beschreibbaren<br />
Vielfalt von Handlungen und Interaktionen, die<br />
neben ihrer unmittelbaren Bedeutung und den<br />
mit ihnen verfolgten Zwecken auch den meist<br />
unausgesprochenen Sinn haben, zur Aufrechterhaltung<br />
des familialen Zusammenhangs beizutragen.<br />
In der Tat besteht die elementarste<br />
Leistung von Familien darin, daß sie den Kontakt<br />
und die Bindungen zwischen den Familienangehörigen<br />
im Zeitablauf aufrechterhalten<br />
und auf diese Weise jenen Orientierungsrahmen<br />
schaffen, in dem „Familie" erlebbar<br />
wird.<br />
Diese Solidarität der Familienmitglieder ist<br />
gleichzeitig Aufgabe und Vorbedingung aller<br />
Leistungen von Familien. Zwar haben häufig<br />
vor allem Frauen den Eindruck, daß die Aufrechterhaltung<br />
der familialen Solidarität allzu<br />
einseitig nur von ihnen gefordert werde, während<br />
die Männer ihren Familienpflichten vor<br />
allem durch außerhäusliche Erwerbstätigkeit<br />
glauben genügen zu können. Weiterhin führt in<br />
manchen Familien der Versuch, gestörte Familienverhältnisse<br />
aufrecht zu erhalten, zu einer<br />
zwanghaften Kohäsion, welche psychische<br />
Schäden zur Folge haben kann. Die Einflüssee<br />
des Fernsehens und die zunehmende Beanspruchung<br />
der Kinder durch außerfamiliäre Angebote<br />
— vom Kindergarten über die Schule bis zu<br />
den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten — erschweren<br />
ebenfalls die Praxis familialer Solidarität.<br />
Wie auch immer die Verhältnisse sich im<br />
einzelnen gestalten mögen, die typischen Leistungen<br />
von Familie, welche sich ja vor allem in<br />
der alltäglichen gemeinsamen Lebensbewältigung<br />
äußern, setzen den selbstverständlichen<br />
Zusammenhalt notwendig voraus.<br />
Der familiale Leistungszusammenhang muß<br />
sich schon aus den biologischen Gründen des<br />
Heranwachsens der Kinder und des Alterns der<br />
Partner im Zeitablauf verändern, und in der<br />
Regel können aus der Umwelt der Familien, die<br />
von ökonomischem, sozialem und kulturellem<br />
Wandel betroffen ist, weitere Herausforderungen<br />
erwachsen, denen Familien nur durch<br />
Anpassung gerecht werden können. Familien<br />
können sich also nur durch Solidarität und<br />
Anpassung zugleich erfolgreich behaupten,<br />
und dies setzt die Fähigkeit und Bereitschaft zur<br />
intensiven Beschäftigung und notfalls Auseinandersetzung<br />
mit den übrigen Familienmitgliedern<br />
voraus.<br />
Was in Familien geschieht, gilt heute als Privatsache,<br />
solange es nicht Grundsätze der Rechtsordnung<br />
in eklatanter Weise verletzt, beispielsweise<br />
durch Gewaltanwendung oder Vernachlässigung<br />
von Sorge- und Unterhaltspflichten.<br />
Diese Anerkennung der Privatheit des Familienlebens<br />
ist nicht nur Ausfluß eines liberalen<br />
Staatsverständnisses, sondern unter den Existenzbedingungen<br />
moderner Gesellschaften<br />
auch zweckmäßig. Im Gegensatz zu vormodernen,<br />
in den Produktionszusammenhang eingebetten<br />
Familienformen ist die Gründung von<br />
Familien unter modernen Bedingungen nicht<br />
mehr aus ökonomischen Gründen einsichtig zu<br />
Solidarität<br />
der Fami<br />
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Familie<br />
als privater<br />
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