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Leadership in der psychiatrischen Pflege (2009)

Kongressband Dreiländerkongress 2009 in Wien

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Erfolgsmythos Psychopharmaka<br />

Konsequenzen e<strong>in</strong>er Neubewertung <strong>der</strong> Medikamente für die<br />

Versorgung psychisch kranker Menschen<br />

Stefan We<strong>in</strong>mann<br />

Seit über 50 Jahren werden Antipsychotika (Neuroleptika) zur Behandlung <strong>der</strong><br />

Schizophrenie und Antidepressiva zur Behandlung <strong>der</strong> Depression e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Ihre Entdeckung trug zur Weiterentwicklung und Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Psychiatrie<br />

bei. Sie waren aber ke<strong>in</strong>esfalls <strong>der</strong>en e<strong>in</strong>zige Ursache, wie Untersuchungen<br />

zeigen, die nachweisen konnten, dass die Enthospitalisierung psychiatrischer<br />

Langzeitpatienten aus den Großkl<strong>in</strong>iken im wesentlichen auf gesellschaftliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen zurückgeht und von <strong>der</strong> Verfügbarkeit <strong>der</strong> Medikamente lediglich<br />

begünstigt wurde. Seitdem (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e seit den 80er und 90er Jahren<br />

des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts) wurde e<strong>in</strong>e große Zahl „neuer“ Medikamente<br />

entwickelt, die zu e<strong>in</strong>em dramatischen Zuwachs <strong>der</strong> Psychopharmaka-<br />

Verschreibungen geführt haben [1]. Die Art <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> Medikamente<br />

wird oft mit <strong>der</strong> postulierten biologischen Störung gleichgesetzt, durch welche<br />

die behandelten psychischen Erkrankungen gekennzeichnet se<strong>in</strong> sollen. Diese<br />

beschränkte Sichtweise, welche durch die neurobiologische Forschung nicht<br />

gestützt wird, und die von <strong>in</strong>dustriellen Interessen und Market<strong>in</strong>g geprägten<br />

Studien mit vielfältigen methodischen Verfälschungen haben e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitigen<br />

Sichtweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie Vorschub geleistet. H<strong>in</strong>gegen zeigen komplexe<br />

neurobiologische Modelle gerade die Interdependenzen zwischen biologischen<br />

Systemen, sozialer und ökologischer Umwelt und <strong>der</strong> Subjektivität psychischen<br />

Erlebens, und wie sich emotionale und soziale Erfahrungen im Gehirn<br />

auch strukturell nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

Obwohl die Erfolge <strong>der</strong> medikamentösen Behandlung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

neuen Substanzen weiter gepriesen werden, besteht e<strong>in</strong> zunehmen<strong>der</strong> Trend<br />

zur Mehrfachbehandlung mit Medikamenten <strong>der</strong> gleichen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Klasse<br />

(Polypharmazie) und teilweise auch wie<strong>der</strong> zur Hochdosierung. Gleichzeitig<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise, dass <strong>der</strong> Langzeitverlauf schwerer psychischer Erkrankungen<br />

wie <strong>der</strong> Schizophrenie <strong>in</strong>sgesamt durch die medikamentöse Behand-<br />

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