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158 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

hungs-, Geltungs- und Anerkennungsbedingungen, die zunächst einmal nur für den jeweiligen<br />

Bereich gültig sind. Akzeptiert man dies, dann klären sich gleich einige scheinbare<br />

Irrationalitäten des Bildungsdiskurses auf: Es sind relativ autonome Diskurse mit zwar<br />

durchaus gleichen Begriffen („Bildung“, „Erziehung“, „Schule“ etc.), die aber nicht unbedingt<br />

in gleicher Weise definiert und verwendet werden. Nun könnte man meinen, dass die<br />

Wissenschaft eher den theoretischen, erkenntnisbezogenen und die Praxis eher den legitimatorischen<br />

Diskurs pflegt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es zeigt sich vielmehr, dass in<br />

jedem der Felder alle Diskursformen zugleich geführt werden. Insbesondere wird am Thema<br />

„Schulreform“ auch in der Erziehungswissenschaft ein grundlegender Legitimationsdiskurs<br />

geführt, der <strong>zum</strong> einen die Relevanz einer sich ihres Wissenschaftsstatus unsicheren<br />

Disziplin Erziehungswissenschaft betrifft und der <strong>zum</strong> anderen die erziehungswissenschaftlichen<br />

Teildisziplinen, insbesondere die Allgemeine Pädagogik, die Schul- und die Sozialpädagogik<br />

mit ihren unterschiedlichen Reifegraden und Infrastrukturen zu einer Selbstreflexion<br />

über den eigenen Status und die Beziehungen untereinander zwingt.<br />

Dies alles geschieht zudem unter den Rahmenbedingungen des „Bolognaprozesses“, der<br />

einen grundlegenden Wandel nicht nur der Studiengänge, sondern auch im Selbstverständnis<br />

der Hochschulen zur Folge haben wird. Der Abschied von Humboldtschen Vorstellungen<br />

der Freiheit von Forschung und Lehre wird vorangetrieben von eher betriebswirtschaftlich<br />

orientierten Rationalitätsvorstellungen darüber, wie Forschung und Lehre in Zukunft sein<br />

sollen. Für die Wissenschaftsdispziplinen erhöht sich so der Druck im Hinblick auf die<br />

Entwicklung und Einhaltung von „Standards“ (etwa die Anerkennung von Publikationen<br />

als akademischem Leistungsnachweis nur in Verbindung mit Review-Verfahren), die es<br />

bislang nicht unbedingt in den Erziehungswissenschaften gegeben hat.<br />

<strong>Kultur</strong>pädagogik hat in dieser Situation ausgesprochen ungünstige Bedingungen. Zwar gibt<br />

es eine lebendige Praxis mit einem beachtlichen Arbeitsmarkt, doch ist eine Verankerung<br />

im Hochschulbereich nur begrenzt gelungen. Zwar haben etwa Musik- und Medienpädagogik<br />

im universitären Feld einzelne Standorte erobert, <strong>zum</strong> Teil sogar mit einer beachtlichen<br />

Tradition, doch finden andere kulturpädagogische Arbeitsfelder (Tanz-, Theater-, Spiel-,<br />

Literatur- etc. -pädagogik) gar nicht oder nur als Ausbildungsbereich in Fachhochschulen<br />

statt. Dazu kommt, dass auch hier die Diskurse eher spartenbezogen separiert stattfinden<br />

und ein gemeinsames Arbeiten an einem übergreifenden Konzept „kulturelle Bildung“ bzw.<br />

einer Disziplin „<strong>Kultur</strong>pädagogik“ eher nicht geschieht.<br />

In dieser Situation, in der speziell in der Sozialpädagogik erneut eine verstärkte Selbstdefinition<br />

(etwa ob „Bildung“ oder doch eher „Erziehung“ der angemessene Leitbegriff ist)<br />

stattfindet, tauchen plötzlich Grundsatzstreitigkeiten und Richtungsdiskussionen auf, wobei<br />

es in der <strong>Kultur</strong>pädagogik keine Personen oder gar Strukturen gibt, die diese angemessen<br />

führen könnten. So erinnert sich die Sozialpädagogik aus guten Gründen an ihre Anfänge,<br />

bei denen etwa der Ansatz von Paul Natorp eine Rolle gespielt hat, das „Soziale“ (im<br />

Sinne der Gemeinschaft) als Leitprinzip für die Pädagogik schlechthin zu nehmen und Pädagogik/Erziehungswissenschaft<br />

insgesamt als „Sozialpädagogik“ zu betreiben. In der Weimarer<br />

Zeit hat man diesen Vorschlag bewusst zurückgewiesen und Sozialpädagogik als „Nothilfe“ –<br />

so G. Bäumer – für den Fall definiert und etabliert, dass Familie oder Schule versagen (vgl.<br />

Niemeyer 1999, Kap. I). Stattdessen forcierte man (Spranger, Nohl, Litt u.a.) im Anschluss<br />

an Dilthey ein Verständnis der Pädagogik als „<strong>Kultur</strong>pädagogik“, wobei dieser Begriff anfangs<br />

<strong>zum</strong> Teil in pejorativer Absicht, dann aber als akzeptierte Selbstbeschreibung der Geisteswissenschaftlichen<br />

Pädagogik insgesamt verwendet wurde. Diese Entgegensetzung von Sozialem

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