04.11.2013 Aufrufe

zum Download (8,57 MB) - Kultur bildet

zum Download (8,57 MB) - Kultur bildet

zum Download (8,57 MB) - Kultur bildet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

KULTURPÄDAGOGIK UND SCHULE 173<br />

Wird die gesellschaftliche Entwicklung inzwischen zwar nicht mehr so geradlinig in diesen<br />

soziologischen Theorien gesehen, so gilt nach wie vor das Erleben von Veränderung als<br />

wichtigstes Kennzeichen heutigen Lebens:<br />

„Sozialer Wandel bestimmt das Lebensgefühl des modernen Menschen, des Menschen der<br />

Neuzeit, aber schon seit Jahrhunderten. Renaissance, Humanismus und Aufklärung, industrielle,<br />

technische und wissenschaftliche Revolution, historisch wachsende bürgerliche,<br />

politische und soziale Rechte, eine progressiv durchgesetzte Partizipation und Emanzipation<br />

immer größerer Bevölkerungsteile, die Säkularisierung der Gesellschaft und die Individualisierung<br />

von Lebensweise und Werten haben den Ausgang aus der selbstverschuldeten<br />

Unmündigkeit (Kant) des Lebens in traditionalen Lebensformen bewirkt. Der Mensch<br />

fühlt sich als Herr oder auch Opfer einer bewegten Geschichte.“ (Weymann1998, S.119).<br />

So werden prägnant viele Zuschreibungen der Moderne gesammelt, zunächst scheinbar<br />

unbeeindruckt von der oben angeführten Kritik an eben solchen Vorstellungen von „Moderne“.<br />

Doch setzt Weymann dieses Zitat fort mit der Frage danach, ob das beschriebene<br />

Lebensgefühl des Wandels wirklich so neu ist oder sich nicht vielmehr schon bei den Griechen<br />

Vorläufer finden lassen („alles fließt“).<br />

Die „Moderne“ war jedoch immer schon mehr als eine bloß neutrale oder pragmatische<br />

Zeiteinteilung. Immer schon schwangen erhebliche Werturteile mit: Die europäische Moderne<br />

war – ganz selbstverständlich – über Jahrhunderte das Maß aller Dinge, demgegenüber<br />

<strong>Kultur</strong>en in anderen Teilen der Welt nur nachrangig sein konnten. Die „Modernen“ setzten<br />

sich ab von den Alten, weil sie glaubten, vieles besser zu machen. „Modern“ ist, wer auf der<br />

Höhe der Zeit ist.<br />

Allerdings gab es schon früh explizit Gegenpositionen: <strong>zum</strong> einen maß man die reale Gegenwart<br />

an den Versprechungen der Moderne (Freiheit, Individualität, Wohlstand usw.).<br />

Man kritisierte allerdings auch diese Ziele selbst, weil man ein verkürztes (rationalistisches)<br />

Menschenbild vermutete und in einer zu starken Vernunftorientierung Wesentliches am<br />

Menschsein zurückgedrängt sah.<br />

Die Romantik gilt daher als große Gegenbewegung zur Vernunftorientierung der Aufklärung,<br />

aber auch als Kritik an der Moderne in Bezug auf Triebverzicht, Gewaltförmigkeit,<br />

Domestizierung des Innenlebens, die Hineinverlagerung äußerer Zwänge in das Individuum<br />

(Freud, Foucault, Elias). Und auch die Überwindung des Mythos wurde und wird bis<br />

in die heutige Zeit als „Verlust“ beklagt, so dass immer wieder von einer „Wiederverzauberung<br />

der Gesellschaft“ die Rede ist. Im Zuge der Postmoderne kommen daher all diese<br />

Topoi wieder <strong>zum</strong> Vorschein, deren Verlust man beklagte und der „Vernunft“ zur Last legte<br />

(Körper, Sinnlichkeit, Emotionalität, das Individuelle usw.).<br />

Vieles allerdings, was man im Zuge der Durchsetzung der Moderne zunächst als ihr spezifisches<br />

Kennzeichen identifizierte (Fragmentierung, die Individualisierung, Kontingenz) -<br />

ganz so, wie es Simmel im Anschluss an Baudelaire (als Denker der Moderne) in seinen<br />

essayhaften Analysen des Großstadtlebens (Fremdheit, Mode, alltägliche Ästhetik, Flaneurtum)<br />

getan hat, also Gedanken formulierte, die später Kracauer und Benjamin aufgriffen -<br />

hat man in den Neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eher unter der Rubrik<br />

„Postmoderne“ einsortiert. Die Moderne – ein „unvollendetes Projekt“ (Habermas), die<br />

Postmoderne dann in einem grandiosen Selbst-Missverständnis nichts anderes als die Moderne,<br />

die zu sich selbst findet?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!