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178 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

<strong>Kultur</strong> der Moderne - Eine notwendige Begriffsklärung<br />

„’<strong>Kultur</strong>’ ist ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher<br />

Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens“, so definiert Max Weber<br />

in seinem Buch „Wirtschaft und Gesellschaft“ (1971) „<strong>Kultur</strong>“. Seine „verstehende Soziologie“<br />

will als Wirklichkeits-Wissenschaft das Leben in seiner Eigenart, will seine einzelnen<br />

Erscheinungen in ihrer <strong>Kultur</strong>-Bedeutung verstehen. Diesem Programm kann ich mich<br />

hier anschließen.<br />

Allerdings: Gerade wegen des „cultural turns“ in allen Wissenschaften ist es inzwischen<br />

geradezu unmöglich, einen knappen Überblick über das inzwischen inflationär gebrauchte<br />

Konzept der <strong>Kultur</strong> zu geben, der nicht sofort angreifbar wäre. Allerdings ist es unvermeidbar.<br />

Nützlich mag dabei eine grobe Unterscheidung von disziplinären Zugängen zur <strong>Kultur</strong><br />

sein (vgl. Abb. 5).<br />

Auf philosophisch-anthropologischer Ebene (vgl. Kapitel 1) ist „<strong>Kultur</strong>“ dasjenige, das<br />

menschliches Leben von anderen Formen des Lebens unterscheidet: die Tatsache, dass der<br />

Mensch – und nur der Mensch – sein Leben selbst gestalten muss. Er ist Beobachter, Planer,<br />

Macher und Bewerter seiner Lebensumstände. Dies macht ihn zu einem kulturell verfassten<br />

Wesen.<br />

„<strong>Kultur</strong>“ wird allerdings erst im 18. Jahrhunderts zu einem viel genutzten Konzept zur Selbstbeschreibung<br />

des Menschen. Es tritt in dem Moment auf den Plan, als der europäische Mensch<br />

entdeckt, dass es als menschlich anzuerkennende Lebensformen auch außerhalb Europas gibt.<br />

Die Pluralität der Möglichkeiten des Menschseins benötigt daher zu ihrer Erfassung eine<br />

Kategorie der Differenz. Genau dieses leistet der <strong>Kultur</strong>begriff, so wie ihn später auch die<br />

Ethnologie verwendet: <strong>Kultur</strong> ist die menschliche Lebensweise in ihrer Vielgestaltigkeit.<br />

Interessant ist hierbei ein Blick in die historische Semantik. „<strong>Kultur</strong>“ erscheint als Begriff<br />

der Differenz am Ende des 18. Jahrhunderts und erfasst – wie erwähnt – die Vielfalt menschlicher<br />

Lebensformen. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurden alle Künste unter einem<br />

einheitlichen Begriff von „Kunst“ zusammengefasst und gleichzeitig wird die philosophische<br />

Disziplin der Ästhetik begründet. Bei letzterem ging es darum, die Sinnlichkeit des<br />

Menschen angesichts der Dominanz der Rationalität und des philosophischen Rationalismus<br />

auf dem Festland zu rehabilitieren.<br />

Eine Annäherung dieser beiden Konzepte der „<strong>Kultur</strong>“ und der „Kunst“ geschieht erst sehr<br />

viel später und führte stets zu einem spannungsvollen Verhältnis. Fast kann man die Entwicklung<br />

der Künste – über eine Phase der Thematisierung ihrer „Autonomie“ – als Wiedergewinnung<br />

ihrer kulturellen Relevanz, etwa bei der avantgardistischen Forderung nach<br />

einem Zusammengehen von Kunst und Leben, deuten.<br />

Die frühe Bedeutung von „<strong>Kultur</strong> als Lebensweise“ geht in einigen Diskursen dann insoweit<br />

verloren, als unter „<strong>Kultur</strong>“ in Deutschland nur noch „ästhetische <strong>Kultur</strong>“, also Kunst,<br />

verstanden wird. Folge ist, dass der (ursprüngliche) „weite <strong>Kultur</strong>begriff“ der Unesco und<br />

des Europa-Rates erst spät im 20. Jahrhundert für die <strong>Kultur</strong>politik (wieder-)entdeckt werden<br />

musste, allerdings für den Kunstbereich mit der unerfreulichen Folge, dass „Kunst“ nur<br />

noch eine kulturelle Ausdrucksform unter vielen anderen ist.<br />

Entsprechend der – oben auch schon kritisierten – Mainstream-Theorie der Moderne differenziert<br />

sich mit der Entwicklung der kapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft diese aus.<br />

Es entstehen Subsysteme mit jeweils besonderen Aufgaben. In der Lesart, die Parsons den<br />

soziologischen Klassikern am Ende des 19. Jahrhunderts hat angedeihen lassen, entsteht so

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