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186 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

bensmodells eines Spießers, das die fordistische Produktionsweise benötigte. Auch bei der<br />

Durchsetzung der Lebensform des Hippies der Beat-Generation war die <strong>Kultur</strong>industrie<br />

entscheidend beteiligt.<br />

In der Neuen <strong>Kultur</strong>politik sah man dagegen die Möglichkeit, alternative Lebensmodelle<br />

vorzustellen, die sich an anderen als den Werten und Zielen der kapitalistischen Moderne<br />

orientieren. Wir haben es hier mit einer <strong>Kultur</strong>funktion der Künste zu tun, die nichts an<br />

Relevanz verloren hat.<br />

Lebensstile oder Lebensweisen vermitteln zwischen den Individuen und der Gesellschaft.<br />

Es ist daher verständlich, dass immer wieder die Frage untersucht wurde, wie weit „objektiv“<br />

vorgegebene Handlungsmuster, die zu „Charaktermasken“ (Marx), „Rollen“ (Mead,<br />

Plessner) oder „Sozialcharakteren“ (Fromm) verdichtet wurden, subjektive Individualität<br />

und Freiheit noch auszuleben gestatten. Der Zwang durch äußere Verhaltenserwartungen<br />

entsteht dabei nicht erst mit der bürgerlichen Gesellschaft, wie etwa eindrucksvoll Elias in<br />

seiner Studie „Die höfische Gesellschaft“ zeigt. Allerdings scheint der äußere Zwang in<br />

subtiler Form aufzutreten, was auch notwendig ist, da auf einer oberflächlichen Ebene die<br />

Rhetorik unbegrenzter Freiheit eine völlige Loslösung von äußeren Zwecken suggeriert:<br />

Der Charakter der Ausübung von Macht verändert sich (vgl. die Studien zur „Gouvernementalität“<br />

von Foucault). Ein entscheidendes Charakteristikum des sich durchsetzenden<br />

Kapitalismus ist dabei die zunehmende Relevanz des Tauschwertes. Getauscht wird in allen<br />

Gesellschaften, so dass Anthropologen und Ethnologen Tausch als Grundmechanismus des<br />

Sozialen schlechthin identifiziert haben. Der Tausch von Dingen und Gebrauchswerten<br />

wird notwendig, weil Arbeitsteilung <strong>zum</strong> äußerst effektiven Organisationsprinzip von Gesellschaft<br />

wird, so dass „Tausch“ – neben etwa „Ehre“, die nach wie vor eine Rolle spielt –<br />

<strong>zum</strong> wichtigsten Vergesellschaftungsmotor wird. Der unmittelbare Tausch von je benötigten<br />

Gegenständen wird bald abgelöst durch ein gemeinsames Äquivalent, das – als Muschel,<br />

Kieselstein, Gold etc. – <strong>zum</strong> Hauptnenner für alle Tauschprozesse, <strong>zum</strong> Mittel der<br />

Wertaufbewahrung, kurz, <strong>zum</strong> Zahlungsmittel wird. Dies ist die Geburtsstunde des Geldes,<br />

und fortan dominiert die tauschwertbasierte Geldverwendung die Gesellschaften. Im<br />

Zuge der Durchsetzung des Kapitalismus nimmt dies totale Formen an. Kein Wunder also,<br />

dass Theorien des Tauschens die Form von Geldtheorien annehmen und nicht bloß Ökonomen,<br />

sondern auch Philosophen, Soziologen und Künstler sich für Geld und seine Funktionsweise<br />

interessieren (vgl. etwa die entsprechenden Motive in Faust II).<br />

Marx entwickelt seine Geldtheorie, Simmel versucht, als Alternative und philosophische<br />

Erweiterung eine „Philosophie des Geldes“ (1900) als umfassende <strong>Kultur</strong>philosophie der<br />

Gegenwart. Ich will beide Ansätze einer Geldtheorie nicht vergleichen, sondern nur darauf<br />

hinweisen, dass sowohl im Kapital Band 1 als auch in Simmels Grundlagenwerk auf<br />

dem Fundament einer Theorie des Geldes die Prozesse der Vergesellschaftung und der<br />

Lebensstile sowie die Handlungsmöglichkeiten des Menschen entwickelt werden. Alfred<br />

Sohn-Rethel hat im Geldverkehr die Grundlage nicht bloß von Ich-Identität, sondern<br />

sogar von allen Denkformen der Moderne gesehen – auch als Grundlage aller Pathologien<br />

der Moderne. Die großen Soziologen der Jahrhundertwende sehen in der „Rechenhaftigkeit“<br />

das zentrale Kennzeichen bürgerlich-modernen Lebens. Geistesgeschichtlich ist<br />

dieses Denken in Kategorien der Rechenhaftigkeit kompatibel mit der Denkform des<br />

Kalküls und der Analyse, die mit Leibniz, mit Hobbes und Condillac prominente Vertreter<br />

in den wichtigsten europäischen Ländern hat (vgl. Fuchs 1998: <strong>Kultur</strong> Macht Politik;<br />

Kap. 5.)

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