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TAGUNG KULTURELLE BILDUNG 343<br />

Schulnoten in den naturwissenschaftlichen Fächern und empfinden sich dabei offensichtlich<br />

noch als besonders witzig statt verantwortungslos.<br />

Die Fernsehsender sind überladen mit niveauloser Comedy, in Talkshows findet zunehmend<br />

nur noch Werbung für Bücher, Filme oder Fernsehsendungen der jeweiligen Gesprächspartner<br />

statt, anstelle eines interessanten Gedankenaustauschs zu viele Menschen<br />

berührenden Fragen, wie dies noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist. Mit oberflächlicher<br />

Unterhaltung belästigen uns auch die am meisten gelesenen Printmedien, Klatsch<br />

und Tratsch, den eigentlich niemand wissen muss, den aber offensichtlich – Symptom des<br />

allgemeinen Standards – viele allzu gerne wissen wollen. Zwei meiner naturwissenschaftlichen<br />

Rundfunksendungen wurden unter hohen Lobesworten für deren Inhalt und Gestaltung<br />

mit der Begründung abgesetzt, man hätte immer dann, wenn diese Sendung begänne,<br />

nur noch 50 000 Hörer je Stunde, statt der für die Werbeeinnahmen erforderlichen 70.000!<br />

Das liegt natürlich im System begründet und vordergründig hat der Betreiber eines solchen<br />

Senders sogar Recht. Er möchte nämlich mit seiner Anstalt auf dem Markt präsent bleiben.<br />

Aber – zugespitzt formuliert – kann langfristig durch solche Mechanismen das Überleben<br />

des gesamten Landes in Frage gestellt werden. Solche Prozesse sind natürlich in einem<br />

freien Land schwerer zu steuern, als dies z.B. der zentrale Weisungsapparat der DDR vermochte,<br />

den sich niemand zurück wünscht. Aber durchgreifende Korrekturen sind hier<br />

unabdingbar und werden jenen Politikern, die bereits über die richtigen Erkenntnisse verfügen,<br />

viel Phantasie abverlangen.<br />

Das alles betrifft unmittelbar auch das Problem der kulturellen Bildung, denn ich behaupte,<br />

Naturwissenschaften, insbesondere Astronomie, aber auch Technik sind ein Teil unserer<br />

<strong>Kultur</strong>. Beistand für diese These ist nicht schwer zu finden, definiert doch schon „Meyers<br />

Neues Lexikon“ die <strong>Kultur</strong> als die „Gesamtheit der geistigen, ... sozialen ... und materiellen ...<br />

Formen der Lebensäußerungen der Menschheit, mit denen diese die eigene Umwelt hervorbingt<br />

und die menschliche Natur fortentwickelt, veredelt und überschreitet“ /3/. Doch von einer<br />

solchen Unterkunft der Naturwissenschaften gemäß lexikalischer Definition in der großen<br />

Wohnung der <strong>Kultur</strong> ist in der Realität nicht nur in Deutschland wenig zu spüren, sondern<br />

in großen Teilen der gesamten westlichen Welt. Mehr noch: intelligente Autoren, die sich<br />

mit dem Problem der Bildung beschäftigen und dabei kulturelle Bildung meinen, schließen<br />

Naturwissenschaften und Technik sogar explizit aus. So lesen wir etwa bei dem Literaturwissenschaftler<br />

Dietrich Schwanitz in seinem Buch „Bildung. Alles, was man wissen muss“:<br />

„Die naturwissenschaftlichen Kenntnisse werden zwar in der Schule gelehrt; sie tragen auch<br />

einiges <strong>zum</strong> Verständnis der Natur, aber wenig <strong>zum</strong> Verständnis der <strong>Kultur</strong> bei ... so bedauerlich<br />

es manchem erscheinen mag: Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt<br />

werden, aber zur Bildung gehören sie nicht“ /4/.<br />

Diese Sichtweise hat in Deutschland auch noch gewichtigere Fürsprecher von beachtlicher<br />

Autorität. So schrieb z. B. Jürgen Habermas:<br />

„Die Erkenntnisse der Atomphysik bleiben, für sich genommen, ohne Folgen für die Interpretation<br />

unserer Lebenswelt ... Erst wenn wir mit Hilfe der physikalischen Theorien Kernspaltungen<br />

durchführen, erst wenn die Informationen für die Entfaltung produktiver und destruktiver<br />

Kräfte verwertet werden, können ihre umwälzenden praktischen Folgen in das literarische<br />

Bewusstsein der Lebenwelt eindringen – Gedichte entstehen im Anblick von Hiroshima<br />

und nicht durch die Verarbeitung von Hypothesen über die Umwandlung von Masse und<br />

Energie“/5/.

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