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344 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

Zwar konnte die Einschätzung von Habermas enorme Verbreitung und Einfluss gewinnen,<br />

doch das Wesen von Wissenschaft trifft sie nicht. Von dem Streben der Wissenschaft, herauszufinden,<br />

was die Welt im Innersten zusammenhält, von der Faustischen Verzweiflung<br />

angesichts Jahrtausende währenden Bemühens um die Wahrheit, klingt hier nichts an. Und<br />

gerade diese oft schmerzvolle und nie endende Suche nach der Wahrheit ist das Gemeinsame<br />

an Wissenschaft und Kunst, gehört zu den tiefsten Wurzeln der menschlichen Existenz<br />

und damit zur <strong>Kultur</strong>.<br />

Wer kann denn ernsthaft behaupten, man könne als kulturell ge<strong>bildet</strong> gelten, wenn man<br />

zwar Peter Pauls Rubens kenne, aber nichts von den gewaltigen Umbrüchen der Weltbetrachtung<br />

weiß, die zur gleichen Zeit von Copernicus und Kepler herbeigeführt wurden.<br />

Und wer dieser These wiederum zustimmt, muss auch konsequent bleiben: ohne das Wissen<br />

um die ersten Anfänge der Konstruktion von Weltsystemen bei den Griechen sind die<br />

Leistungen der Renaissance nicht zu verstehen. Dann aber ist auch der nächste Schritt<br />

unabdingbar, die Verfolgung der weiteren Wegstrecken in immer gewaltigere Tiefen des<br />

Universums hinein. Dieses geistige Abenteuer bleibt indessen schon wieder unverstanden,<br />

wenn man es isoliert betrachten wollte. Wir bedürfen der Kenntnis all der technischen<br />

Hilfsmittel, die sich als Voraussetzungen für diesen Wissenszuwachs erwiesen haben. Und<br />

die entstanden nicht um des Zweckes der Weltallforschung, sondern wuchsen aus der allgemeinen<br />

technischen Entwicklung heraus, also jener Gesamtheiten, die auch das Alltagsleben<br />

der Menschen dramatisch verändert und geprägt haben.<br />

Analytisch denkende Menschen bemerken sehr rasch, dass sie an der Oberfläche verharren,<br />

wenn sie die Phänomene reduktionistisch betrachten. Das haben auch große Künstler erkannt<br />

und einige von ihnen vermochten es sogar, Brücken zu schlagen zwischen diesen<br />

scheinbar so verschiedenen Welten von Kunst und Wissenschaft. Als Beispiel aus der bildenden<br />

Kunst erwähne ich van Goghs viel bestauntes, aber selten analysiertes Gemälde<br />

„Die Sternennacht“, das nur entstehen konnte, weil sich der Maler mit den astronomischen<br />

Erkenntnissen seiner Zeit beschäftigt hat, wie der Briefwechsel mit seinem Bruder belegt.<br />

Ein anderes berühmtes Beispiel aus der Welt des Theaters ist Brechts „Leben des Galilei“.<br />

Hier wird die Rolle, die Wissenschaft in der Gesellschaft spielt, geradezu exemplarisch und<br />

mit hoher künstlerischer Meisterschaft auf die Bühne gebracht. Auch die Musik kennt solche<br />

Belege für Brückenschläge. Ich nenne nur das Werk „Kosmogonia“ des berühmten<br />

polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, mit dem ich mich selbst über seine Komposition<br />

unterhalten habe, wobei ich eine tiefe Vertrautheit des Künstlers mit der gesamten<br />

Geschichte der Wissenschaften entdecken konnte.<br />

Wenn solche Beispiele auch in der Kunst nicht gerade massenhaft vorkommen, so ist dies nur<br />

ein weiterer Beleg dafür, wieweit sich die beiden <strong>Kultur</strong>en schon voneinander entfernt haben.<br />

Um diesen Gedanken überzeugend im Einzelnen auszuführen, ist allerdings viel mehr Zeit erforderlich<br />

als hier zur Verfügung steht. Jedoch kann ich auf ein intelligentes Buch verweisen, in<br />

dem dies bereits geschehen ist und das man in gewisser Weise als Antwort auf das einseitige<br />

Bildungsverständnis von Schwanitz verstehen kann. Es heißt „Die andere Bildung. Was man<br />

von den Naturwissenschaften wissen sollte“ und stammt von dem Physiker und Wissenschaftshistoriker<br />

Ernst Peter Fischer /6/. Auch Hans Magnus Enzensberger hat gerade neuerdings in<br />

seinem Essay „Zugbrücke außer Betrieb“ die Ignoranz gegenüber den Naturwissenschaften als<br />

Teil der <strong>Kultur</strong> besonders mit Bezug auf die Mathematik glänzend erläutert /7/.<br />

Gestatten Sie mir jedoch noch einige Bemerkungen über die praktischen Auswirkungen<br />

dieser Diskrepanz zwischen den so genannten zwei <strong>Kultur</strong>en auf die Ausstrahlung natur-

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