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236 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

tigt? Wenn sich die Jugendlichen in der alltäglichen Konsum- und Medienwelt beliebig inszenieren,<br />

gleichzeitig dagegen und dabei sein können, ohne dass von ihnen – wie in der Pädagogik –<br />

ein Standpunkt verlangt wird? Wie soll die Schule Sinn vermitteln, wenn sie die Zukunft verliert,<br />

weil die Schulabschlüsse nicht mehr selbstverständlich in Ausbildungs- und Berufschancen<br />

münden und wenn sie die Gegenwart nicht gewinnen kann, weil sie eben auf die Zukunft<br />

organisiert ist (heute etwas lernen, damit man morgen etwas wird) und auch schon deshalb mit<br />

der gegenwartsfixierten Konsumkultur nicht mithalten kann? Wie kann ein neues Mannsein<br />

sich gesellschaftlich durchsetzen, wenn es nun zwar in den Lebenswelten Sinn gibt, die industrielle<br />

Arbeit ihr geschlechtshierarchischen System jedoch noch weiter intensiviert? Wie lange können<br />

wir individuell ungestört und lebensweltlich nahezu grenzenlos konsumieren, wenn dies<br />

industriegesellschaftlich zwangläufig zur ökologischen Katastrophe führen muss? Was nutzt es<br />

uns auf die Dauer, wenn wir eine lebensweltlich erträgliche oder gar sinnvolle Organisation der<br />

Arbeit haben, wenn wir aber nicht mehr kontrollieren können, ob das, was wir mithelfen zu<br />

produzieren, überhaupt noch (aus humaner und ökologischer Sicht) sinnvoll ist oder ob nur<br />

noch aus der ökonomischen Systemlogik der (internationalen) Wettbewerbsfähigkeit heraus produziert<br />

wird?“<br />

Was kann die Lösung dieses Dilemmas sein? Auf die Schule wird man kaum verzichten (bei<br />

kultur- und sozialpädagogischen Angeboten ist dies nicht so klar).<br />

Lothar Böhnisch entdeckt in dieser Situation den sozialen Konflikt als gemeinschaftstiftendes<br />

Element. Denn Konflikte wird es in dieser anomischen Schule viele geben. Sein Modell:<br />

Eine Schule, die Konflikte (etwa bei Themen wie Aggression und Gewalt, Unzufriedenheit<br />

mit Lehrern etc.) offen austrägt. Er stützt sich dabei auf das Modell der „gerechten<br />

Schule“, das im Rahmen der Moralerziehung in Anschluss an die Theorie moralischer Entwicklung<br />

von Kohlberg entwickelt wurde und das die Regelung solcher Konflikte bereits<br />

empirisch überprüft hat. Allerdings kollidiert eine eigenständige Konfliktregulierung durch<br />

die und in der Schule in Deutschland mit der Verrechtlichung der Schule, bei der für jede<br />

Abweichung Reaktionen und Sanktionen bis ins kleinste vorgegeben sind.<br />

Ich erinnere zudem daran, dass das ansonsten sehr gute Buch von Galuske (2002) bei der<br />

Entwicklung einer Strategie zur Erhaltung der Sozialpädagogik in einer Gesellschaft der<br />

Zweiten Moderne ebenfalls einigermaßen hilflos blieb. Dies ist daher die anstehende Aufgabe:<br />

für alle pädagogischen Bereich eine neue Legitimität und Aufgabenstellung zu finden.<br />

Denn ob der eher reformpädagogisch orientierte Weg von Krüger (in Helsper/Krüger/<br />

Wenzel 1996, 253 ff., hier: 266) angesichts einer ähnlichen Situationsbeschreibung gelingen<br />

wird, ist fraglich: Die Schule erfahrungsorientierter zu gestalten, sie näher an die Lebenswelt<br />

der Schüler heranzurücken. Krüger sieht selbst die Gefahr einer zunehmenden<br />

Pädagogisierung der Lebenswelt, einer weiteren (zweiten?) Annäherung an die Subjektivität<br />

der Heranwachsenden bis hin zu einer erweiterten Enteignung der Jugendlichen. Dieser<br />

Vorschlag scheint daher auf eine Überforderung des Systems Schule hinauszulaufen,<br />

wenn diese zusätzlich sozialpädagogische Aufgaben der Beratung und Betreuung übernehmen<br />

soll.<br />

Offenbar sind dies jedoch die beiden zur Verfügung stehenden Modelle: Eine Schule, die<br />

universell, organisiert und allzuständig viele (alle?) Erziehungs- und Bildungsaufgaben aller<br />

Sozialisations- und Bildungsinstanzen übernimmt, oder eine Schule, die durchaus im Mittelpunkt<br />

des Bildungsprozesses der Heranwachsenden steht, sich aber als Teil eines umfassenderen<br />

Bildungsnetzwerkes um eine faire Kooperation mit anderen Bildungsorten bemüht.

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