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KULTURPÄDAGOGIK UND SCHULE 251<br />

weder in einer „erst dies, dann das“ betrachtet werden sollte (dies wäre sofort das Ende<br />

jeglicher Veränderung, da man sich dann wechselseitig blockiert), noch wird „Politik“ nur<br />

im Rahmen der etablierten politischen Akteure (Parteien, Gewerkschaften, Staat) verstanden.<br />

Nicht umsonst hat das Konzept einer „Zivilgesellschaft“ in den letzten Jahren eine<br />

besondere Karriere gemacht, weil es (u.a.) auch dazu dient, die Vielfalt und Notwendigkeit<br />

von politischer Einflussnahme innerhalb und außerhalb etablierter Politikstrukturen zu<br />

konzeptionalisieren.<br />

„Mehr Demokratie zu wagen“ heißt daher: Repolitisierung der Gesellschaft.<br />

Mit diesem Topos befindet man sich in einer langen Tradition, die auch und gerade für die<br />

Pädagogik eine große Bedeutung hatte. An zwei Begriffen will ich dies kurz zeigen. Der<br />

gerade im Zuge der friedlichen Revolution in Osteuropa neu entdeckte Begriff der Zivilgesellschaft<br />

steht für eine 2500 Jahre alte Tradition. Er ist die Rückübersetzung des deutschen<br />

Begriffs der „bürgerlichen Gesellschaft“, die nicht zuletzt in der politischen und Rechtsphilosophie<br />

von Hegel eine wichtige Rolle spielt und die etwa von Gramsci in dem Konzept<br />

der societa civile in ihrer politischen Bedeutung in ihr Recht gesetzt wurde. Ihren Ausgangpunkt<br />

nahm sie in der aristotelischen Koinonia politike (lat.: societas civilis), dem Zusammenschluss<br />

der freien Männer, also den Entscheidern in der Polis der griechischen Demokratie.<br />

Zwischenzeitlich spielte die civil society in der englischsprachigen politischen Philosophie<br />

(z. B. J. Locke) eine wichtige Rolle. Heute bezeichnet die Zivilgesellschaft bei allem<br />

Schillernden, das in der Verwendung dieses Begriffes liegt, eine politische Diskursivität und<br />

Meinungsbildung vor und neben, z. T. gegen etablierte Strukturen, ist also in der Tat ein<br />

wichtiges Konzept bei dem Projekt einer Wiedergewinnung des Politischen.<br />

In dieselbe Richtung geht die Verwendung eines weiteren Begriffspaares: der Sozialformen<br />

des Citoyen bzw. des Bourgeois. Hierin wird die doppelte Gesellschaftlichkeit des Bürgers<br />

in der Moderne erfasst: Politischer Mitgestalter des Gemeinwesens und Funktionsträger in<br />

der Marktgesellschaft zu sein. Wurde die Pädagogik als „Arbeit am Subjekt“ von Beginn der<br />

Moderne immer auch in ihrer Rolle gesehen, politische Mitverantwortung in einer zunehmend<br />

demokratisch verfassten Gesellschaft zu übernehmen, so wird in den durchaus widersprüchlichen<br />

Bildungszielen „Citoyen“ bzw. „Bourgeois“ auch die ambivalente Rolle<br />

deutlich, was ein staatliches Bildungssystem zu leisten hat.<br />

Mit dem Ziel, neoliberale Zumutungen durch eine verbreiterte Demokratie zu verhindern,<br />

den Citoyen als Bildungsziel ebenso wieder zu entdecken wie eine funktionierende „Zivilgesellschaft“<br />

anzustreben, bewegt man sich also in einer guten Traditionslinie der Moderne<br />

(die allerdings auch andere, in die Barbarei führende Traditionslinien hat). Diesen komplementären<br />

Zusammenhang von Pädagogik und Politik gedacht zu haben, liegt tief in der<br />

deutschen Tradition des Erziehungsdenkens, wobei oft genug die emanzipatorisch-erzieherische<br />

Qualität der Künste genutzt wurde. Man denke nur etwa an die politisch-pädagogische<br />

Konzeption von Schiller. Doch während das bildungsphilosophische Denken sich in<br />

Deutschland entweder von den sozialen Kontexten abkoppelte bzw. sich in eine wenig<br />

demokratische Richtung entwickelte (so wie in der „<strong>Kultur</strong>pädagogik“ der 20er Jahre), gab<br />

es in anderen Ländern durchaus heute anschlussfähige Positionen. In erster Linie ist hier an<br />

John Dewey (1859 – 1952) zu denken, der systematisch in seinem langen Leben die philosophisch-erkenntnistheoretische,<br />

anthropologische, kunsttheoretische, pädagogische und<br />

politische Dimension ausgearbeitet hat. Nicht umsonst erleben wir eine Art von Renaissance<br />

des Pragmatismus Deweyscher Prägung, wie sich etwa in der verstärkten Rezeption in

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